Ein Turbo für den Turbo

Verbrennungsmotor
02.04.2019

Mit der zweistufigen geregelten Aufladung lässt sich die Leistung eines Verbrennungsmotors bei weniger Verbrauch und geringeren Emissionen steigern. Walter Müllberger von den Turbo Twins erklärt die komplexe Technik anhand des neuen BORGWARNER-AUFLADEVERFAHRENS.

Die laufend gesenkten Emissionslimits und die wachsende Konkurrenz durch alternative Antriebssysteme spornen die Entwickler von Verbrennungsmotoren zu Höchstleistungen an. Mit der Turboaufladung haben sie ein bewährtes Rezept zur Hand, um mehr PS bei weniger Spritverbrauch und Schadstoffen aus Benzinern oder Dieselaggregaten zu kitzeln. „Die Auslegung eines solchen Aufladesystems führt in der Entwicklung zu einem Zielkonflikt“, erklärt Walter Müllberger, der gemeinsam mit seinem Bruder Manfred die Firma Turbo Twins in Wien-Simmering führt, die seit 1993 auf den Handel und die Reparatur von Turboladern aller Marken spezialisiert ist. „Für den Nennleistungspunkt benötigt man einen relativ großen Abgasturbolader“, so Müllberger. Der Wunsch nach einem sehr hohen Ladedruck schon bei geringen Motordrehzahlen bedeutet dagegen, dass die Turbine und der Verdichter deutlich kleiner angepasst werden müssen. „Idealerweise bräuchte man also eine Kombination aus beidem“, erklärt der Turbo- Experte.

„Die zweistufig geregelte Aufladung ermöglicht eine stufenlose Anpassung auf der Turbinen- und Verdichterseite an die Erfordernisse des Motorbetriebs.“ WALTER MÜLLBERGER, TURBO TWINS

DER IDEALE TURBOAUFBAU

Zur Lösung dieses Zielkonflikts hat BorgWarner Turbo Systems nun die zweistufige geregelte Aufladung „R2S“ entwickelt. Diese bringt beide erwähnten Anforderungen unter einen Hut und entspricht daher dem Idealaufbau eines Turboladers. Für jeden Motorbetriebspunkt stellt das System eine stufenlos variable Anpassung der Turbinenund Verdichterseite bereit. Fazit: Mit diesem neu entwickelten Aufladeverfahren können neue Generationen von Verbrennungsmotoren entwickelt werden, die den strengsten Anforderungen bezüglich Leistungsentfaltung, Verbrauch und Umweltverträglichkeit gerecht werden. Die Technologie im Detail: Die zweistufige geregelte Aufladung R2S ist eine Reihenschaltung zweier unterschiedlich großer Turbolader mit einer sogenannten Bypass- Regelung. Der von den Zylindern kommende Abgasmassenstrom strömt zunächst in die Abgassammel- Rohrleitung. Von hier aus besteht die Möglichkeit, entweder den gesamten Abgasmassenstrom über die Hochdruckturbine (HD) zu expandieren oder einen Teilmassenstrom über die Bypass-Leitung zur Niederdruckturbine (ND) umzuleiten. Der gesamte Abgasmassenstrom wird dann nochmal von der nachgeschalteten Niederdruckturbine (ND) genutzt. Der gesamte Frischluftmassenstrom wird zunächst durch die Niederdruckstufe vorverdichtet. In der Hochdruckstufe erfolgt anschließend eine weitere Verdichtung und Ladeluftkühlung. Aufgrund der Vorverdichtung arbeitet der relativ kleine HD-Verdichter auf einem höheren Druckniveau, sodass er den erforderlichen Luftmassenstrom durchsetzen kann.

KOMPAKTES AUFLADESYSTEM

Im Fahrbetrieb bleibt bei kleinen Motordrehzahlen,also kleinen Abgasmassenströmen, der Bypass vollständig geschlossen, und der gesamte Abgasmassenstrom expandiert über die HD-Turbine. Dadurch ergibt sich ein sehr schneller und hoher Ladedruckaufbau. Mit zunehmender Motordrehzahl wird die Expansionsarbeit kontinuierlich zur ND-Turbine verlagert, indem der Bypassquerschnitt entsprechend vergrößert wird. „Die zweistufig geregelte Aufladung ermöglicht damit eine stufenlose Anpassung auf der Turbinen- und Verdichterseite an die Erfordernisse des Motorbetriebs“, erklärt Walter Müllberger. Die Regelung des Systems erfolgt durch pneumatische Aktuatoren, die auf Bypass- Klappen wirken, wie sie in Turboladern mit Ladedruckregelklappen in Großserie eingesetzt werden. Dank der Verwendung bewährter Komponenten erfüllt das kompakte Aufladesystem die höchsten Anforderungen an Drehmoment, Ansprechverhalten, Abgasverhalten und Leistung. Das neue Borg- Warner R2S-Aufladesystem kann sowohl in Pkw als auch in Nutzfahrzeugen verbaut werden. Bei Fahrzeugen mit größerem Hubraum kommt anstelle der Unterdruckregeldose für die Abgasbypass-Regelung eine elektrische Regeleinheit zum Einsatz.