Warum Schmierstoffe heute mehr als nur „schmieren“
Motoren werden immer komplexer – und mit ihnen die Anforderungen an das Motoröl. Vom einfachen Schmierstoff hat es sich zu einem hochentwickelten Bauteil entwickelt, das entscheidend für Leistung, Effizienz und Langlebigkeit ist.
Im Gespräch erläutert Oliver Kuhn, stellvertretenden Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Schmierstoffe des deutschen Herstellers Liqui Moly, warum moderne Motoren ohne spezialisierte Öle nicht auskommen, wie sich mineralische und synthetische Varianten unterscheiden und welche Rolle Additive spielen. Dabei wird deutlich: Es ist weniger die Frage nach dem „besseren“ Öl entscheidend, sondern ob die vorgegebenen Spezifikationen eingehalten werden.
KFZ-Wirtschaft: Öl ist nicht gleich Öl. Wie haben sich im Laufe der Jahre die Schmierstoffe weiterentwickelt?

Oliver Kuhn: „Jeder neue Motor ist wie ein großes Puzzle aus abertausend Teilen. Manche lassen sich von anderen Motormodellen verwenden; eine Vielzahl muss gänzlich neu konzipiert werden. Die technischen Anforderungen an den Antriebsstrang, gesetzliche Vorgaben hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß, das Platzangebot im Motorraum – Stichwort Downsizing – sowie viele weitere Aspekte müssen berücksichtigt werden. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich das Motoröl vom „bloßen“ Schmiermittel zu einem passgenauen Bauteil entwickelt, das einem ganz spezifischen Anforderungsprofil entsprechen muss. Nur schmieren und kühlen war einmal – heutzutage muss Motoröl viel mehr leisten können. Extremen Temperaturen und Drücken muss es Stand halten und den Motor von Verbrennungsrückständen, Abrieb, Säuren, Wasser und Kraftstoffpartikeln freihalten sowie das Aggregat vor Korrosion schützen. Weil Umweltfreundlichkeit mit dem Kraftstoffverbrauch einhergeht, liegt das Augenmerk bei der Entwicklung moderner Schmierstoffe immer auch auf der Einsparung von Benzin und Diesel. Zwar waren die Motoren früher anspruchsloser bei der Wahl des Öls, aber deren Verbrauch und die Anzahl der Ölwechsel war höher. Mit der Zeit wurden die Aggregate immer leistungsstärker, gleichzeitig ökonomischer und ökologischer. Inzwischen muss ein Motoröl seinen Dienst wesentlich länger verrichten. Von wenigen tausend Kilometer stieg die Zahl bis zum nächsten Wechselintervall auf mehrere 10.000 Kilometer.“
Früher war die „Gretchenfrage“ mineralisch oder synthetisch. Das ist längst vorbei. Wie unterscheiden sich moderne Öle voneinander?
Mineralische Öle verlieren immer mehr an Bedeutung für Autos, weil sie nicht so leistungsstark sind. Moderne Motoren verlangen dem Öl viel mehr ab, was nur synthetische Öle schaffen. Es gibt zwei verschiedene Herstellungsarten: Einerseits das PAO-Öl, das ist das klassische synthetische Öl, wie es in den 1970er Jahren auf den Markt kam. Chemisch ist es sehr rein und leistungsstark, aber auch sehr teuer in der Produktion. Andererseits die durch Hydro-Cracking hergestellten HC-Öle, die es seit den 1990er Jahren gibt und heute die bestmögliche Leistung für alle modernen Motoren bieten. In den USA dürfen PAO- und HC-Öle als vollsynthetisch bezeichnet werden, in Deutschland aber nur PAO-Öle. Deswegen kennzeichnen wir unsere HC-Öle mit dem Begriff „Synthese Technology“. Andere Ölhersteller verwenden Begriffe wie „100% synthetic“ oder „synthetic mix“. Entscheidend ist aber, dass das Öl die Spezifikationen der Autohersteller erfüllt.
Welche Rolle spielen Additive?
Mit Additiven können die Eigenschaften der Öle justiert werden. Schmierstoffe werden dadurch effizienter, langlebiger oder besser reinigend. Vor allem in den letzten 30 Jahren ist das Feld der Additive erheblich gewachsen. Durch Energieeinsparungen können Effizienz und Langlebigkeit verbessert werden. Somit gibt es für fast jede Maschine angepasste Öl. Heute ist ein Schmierstoff als Bauteil einer Maschine zu sehen. Öl hat leider auch Eigenschaften, die nicht immer passen. Ein simples Beispiel: Ein Salatöl im Kühlschrank wird trübe und dickflüssig. Bei Erwärmung wird es wieder dünnflüssig. Eine Maschine ist ebenfalls Wärme und Kälte ausgesetzt und muss bei allen Temperaturunterschieden gut geschmiert sein. Das kann ein Öl von sich aus nur bedingt. Ein Öl kann schmieren, hat aber keine reinigenden Eigenschaften und es entstehen im Betrieb Rußpartikel und Schmutz. Ohne Additive kann ein Öl den Schmutz nicht wie ein Spülmittel aufgreifen. Additive kommen hier dem Öl zu Hilfe, denn damit ein Motor optimal läuft, müssen Kolben, Zylinder usw. sauber sein. Deswegen steigt der Additivanteil auch und macht mittlerweile über 20 bis 30 Prozent im Motorenöl aus. Die eigentliche Arbeit verrichten die Additive und das Öl dient vorrangig als Trägermedium.
Zur Person
Oliver Kuhn ist stellvertretender Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Schmierstoffe des deutschen Herstellers Liqui Moly.



