„Dagegen war Corona ein Klacks“

Interview
07.04.2021

 
Ernst Prost, Geschäftsführer von Liqui Moly, spricht im Exklusivinterview mit uns über die Corona-Krise, was er für gefährlicher als das Virus hält und wie er jetzt die Konkurrenz abhängen will.
Ernst Prost, Geschäftsführer von Liqui Moly.
Ernst Prost, Geschäftsführer von Liqui Moly.

Herr Prost, Liqui Moly konnte seinen Umsatz 2020 um 7,1 Prozent steigern. Der Gewinn hat sich halbiert. Sie haben deutlich mehr ins Marketing investiert. Meistens wird dort zuerst gekürzt. Warum haben Sie es anders gemacht?

Gerade weil die anderen kürzen, geben wir Vollgas. Man ist doch immer nur so gut, wie es der Gegner zulässt. Das gilt im Sport und in der Wirtschaft unter Konkurrenten gleichermaßen. Wir tun uns jetzt doch viel leichter, Marktanteile zu stibitzen und Kunden der Konkurrenz abzuluchsen, wenn wir aufs Gaspedal treten, wo die anderen auf die Bremse hupfen. Dazu gibt es sogar einen Begriff: antizyklisch agieren. In der Praxis machen das nur die wenigsten. Unser Gewinn hat sich übrigens nicht halbiert und er ist auch nicht eingebrochen, wir haben die Hälfte davon geopfert - oder besser gesagt - in den Markenaufbau investiert. Das ist ein großer Unterschied. Es sind exakt die Millionen, die uns zum Vorjahresgewinn fehlen, die wir in Marketing und Vertrieb investiert haben.

Sie haben laut Presseaussendung auch über 100 neue Mitarbeiter eingestellt. War das notwendig? Oder wären die vielen Mitarbeiter auch in einem Nicht-Krisenjahr eingestellt worden?

Ich habe immer schon gerne Leute eingestellt. Erstens, weil ich sie für die Arbeit und für unsere Expansion brauche und zweitens, weil es des Unternehmers vornehmste Pflicht ist, Arbeitsplätze zu schaffen. Ganz klar: In einem Nicht-Krisenjahr hätten wir weder so viel in Marketing investiert noch in zusätzliche Manpower. Beides gehört zusammen und beides ist Teil unseres Angriffsplanes.

Recht früh im letzten Jahr haben Sie mit Ihrem Gehaltsverzicht für Aufsehen gesorgt - weit über die deutschen Ländergrenzen hinaus. War das Selbstvermarktung? Wissen Sie, ob es Ihnen andere Geschäftsführer gleichgetan haben?

Für Eigenmarketing bin ich schon zu alt und zu weit oben auf der Karriereleiter. Es bringt mir nichts mehr, außer in diesem Beispiel weniger Geld. Aber es war ein gutes Signal von mir in unsere ganze Liqui Moly-Familie hinein, nämlich dass besondere Zeiten auch besondere Maßnahmen erfordern. Viel bedeutsamer war aber dann die Corona-Prämie von 1500 Euro pro Nase, die ich ausgeschüttet habe. Oder unsere Spenden an alle möglichen Hilfsorganisationen, die wir sowohl übers Geschäft als auch ich privat geleistet haben.

Sie sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Wie nachhaltig wird die Corona-Krise der Wirtschaft zusetzen?

Ohne Zweifel ist dies die größte globale Krise nach dem Zweiten Weltkrieg. Denken Sie nur an die vielen Toten, an die Kranken, an das viele Leid und auch an die wirtschaftlichen Einbrüche - eine Katastrophe. Manche Länder sind besser aufgestellt und kommen mit einigen Blessuren davon und andere Länder werden Jahrzehnte brauchen, um sich von diesen Niederschlägen zu erholen. Das Ungleichgewicht in der Welt, die Diskrepanz zwischen Arm und Reich wird durch diese Krise noch verstärkt.

Die wirtschaftlichen Kennzahlen von Liqui Moly sind vorbildlich: genug Reserven, sehr hohe Eigenkapitalquote. Zeigt sich in der Krise deutlicher, welche Unternehmen gesund sind?

Ich nenne so was Großmutterwissen. Meine Oma hat mir beigebracht: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Viele Unternehmen werden doch heutzutage ausgebeutet bis auf den letzten Hosenknopf. Wenn Gewinne nur noch privatisiert werden, fehlen diese finanziellen Mittel doch in der Kriegskasse und im Reservebeutel.

Aus Unternehmersicht: Waren Sie mit den Unterstützungsmaßnahmen des deutschen Staats zufrieden? Bzw. haben Sie Hilfen in Anspruch genommen und falls ja, welche?

Natürlich haben wir keinerlei Hilfen in Anspruch genommen. Wozu auch? Außerdem eine Frage der unternehmerischen Ehre. Was soll ich jetzt zur Politik in Deutschland sagen? 
Manche Firma verreckt und kein Hahn kräht danach. Manche Firma wird mit großem Tschingderassabum gerettet, obwohl man dies lieber nicht getan hätte, weil der Laden ohnehin schon nicht lebensfähig war. 
Andere verzweifeln an der Bürokratie, die notwendig ist, um ein paar Euro zum Überleben zu bekommen. Und andere machen in dieser Krise durch das Abgreifen von Staatsknete noch einen gewaltigen Reibach. Das Geld ist da, was fehlt, ist Geschwindigkeit. Und die chirurgische Präzision beim Retten rettungswürdiger Unternehmen.

Sie erwähnten im Vorfeld zu unserem Interview, dass Sie immer wieder trouble shooten müssen. Um was genau kümmert sich der Chef selbst in solchen Situationen?

Es gibt in unserer Firma nicht allzu viel, was ohne mich entschieden wird. Das ist schon in normalen Zeiten so und noch viel mehr in Krisenzeiten. Wie anders sollte es auch auf einem Schiff mit tausend Männern und einem Kapitän zugehen? Wir haben ganz hervorragende Leute, eine Klasse Mannschaft. Brillante Einzeltalente und gewaltige Teamspieler. 
Und ich bin einer davon. Vielleicht derjenige, der den Laden zusammenhält und alle Kräfte gebündelt und gezielt auf die wesentlichen Aufgaben lenkt. Mal fehlt Umsatz. Mal Rohstoffe. Mal Frachtraum, speziell Container. Preise fallen und steigen, ebenso wie Währungen. Es ist doch ständig irgendwas los, was man nicht bestellt hat und was man auch am liebsten gar nicht möchte. Aber es ist normal, dass nichts funktioniert und immer wieder neue Probleme entstehen. So ist das Leben, so ist das Geschäft.

Schieben wir Corona beiseite. Die Klimadebatte wird uns bald wieder einholen, die E-Mobilität ist in aller Munde. Wie positioniert sich Liqui Moly hier? Sind Sie pro oder contra E-Auto? 

Verzeihung, aber die Klimadebatte wird uns nicht einholen, wir haben sie verschlafen. Die gesamte Menschheit hat sie verschlafen und das wird sich bitter rächen. Diejenigen, die heute immer noch gegen Naturschutz, Umweltschutz und ressourcenfreundliches Verhalten wettern, haben doch den Schuss nicht gehört oder wollen ihn nicht hören. 
So wie sich die Menschheit auf diesem Planeten aufführt, wird es bald zu Katastrophen kommen, gegen die Corona ein Klacks war. An die Stelle von Ausbeutung, Zerstörung, Verwüstung und rücksichtslosem Umgang mit der Natur muss bewusstes, umweltfreundliches Verhalten, nachhaltiges und ressourcenschonendes Produzieren und Konsumieren eintreten.
Möglichkeiten dazu gibt es genug, auch ohne dass sich die Menschheit einschränken muss. Wir müssen in andere Technologien investieren und andere Lebensmodelle denken. Nur dann bleibt die Erde das, was sie ist: Unsere wunderschöne Heimat mit sauberem Wasser, genügend Essen und menschenwürdigen Lebensbedingungen für alle. Und wenn das Elektroauto einen Beitrag dazu leisten kann, dann bin ich dafür.

Wie schätzen Sie das Geschäft 2021 und 2022 für Liqui Moly ein?

Was wirklich rauskommen wird in den nächsten Jahren, weiß nur der Herrgott. Aber wir tun alles dafür, dass wir die Fähigkeiten, die er uns gegeben hat, nutzenbringend einsetzen. Wir arbeiten nach wie vor hart, zielgerichtet, haben ein paar clevere Strategien und Pläne aufgesetzt und sind immer noch sehr zuversichtlich, voller Selbstvertrauen und packen mutig die Aufgaben der Zukunft an. Es kann also nur gut werden.