„eFuels können der Tausendsassa der Klimapolitik werden“

E-Fuels
10.11.2021

„Mister eFuels“ Jürgen Roth räumt mit Vorurteilen gegenüber synthetisch hergestellten Kraftstoffen auf und präsentiert mit seiner eFuel Alliance Österreich ein spektakuläres Projekt bei AVL List in Graz. 
Jürgen Roth (li.) und Stephan Schwarzer wollen eFuels in Österreich voranbringen.
Jürgen Roth (li.) und Stephan Schwarzer wollen eFuels in Österreich voranbringen.

Diese Zahl ist schon mal beeindruckend: Mehr als 100 Mitglieder zählte die eFuel Alliance Österreich schon bevor sie überhaupt offiziell existierte. Denn das ist erst jetzt der Fall, nachdem in Wien die Gründungsversammlung über die Bühne gegangen ist. Und nebenbei wurde auch gleich ein spannendes Projekt verkündet: Am Gelände der AVL List in Graz wird die angeblich innovativste Power-to-Liquid-Anlage Europas errichtet, die bei der Herstellung von eFuels (synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden) Maßstäbe setzen soll. 

„Wenn Österreich wie vom europäischen Klimagesetz angeordnet bis 2030 seine CO2-Emissionen um 48 Prozent reduzieren möchte, kommt es an der raschen Markteinführung von E-Fuels nicht vorbei“, sagt Jürgen Roth, Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten österreichischen eFuel-Alliance. Er möchte aber keinen Konkurrenzkampf verschiedener Technologien ausrufen oder gar die E-Mobilität verteufeln. „Wir brauchen beide, E-Mobilität und klimaneutrale Kraftstoffe, das ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Beide Technologien schaffen zusammen mehr als eine allein.“

Mehr als eine Nische

Roth sieht in eFuels, die aus Ökostrom, Wasser und einer nachhaltigen Kohlenstoffquelle gespeist werden und somit klimaneutral sind, freilich mehr als nur ein Nischenprodukt für die Luft- oder Schifffahrt. Als solches werden sie von politischen Playern mitunter abgetan.

Allein in Europa werden im Jahr 2030 mindestens noch 200 Millionen Pkw mit einem Diesel- oder Ottomotor fahren, rechnet die E-Fuel-Allianz vor, der auf europäischer Ebene neben Ölkonzernen unter anderem auch Bosch, Mazda und Iveco sowie in Österreich die Post sowie die WKO angehören. Ganz zu schweigen von Ländern der Dritten Welt, die noch weit entfernt von einer funktionierenden Elektromobilität mit entsprechender flächendeckender Infrastruktur seien und wo dagegen eine Umstellung auf eFuels wesentlich einfach wäre.

Viele Vorteile

Die Vorteile dieser neuen Kraftstoffe liegen auf der Hand: Man könnte die komplette Infrastruktur von konventionellem Sprit übernehmen und eben die bestehenden Motoren für Autos mit Verbrennungstechnik klimafreundlich versorgen. Zudem hat die flüssige Form der eFuels praktische Vorteile, allen voran jene, dass die Treibstoffe eine hohe Energiedichte haben und vor allem gelagert und transportiert werden können.

Und dennoch weht den Befürwortern dieser Technologie ein rauer Wind entgegen, gespeist von vielen Vorurteilen, wie man von Seiten der Allianz betont: Die häufigsten Argumente gegen eFuels seien, dass diese zu teuer wären, ineffizient und dass generell auch viel zu wenig eFuels vorhanden seien.

Derartige Behauptungen möchte die eFuel Alliance ins rechte Licht rücken: „Dass eFuels heute noch teurer sind als herkömmliche Treibstoffe, spricht nicht gegen sie, denn sie stehen erst m Anfang der Entwicklung“, betont Stephan Schwarzer. Der Energieexperte, der bis vor kurzem die Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich geleitet hat, fungiert nun als Geschäftsführer der eFuel-Alliance Österreich. Das würde sich ändern, sobald die Massenproduktion anspringt. Mittelfristig seien eFuels sehr wohl wettbewerbsfähig zu konventionellen Kraftstoffen.

Auch an der Verbesserung des Energiebedarfs werde gearbeitet, obendrein hätten eFuels den Effizienzvorteil, dass sie wie erwähnt gelagert und transportiert werden können, sodass sie ganzheitlich betrachtet sehr wohl effizient seien.

eFuels made in Austria

Zur Steigerung der Effizienz soll bald auch eine neue Technologie made in Austria beitragen: Am Standort des Antriebsspezialisten AVL List in Graz soll bis 2022 eine Power-to-Liquid-Anlage (PtL) entstehen. Die 1-MW-PtL-Pilotanlage soll künftig synthetische Brenn- und Kraftstoffe unter Verwendung von Ökostrom, erneuerbarem Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) herstellen. Diese Brenn- und Kraftstoffe sollen dann zu eFuels weiterverarbeitet werden können.

„Das Potenzial ist enorm“, sagtJürgen Roth, der als Investor mit an Bord ist. Insgesamt ist bei dem Projekt die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag. Im Jahr 2030 könnten laut Roth allein durch die Nutzung von überschüssigem Strom aus regenerativen Quellen 240 Millionen Liter in Österreich erzeugt werden. Theoretisch könnte die Technologie freilich in andere Länder exportiert werden, allen voran solche, die klimabedingt noch viel mehr Wind und Sonnenenergie zur Verfügung haben. Und Österreich könnte sich hier laut Roth als Technologieführer positionieren.

Preise unter 2 Euro je Liter

Durch Energierückgewinnung soll die Anlage in Graz extrem effizient arbeiten, viel effizienter als vergleichbare Anlagen deutscher Multis. Preise von zwei Euro je Liter oder sogar darunter werden laut Roth möglich sein und diese würden in Anbetracht steigender Preise konventioneller Kraftstoffe im Jahr 2030 wohl niemanden mehr abschrecken. Zunächst dient die Anlage in Graz Demonstrationszwecken, wobei der erste Tropfen Sprit Ende 2022 fließen soll. Danach wäre ein Skalieren relativ leicht und rasch möglich. Ab 2025 könnte man dann auch international Anlagen errichten. „Österreich könnte sich hier wirklich zu einem Innovations-Leader entwickeln“, sagt Roth, vermisst derzeit aber die Unterstützung der Politik. Dabei ist sich der Chef der Alliance sicher: „eFuels können der Tausendsassa der Klimapolitik werden“.

Schwarzer ergänzt: „Wir müssen vom Reden ins Tun kommen. Es gibt wenige Maßnahmen, die in der Klimapolitik so viel bewegen können wie eFuels.“

Dass eFuels eine Lösung sein können, zeigt eine aktuelle Umfrage des Market-Instituts: Zwei Drittel der Österreicher glauben nicht, dass Elektrofahrzeuge bis 2030 bei den Neuzulassungen die Verbrenner verdrängen werden. Folgerichtig sehen 80 Prozent der Befragten den Bedarf, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf klimaneutrale Treibstoffe umzustellen. Dort, wo nicht so leicht elektrifiziert werden kann, etwa bei Lkw und Bussen, Baumaschinen oder auch Oldtimern sind eFuels jedenfalls ein Hoffnungsträger. Von letzteren allein gibt es in Österreich rund 260.000 an der Zahl. Selbst solche Nischenanwendungen haben also großes Potenzial. Die Anlage in Graz soll nun speziell auf die Verbesserung der Energieeffizienz in der Produktion abzielen und ein echter Meilenstein werden.