Diez über die Digitalisierung des Autohandels

Autohandel
14.11.2017

 
Für den AUTOMOBILHANDEL gelte nicht „persönliche Kundenbetreuung oder digital affin. Es braucht in jedem Fall beides.“ Davon ist Professor Willi Diez ganz und gar überzeugt.

Professor Willi Diez – Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft IFA – hatte es zuletzt bei einer Dekra-Veranstaltung in Wien betont: Neben der Elektrifizierung stelle vor allem die Digitalisierung die Betriebe vor riesige Herausforderungen. Der Automobilhandel leide zurzeit noch an einem „digitalen Defizit“, sprich: Er macht von digitalen Möglichkeiten de facto kaum noch Gebrauch. Dabei sei im digitalen Zeitalter die Geschwindigkeit das Entscheidende. „Was wir an den Autos lieben, müssen wir im Autohaus leben: Speed“, so Professor Diez. Digitalisierung sei zugleich Bedrohung und Chance. Eine Bedrohung, weil die Gefahr bestehe, dass neue digitale Player die Schnittstelle zum Kunden besetzen und damit den Handel aus dem direkten Kundenkontakt verdrängen. Im Gebrauchtwagenmarkt sei dies den GW-Börsen bereits gelungen. Gleichzeitig biete die Digitalisierung aber auch eine bedeutende Chance für den Automobilhandel, weil sie neue Wege zum Kunden eröffne und Möglichkeiten biete, den Verkaufs- und Serviceprozess im Autohaus zu optimieren.

„Was wir an den Autos lieben, müssen wir im Autohaus leben: Speed!“ PROFESSOR WILLI DIEZ

AUTOHAUS 2025

Die Situation mutet paradox an. Zum einen stellen Automobilhersteller das heutige Geschäftsmodell im stationären Handel in Frage. Andererseits werden unverändert enorme Investitionen in neue Autohäuser getätigt. „Autohaus 2025 – die Zukunft des Automobilhandels“, eine Studie des IFA der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen- Geislingen im Auftrag der Dekra, kommt zu der wesentlichen Conclusio, dass es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch gehe: „Natürlich wird der direkte Online-Vertrieb in Zukunft an Bedeutung gewinnen“, ist Diez überzeugt. Aber für viele Kunden werde das Autohaus auch in Zukunft der wichtigste Bezugspunkt beim Autokauf sein. Zahlreiche Prozesse im Autohaus würden fortan „digital“ vonstattengehen. Es werde allerdings auch weiterhin Kunden geben, die den persönlichen Kontakt und die persönliche Ansprache wollen. Für Professor Diez ist klar: „Es geht um eine intelligente Vernetzung zwischen digitaler und persönlicher Beratung.“ Mit „intelligent“ sei in diesem Fall gemeint, dass die digitalen Instrumente so eingesetzt werden, dass sie den persönlichen Kontakt erleichtern und intensivieren. „Digitalisierung braucht nicht weniger, sondern mehr Mensch“, bringt es Diez auf den Punkt. Kurz: Das Autohaus 2025 werde zum Digital Store. Den Unterschied würden aber auch künftig die Menschen machen.

„Digitalisierung braucht nicht weniger, sondern mehr Mensch.“ PROFESSOR WILLI DIEZ

FAZIT DER STUDIE

Tatsache ist: Das Autohaus als Digital Store wird gleichwohl kein seelenloser Hightech-Betrieb sein. In dem Ausmaß, wie es seine Monopolstellung als Point of Sale verlieren wird, muss es eine optimale Symbiose zwischen digitalen und persönlichen Kundenkontakten herstellen. Und dann wird es Kunden und Automobilherstellern einen Mehrwert bieten und damit sein eigenes Überleben sichern. Hersteller und Händler müssen den potenziellen Autokäufer sowohl persönlich als auch digital „ bearbeiten“. Die Bereitschaft zum digitalen Kaufabschluss wird zweifellos steigen. Im Jahr 2025 könnten 20 Prozent der Verkäufe an Privatkunden tatsächlich online erfolgen, glaubt Willi Diez. Außerdem: Stationäre Handelsformate müssen wieder näher an den Kunden heranrücken. Dazu werden verstärkt Formate definiert werden, die an frequentierten und zentralen – und damit teuren – Standorten platziert werden. Die Spannweite reicht dabei von Brand Lands und Flagship Stores über City und Pop-up-Stores bis hin zu temporären Roadshows.

DIGITAL VERSUS PERSÖNLICH

Dem Autohaus kommt in Wahrheit zugute, dass sich auf der Digitalisierung von Schauräumen und Verkaufsprozessen allein keine längerfristigen und nachhaltigen Alleinstellungsmerkmale aufbauen lassen. Digitale Dienstleistungen basieren auf Devices und Algorithmen, die alle in kurzer Zeit kopierbar sind. Daraus folgt: Eine Differenzierung im Wettbewerb über digitale Dienste im Autohaus ist nur temporär möglich. Was tatsächlich den Unterschied macht, ist die persönliche Betreuungsqualität. Diese gewinnt damit ausgerechnet im Zeitalter der Digitalisierung als Erfolgsfaktor erheblich an Bedeutung.