Test Suzuki V-Strom 1000 - Die Supermoto unter den Reisedampfern

Test
18.07.2018

Von: Philipp Bednar
Am Papier ist die Suzuki V-Strom 1000 weder die stärkste, leichteste noch am besten ausgestattete Reiseenduro am Markt. Aber sie punktet mit einer Tugend, die man nicht in ein Prospekt drucken kann: einem sensationellen Vorderradgefühl. Dazu der Schnäppchenpreis - fertig ist eines der meist unterschätzten Motorräder am Markt. 

Ergonomie

Typisch Reiseenduro thront man recht hoch im Sattel der gelben Suzuki V-Strom 1000 - 850 mm, wenn man es genau nimmt. Der Schrittbogen ist etwas schmaler geschnitten, daher kommt man problemlos mit den Füßen zu Boden. Der Sattel ist bequem, die Stufe zum Soziusabschnitt nicht übermäßig hoch, bietet aber genug Gegendruck beim Durchbeschleunigen. Unpraktisch ist der gelbe Sitzbezug, der binnen weniger Minuten schmutzig aussieht und gar nicht so einfach zu reinigen ist. Ein unifarbener schwarzer Sattel wäre praktischer. Die Fußrasten sind genau dort wo sie hingehören und hoch genug positioniert, um selbst im Angriffsmodus nicht gleich aufzusetzen. Der Lenker liegt gut in der Hand, könnte für meinen Geschmack jedoch einen Tick breiter und flacher ausfallen. Der Lenkeinschlag ist ganz anständig - rasches Wenden auf schmalen Straßen ist leicht möglich. Das Windschild ist durch eine Druck-Mechanik in der Neigung auch während der Fahrt leicht zu verstellen, sofern man nicht zu schnell fährt und der Winddruck größer ist, als jener, den man mit der linken Hand aufbringen kann. Die Rückspiegel sind zwar furchtbar hässlich, bieten aber eine sehr gute Sicht nach hinten. Hier dürften die Ingenieure und nicht die Designer gewonnen haben. Praktisch: Das Handrad zur stufenlosen Verstellung des Federbeins auf der linken Seite unter dem Sattel. Damit kann das Heckniveau schnell für Gepäck- oder Soziusbetrieb angepasst werden. Kurz: Es sitzt sich fahraktiv, dezent vorderradorientiert und bequem im Sattel der Suzuki V-Strom 1000. Vollgetankt konnte ich 231,7 kg messen (111 / 120,7 kg). 

Handling

Neben dem Motor ist das Handling die Paradedisziplin der V-Strom 1000. Denn bereits nach wenigen Kilometern fühlt man sich so angenehm unaufgeregt mit der V-Strom verbunden, dass man richtig zackig in die Ecken sticht. Verantwortlich dafür ist das famose Vorderradgefühl. Während die meisten großen Reiseenduros auf ein Höchstmaß an Stabilität getrimmt sind, gibt sich die V-Strom als Königin der Handlichkeit, ohne dabei je instabil zu wirken. Ich kann es nicht besser beschreiben, aber das Einlenkverhalten fühlt sich so dermaßen leicht an, dass man sich im Sattel einer schweren Supermoto fühlt. Fantastisch. Damit wird das Kurvenfahren ganz selbstverständlich. Gleich ob langezogene Highspeedkurven oder enge Passkehren, die V-Strom inhaliert das gewundene Asphaltband unkapriziös und gelassen, dass sich das Selbstvertrauen des Reiters bis ins Unermessliche steigert. Das Ding macht einfach richtig Spaß. Ich habe es nicht ausprobiert, aber angeblich lässt sich die V-Strom 1000 bis zum Auspuffschleifen umlegen. Und es liegt definitiv nicht daran, dass sie eine zu geringe Schräglagenfreiheit hat. Ganz im Gegenteil. 

Motor/Getriebe

Bereits ihre kleine Schwester, die V-Strom 650, habe ich für ihren Motor gelobt. Die große Schwester legt sogar noch nach. Wirklich seidenweich läuft der 1037 Kubik-Zweizylinder, leistet dabei maximal 101 PS und genau so viel Newtonmeter Drehmoment. Das mag sich nicht besonders sportlich lesen, aber glaubt mir, es sind sehr potente, spontane und motivierte Pferde. Gepaart mit der perfekten Gasannahme, wird man so schnell eines mit der V-Strom, dass man alsbald im Flow unterwegs ist. Bereits vom Stand weg schiebt der V-Motor kräftig an, überfordert den Reiter aber nie. Zur Sicherheit hat Suzuki der V-Strom zwar eine zweistufige Traktionskontrolle spendiert (die sich auch ganz leicht während der Fahrt ein- und ausschalten lässt) aber eigentlich braucht man sie nicht. Wer nur etwas Gefühl im Hintern und rechten Handgelenk hat, der zupft die V-Strom nach belieben auf's Hinterrad oder lässt einen kleinen Slide am Kurvenausgang zu - so harmonisch kann ein gut abgestimmtes Antriebspaket sein. Das Suzuki Clutch Assist System (SCAS) bietet hierbei vor allem beim Runterschalten genug Reserveren (ähnlich einer Anti-Hopping-Kupplung), um selbst spät angebremste Ecken noch locker zu meistern. Das Gefühl für die hydraulische Kupplung am Hebel ist übrigens extra präzise. Das Getriebe ohne Schaltautomat zeigt sich - ähnlich dem Motor - von seiner seidigen Seite. Die Schaltwege sind knackig, die einzelnen Gangstufen rasten sauber und spürbar ein. Das passt so ganz wunderbar. Die Getriebeabstufungen bzw. Ganganschlüsse passen gut zum Triebwerk. Selbst der Drehzahlbegrenzer setzt nicht übermäßig abrupt sondern sanft ein.  Bis auf die Spitzenleistung bekommt das Triebwerk die volle Punktzahl von mir. Und ganz ehrlich: Ich habe in der gesamten Testwoche nie Leistung vermisst. 

Fahrwerk

Glücklicherweise hat Suzuki bei der V-Strom 1000 genau das gemacht, was ich mir immer gewünscht habe: bei der Vorderradaufhängung nicht gespart und eine vollverstellbare, sauber ansprechende 43-mm-USD-Gabel verbaut. Die führt das 19-Zoll-Vorderrad so dermaßen präzise und mit viel Rückmeldung über den Asphalt, dass man zum König des Kurveneingangs mutiert. Wird hart angebremst, taucht die Gabel nicht unter einem weg, sondern fährt sauber mit hydraulischer Unterstützung über die Unebenheiten und bietet genau jenes Feedback, um zu erkennen, ob Vorderreifen oder Fahrwerk an die Grenzen stoßen. Ich kann es nicht anders sagen, aber das Vorderradgefühl hat fast supersportliche Güte. Es gibt teure, arg auf Performance gebürstete Nakedbikes am Markt, die nicht so eine präzise Vorderradführung bieten. Da haben die Suzuki-Jungs wirklich einen Topjob gemacht. Das Federbein kann leider nicht ganz mit der Gabel mithalten. Neben der Vorspannung lässt sich noch die Zugstufe verstellen. Greift man böse an, pickt das Vorderrad aber die Hinterhand fühlt sich spürbar unpräziser an. Auf stark welligem Asphalt spürt man, wie sich das Heck etwas aufschaukelt. Allerdings jammer ich jetzt auf hohem Niveau, aber so ehrlich muss man sein, dass zwischen Gabel und Federbein ein spürbarer Performanceunterschied ist. Zwar weiß der Reiter stets, was das 17-Zoll-Hinterrad macht, aber gepaart mit dem komfortablen Sattel bleibt das letzte Quäntchen Rückmeldung verborgen. In Summe ist das Fahrwerk sehr gut abgestimmt und bietet einen breiten Einsatzbereich. Die Highspeed-Stabilität stimmt auch.

Bremsen

Genau so und nicht anders muss sich der Druckpunkt der Vorderradbremse anfühlen. Hart wie Kruppstahl, aber trotzdem mit genug Feedback, um nicht gleich vom Bosch-ABS gemaßregelt zu werden. Ganz großes Kino, genau mein Geschmack. Die Radialbremszangen beißen dabei nicht übermäßig bissig oder radikal in die 310-mm-Doppelbremsscheiben, aber stramm genug, um die V-Strom punktgenau zu verzögern. Gepaart mit der famosen Vorderradperformance das ist für mich - im Bereich der konventionellen Fahrwerke - die Messlatte im Big-Enduro-Segment. Die Hinterradbremse mit einer 260-mm-Bremsscheiben ist ebenfalls hervorragend dosierbar und reicht vollkommen aus, um in der Stadt - zusammen mit der Motorbremse - immer rasch zum Stillstand zu kommen. Interessant: Das ABS ist sehr sportlich abgestimmt, wer richtig hart ankert, der hört schon mal kurz den Reifen pfeifen und malt einen kurzen, schwarzen Strich mit dem Vorderreifen am Kurveneingang. 

Aufgefallen

Wie stimmig das Gesamtpaket der V-Strom 1000 ist. Man macht einen groben Fehler, wenn man nur einzelne Aspekte von dem Motorrad mit der Konkurrenz vergleicht. Erst in Summe läuft die Suzuki zu ihrer Größe auf. Angenehmer Sound, nüchternes Cockpit, bisschen viel Gelb und ein etwas zahmes Design. Ihr vergleichsweise niedriger Preis. 

Durchgefallen

Der gelbe Sitzbezug, total unpraktisch. Leider nur Gummibremsschläuche. Die hässlichen Spiegel, die aber eine tolle Übersicht bieten. Geht sicher hübscher. 

Testurteil: Suzuki V-Strom 1000, by p.bednar

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