Adieu, Autohaus: Lokalaugenschein bei Polestar in Wien

Elektromobilität
06.09.2021

 
Automobilhandel und -vertrieb stecken inmitten ihrer größten Veränderung seit Jahrzehnten. Wir wollten wissen, wie man sich als Kunde fühlt, wenn man einen Polestar kaufen will und sind inkognito ausgerückt. So viel sei verraten: Alles ist anders. 
Im Schauraum von Polestar in der Wiener Innenstadt stehen insgesamt nur drei Autos. Verkäufer sucht man vergebens. Wozu auch? Hier kann man gar kein Auto kaufen!
Im Schauraum von Polestar in der Wiener Innenstadt stehen insgesamt nur drei Autos. Verkäufer sucht man vergebens. Wozu auch? Hier kann man gar kein Auto kaufen!

Wenn über die Zukunft des Automobilhandels gesprochen wird, dann fällt besonders gern ein Anglizismus: „customer journey“ – die Reise des Kunden von der ersten Produktwahrnehmung bis zum Kauf. Und da keine solche Sprachblüte alleine kommt, werden die „touchpoints“ gleich hinterhergeworfen. So ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Marketing dauert fünf Jahre, da sollte man später schon ein paar Zaubersprüche draufhaben. Gemein? Ein bisschen, aber anders wäre es nicht zu erklären, warum Autos heute nicht mehr so verkauft werden wie früher. Und das führt uns jetzt zum eigentlichen Thema: unserem Mystery Shopping im Polestar Space in der Wiener Innenstadt. Ist es das Autohaus der Zukunft? 

Purismus statt Protz

Autohaus heißt oft: Glaspalast, Vorgaben für Fliesen, Pflanzen und so ziemlich alles, was ein Kunde zu Gesicht bekommt. Individuell ist im Markenhaus genau gar nichts. Und die Kunden haben sich daran gewöhnt: Kaufe ich ein Premiumauto, will ich in einem durchgestylten Lederfauteuil Farbton Venezianisches Taubenblaugrau sitzen und italienischen Kapselespresso aus gebrandeten Moccatässchen schlürfen. All das findet man im Polestar Space nicht. Spaces heißen bei der E-Auto-Schmiede die Schauräume. Klingt weltoffen, modern und ja nicht nach Geldausgeben. Polestar schreibt selbst auf seiner Website: „Adieu, Autohaus. Es sind einzigartige Verkaufsumgebungen, ohne Verkaufspersonal und ohne Kaufdruck.“ 

Zack, schon stehen wir in der Wallnerstaße 5 in der Wiener Innenstadt. Eine verdammt noble Adresse für ein Autohaus, pardon Space. Drei Autos stehen im Schauraum, perfekt von einem riesigen Lichtpanel von oben ausgeleuchtet. Die Stars sind die beiden Polestar 2 – in Grau und Weiß. Etwas im Eck steht das Erstlingswerk, der Polestar 1, ein Hybridrenner mit Carbonhülle und einem Startpreis von über 140.000 Euro – limitiert, nur mehr heuer erhältlich. Und sonst sieht man nicht viel: ein riesiges Foto von einem Öhlins-Stoßdämpfer, eine zweites Detailbild einer Brembo-Bremsanlage in Übergröße, Farbton: Schwedengold. Sitzgelegenheiten? Kaum. Mitarbeiterschreibtisch mit Monitor, Katalogen und Taschenrechner, wenn gefeilscht wird? Fehlanzeige. Ein Tisch steht hinter den Autos, darauf sind Lackmuster­kacheln, die Polster- und Gurtoptionen. Und ein riesiger Bildschirm im Tisch, auf dem uns Markus – der Berater – Dinge zum Auto erklären kann. 

Markus ist jung, iPad in der Hand, total locker. Er ist kein Verkäufer, er ist Berater. Kennt man von Apple und Co. Der Kunde soll nicht das Gefühl haben, dass ihm etwas aufgeschwatzt wird. Das spürt man sofort im Gespräch: Es gibt keine Bedarfserhebung, keine Frage danach, was man konkret sucht oder bisher gefahren ist. Eigentlich stellt Markus gar keine Fragen, aber er kann alles aus dem Stegreif beantworten. Denn die Infos zum Auto findet man nur in Form von ein paar technischen Eckdaten mittels Folie an die Wand geklebt. Preise sieht man nirgends. Schon gar keine Aktionen. Je länger man in der kühlen Stille verbringt, desto mehr fühlt man sich eher in einer Kunstgalerie als in einer Verkaufsumgebung für Autos. 

Abschluss im Web

Nachdem die wichtigsten Fragen zum Auto geklärt sind, wollen wir wissen, wo man dieses nun kaufen kann. „Bei uns kauft man die Autos im Web und kann sie dann beim Volvo-Händler abholen und auch warten lassen.“ Eine verdammt clevere Antwort, denn damit erübrigt sich die Frage nach dem Preis. Der steht nämlich auf der Website. Und mit der lässt sich nicht verhandeln, ein Paar Fußmatten abstauben. Probefahrten können gerne gemacht werden. Eine Onlineterminfixierung reiche. Spätestens jetzt wird einem klar: Es scheint, als wolle Polestar die „customer journey“ ganz bewusst dort lassen, wo sie zum Großteil stattfindet: online. Das Gespräch hat nie Verkaufscharakter. Nur bei einem Punkt erkennt man einen gewissen Zug zum Abschluss, nämlich wenn es darum geht, sich für den Polestar-Newsletter anzumelden. Nach dem untypischsten Autokauferlebnis seit langem wollten wir noch die Visitenkarte und Infos zum Polestar 2 – gerne in Form von Katalogen – haben. Markus reicht uns eine kleine Karte mit QR-Code drauf: „Einfach scannen und dann finden Sie alles weitere online.“ Und damit ist dann auch wirklich alles gesagt zum neuen Autoeinkaufserlebnis. 

Über Polestar:

Polestar ist ein Joint Venture von der Volvo Car Cooperation und dem chinesischen Automobilhersteller Geely. Polestar positioniert sich als eigenständige, vollelektrische E-Auto-Marke, dessen neuestes Modell, der Polestar 3, in den USA gefertigt werden soll. Polestar hat sich der Nachhaltigkeit und allgemeinen Verbesserung der Mobilität von morgen verschrieben. 
www.polestar.com