
Test VW ID.3 - Der Volksstromer?
VWs große Zukunftshoffnung heißt ID.3. Vollelektrisch, modern, praktisch, kompakt und mit genügend Reichweite ausgestattet. Aber kommt der E-Wolfsburger gegen Tesla und Co. an? Wir konnten ihn ausprobieren.
Zum Kürzel ID.3 gibt es mehrere Deutungen: Manche meinen, es stünde für Idee 3 – für den dritten großen Wurf nach Käfer und Golf. Andere meinen, es stünde für Identität 3, das dritte identitätsstiftende Auto im Konzern (nach Käfer und Golf). Tatsächlich ist es viel einfacher. Es steht für intelligentes Design, und die Ziffer 3 steht für die Kompaktklasse (und für den dritten großen Wurf nach Käfer und Golf).
So weit, so klar. Apropos klar: reinsetzen, Startknopf drücken, losfahren? Na ja, im VW ID.3 nicht ganz. Denn: Um loszufahren, muss man erst mal den Schalter für D, N und R finden. Der versteckt sich recht ungewohnt hinterm Lenkradkranz auf der rechten Seite der Fahrerarmatur. Lautlos gleitet man los, alsbald setzt das futuristische Summen/Brummen des Fußgängerschutzes ein, da man den ID.3 in Begegnungszonen sonst nicht hören würde. Tritt aufs Gas – holla. Der Stromer zieht richtig stramm vorwärts, der Fahrer wird spürbar in den Sitz gedrückt. Das Drehmoment ab der ersten Umdrehung des E-Motors ist eine klare Ansage: Ampelstarts gehören dem ID.3.
Für unsere Testfahrt hatten wir ein Vorserienmodell der 1st-Edition in der Pro Performance-Variante. Bedeutet: ein 58 kWh-Akku im Fahrzeugboden, 1-Gang-Automatik, 150 kW (204 PS) Spitzenleistung und eine gute Ausstattung samt LED-Scheinwerfer und Rückleuchten, üppiger Konnektivität, Climatronic usw. Wirklich modern und fesch: die Ambientebeleuchtung unterhalb der Windschutzscheibe.
Die Reichweite
Leider konnten wir ob des kurzen Testeinsatzes keine realistischen Verbrauchswerte erfahren. (Die Redaktionskollegen vom ÖAMTC „auto touring“ teilten uns mit: Durchschnittsverbrauch 15,6 kWh auf 100 km, Reichweite 407 km.) Was wir jedoch schnell feststellen konnten: Im innerstädtischen Betrieb (Stop-and-go-Verkehr) tut sich nicht viel in Sachen Restreichweite. Ja, beim Einschalten der Klimaanlage verliert man sofort über 40 km Reichweite. Ja, beim Durchbeschleunigen schmilzt die Restreichweite. Aber kaum muss man sich zur Ampel bremsen, steigt diese wieder – beinahe im gleichen Ausmaß. Oder anders: 1,5 Tage Wiener Stadtverkehr haben die Reichweite (klimaanlagenbereinigt) nur um knapp 20 km fallen lassen. Das ist schon stark. VW gibt die WLTP-Reichweite bei dem Modell mit 426 km an.
Die Verarbeitung
Neben der rasanten Beschleunigung fällt das etwas straffe Fahrwerk auf. Kurze, knackige Unebenheiten werden recht knochig an den Fahrer weitergegeben. Die Stoffsitze wirken etwas lieblos und gar einfach. Es gibt nicht mal ein eingenähtes Fach auf der Rückseite für die Mitfahrer in der zweiten Reihe. Dafür eine Armlehne für Fahrer und Beifahrer über der freien Mittelkonsole. Die Materialanmutung ist ob ihres Preises (34.090 Euro, inklusive 2.400 E-Mobilitätsbonus) grenzwertig. Etwas viel einfacher Kunststoff mit Plastikanmutung. Etwas wenig Design und Augenschmaus im Cockpit. Man denkt: ein klassisches Ingenieursauto. Man fühlt: ein klassisches Ingenieursauto, aber immerhin mit farbiger Ambientebeleuchtung. Der Sitzkomfort in der zweiten Sitzreihe ist auch nur in Ordnung, die Beinfreiheit passt. Der Kofferraum ist mit 390 Litern Fassungsvolumen großzügig bemessen – und größer als beim Golf.
Nach unserer Testfahrt drängt sich die Frage auf: Wie nahe war unser Testmodell dem Serienfahrzeug? Wenn schon sehr nahe, dann muss VW in Sachen Innenraumdesign und Qualitätsanmutung noch etwas nachlegen – aber ohne Aufpreis. In Sachen Antrieb gibt es nix zu meckern. Leider können wir die Frage, ob der VW ID.3 ein echter Volksstromer ist, nicht aufklären, da es die Rahmenbedingungen nicht zuließen. Der grundsätzliche Weg dürfte stimmen, jetzt muss aber noch ordentlich Feinarbeit geleistet werden.
Kommentare