Dr. Thyri: "Bewusst hohe Verkaufsziele, damit sie nicht erreicht werden"

Autohandel
10.06.2020

 
Das Urteil des Kartellgerichts im Verfahren Autohaus Büchl versus PSA war bahnbrechend. Die KFZ Wirtschaft präsentiert das Exklusivinterview mit Rechtsanwalt Peter Thyri, der die Firma Büchl vertreten hat.
Rechtsanwalt Peter Thyri
Rechtsanwalt Peter Thyri

KFZ Wirtschaft: Herr Dr. Thyri, haben Sie mit einem derartigen Urteil gerechnet?

Peter Thyri: Wenn man das Verfahren aufmerksam verfolgt hat – und das tut man natürlich als Vertreter des Antragstellers – so haben sich doch deutliche Anzeichen dafür gezeigt. Im Beweisverfahren haben Zeugeneinvernahmen eine essenzielle Rolle gespielt. Der Senat hat sehr präzise gefragt, und die Antworten der Zeugen deuteten in eine gewisse Richtung. Ich war nicht so überrascht vom Ausgang des Verfahrens wie es offenbar die Gegenseite war.

Haben Sie geahnt, für welch großes Aufsehen – auch international – dieses Urteil sorgen wird?

Mir war bewusst, dass die Thematik in ganz Europa gleich dringlich ist. Und mir war auch bewusst, dass das Verfahren im Ausland wahrgenommen wird. Vor allem in Deutschland von diversen Kfz-Händlerverbänden.

Würden Sie nach dem Urteil von einer Zäsur sprechen was das generelle Verhältnis Hersteller versus Händler betrifft?

Man muss mit derartig epochalen Ausdrücken immer vorsichtig sein. Überdies handelt es sich um ein Urteil in erster Instanz. Wenn es in den Inhalten bestätigt wird, dann bringt es mit Sicherheit einschneidende Neuerungen in der Anwendung dieser rechtlichen Regelungen, die es ja schon sehr lange gibt. Für die Kfz-Branche und möglicherweise darüber hinaus.

Am 12. Mai 2020 wurde das Urteil in erster Instanz gefällt. Wie wird’s jetzt weitergehen?

Jetzt wird vonseiten PSA vermutlich ein Rechtsmittel erhoben werden. Die Frist beträgt vier Wochen. Das heißt: Das Rechtsmittel wird bis Mitte Juni eingebracht werden. Sodann gibt es die Möglichkeit einer Rekursbeantwortung für die Antragstellerin. Danach wird der Oberste Gerichtshof entscheiden.

Was sind für Sie die zentralen Punkte des erstinstanzlichen Urteils?

Was offenkundig auch in anderen Händlernetzen immer ein Thema ist, ist die Koppelung der Prämienzahlungen an die Kundenzufriedenheitsbefragungen. Bei PSA verstoßen die Praktiken gegen das Kartellrecht. Ebenfalls essenziell erscheint mir die Frage, inwieweit die Preissetzungsfreiheit des Händlers eingeschränkt wird. Wenn er etwa zur Teilnahme an Aktionen gezwungen wird. Wie „zwingen“ exakt definiert wird, ist freilich immer eine Einzelfallbetrachtung. Viele Händler sagen, dass man in puncto Preisgestaltung wenig Spielraum habe. Ein Thema, das auch äußerst brisant ist, ist: Verkaufsziele so setzen, dass man genau weiß, dass diese vom Händler nicht erreicht werden. Dies liefert sodann wieder ein Argument, um leistungsbezogene Entgeltbestandteile nicht auszuzahlen. Es gibt eine hypothetische Marge, die der Händler erreichen kann, wenn er sozusagen übermenschlich gut ist, tatsächlich ist sie aber nicht zu erreichen. Im Verfahren wurde festgestellt: Die Verkaufsziele wurden bewusst überhöht gesetzt, damit sie nicht erreicht werden können.

Interessant ist auch das Thema „Abgabepreise“.

Ja, ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Thematik der Abgabepreise. Das ist ein Peugeot-spezifisches Problem, weil die Marke in Österreich zwei eigene Betriebe hat. Da wurden Fahrzeuge an Endkunden zu Preisen abgegeben, die auch der Händler zu bezahlen hat. Wenn dies im großen Stil erfolgt, dann kann das dem Händler, der in der Region dieser importeurseigenen Betriebe – die nicht gewinnbringend geführt werden -  ansässig ist, nachhaltig treffen. Wenn dies länger gespielt wird, wird der Händler ausgehungert. Diese Gefahr hat man bei Peugeot gesehen – daher die Abstellungsanordnung.

Wie kann einem derartigen Urteil grundsätzlich begegnet werden?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Wenn man ein derartiges Verfahren verliert, kann man es dabei belassen, sozusagen Gras über die Sache wachsen lassen, es auf den Einzelfall reduzieren. Man könnte sagen, der Fall wurde nicht einmal von einem Höchstgericht entschieden und die Thematik kleinreden. Was aber nichts daran ändert, dass man das Urteil umsetzen muss und das kann eben aufgrund der immer gleichen Problematik kaum auf den Einzelfall beschränkt bleiben. Um das zu vermeiden, muss man das Urteil bekämpfen. Wenn PSA aber in letzter Instanz verliert, bestätigt das möglicherweise die Zäsur, von der Sie zuvor gesprochen haben.

(das gesamte Interview lesen Sie in der nächsten KFZ Wirtschaft (07/08 2020))