Gefahr für die Werkstatt?

Neuwagenhandel
03.12.2014

Von: Philipp Bednar
Der Neuwagenhandel ist ein hartes Geschäft geworden, nun schwächelt auch der Aftersalesbereich. Ist das klassische Werkstattgeschäft damit in Gefahr? Und was sind die Gründe für den Rückgang? Die KFZ Wirtschaft begibt sich auf Ursachenforschung.

Jammern gehört unter Handelsleuten zum guten Ton. Aber derzeit ist die heimischen Automobilwirtschaft nicht zu beneiden. Nicht nur, dass die Neuzulassungen zurückgegangen sind (um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr), jetzt ist auch das Geld bringende Aftersalesgeschäft um vier Prozent eingebrochen. Wenn man bedenkt, dass viele Autohäuser nur durch das Aftersalesgeschäft überhaupt Profit erwirtschaften und mit Umsatzrenditen von unter einem Prozent arbeiten, dann muss man sagen: Jetzt geht’s ans Eingemachte. Denn wenn für die mittelgroßen Betriebe dieses finanziell so nötige Fundament wegfällt, wird es in den heimischen Werkstatthallen ganz schnell finster. Ist nun Panik angesagt oder herrscht nur übertriebener Pessimismus? 

Wer ist betroffen?

Als Erstes wollen wir herausfinden, welche Betriebe davon am ehesten betroffen sind. Andreas Westermeyer, Geschäftsführer der Bundesinnung der Kfz-Techniker, weiß die Antwort: „Derzeit wirtschaften die kleineren Betriebe mit bis zu sieben Mitarbeitern sehr erfolgreich. Die relativ hohe Eigenkapitalquote und der Familiensinn helfen hier.“ Auch die großen Unternehmen  sind solide aufgestellt und brauchen nicht in Panik zu geraten. „Am schwierigsten haben es vor allem die mittelständischen Zwischenbetriebe, in denen der Chef noch selbst unterm Auto liegt und schraubt“, so Westermeyer. Das Problem: Solche Betriebe haben schon eine gewisse Größe erreicht, die einen entsprechenden administrativen Aufwand bedeuten. Ist der Geschäftsführer aber mit den mechanischen Arbeiten beschäftigt, kann sich demnach kaum um das große Ganze kümmern, läuft der Betrieb Gefahr in eine Abwärtsspirale zu strudeln. Denn ohne einer ordentlichen Buchhaltung, strategisch wichtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt und eventuell auch harten Durchgriffen (Stichwort Kündigung), droht das leichte Plus schnell zu einem fetten roten Minus zu werden. Knackpunkt: die eigene Finanzkraft. Während kleine Betriebe recht unabhängig agieren können, stecken vermehrt die mittleren Betriebe im Schwitzkasten von Banken, Herstellern und Lieferanten. Bricht der Cashflow unerwartet und über mehrere Wochen hindurch ein, rückt die Insolvenz bedrohlich nahe.

Ist Pfusch ein Thema?

Geht es heimischen Werkstätten wegen der zahlreichen Pfuscher so schlecht? Hier herrscht große Einigkeit: Nein, dafür ist der Pfusch viel zu kleingliedrig und unorganisiert. Bundesinnungsmeister Friedrich Nagl: „Leider gibt es keine offiziellen Zahlen zum Pfusch. Aber wir schätzen, dass sich der Pfusch in etwa parallel zum allgemeinen Geschäft entwickelt.“ Die Gründe dafür sind mannigfaltig, wie der Wiener Landesinnungsmeister Werner Fessl weiß: „Der Pfuscher mag zwar günstiger sein, aber die Autos werden immer komplexer und komplizierter. Ohne hoch spezialisierter, teurer Ausrüstung sowie dem dazugehörigen Fachwissen kann man moderne Autos kaum reparieren. Dadurch ist der Pfusch begrenzt.“ Außerdem, wie Martin Gertl, Tiroler Landesinnungsmeister der Kfz-Techniker, festhält, ist der Pfusch zu einem gewissen Grad auch sehr regional: „Bei uns in den Tälern und auf den Bergen, wo es teilweise weit und breit keine richtige Werkstatt gibt, ja, dort wird zwangsläufig gepfuscht. Und es ist praktisch unmöglich, alle Pfuscher anzuzeigen.“ Werner Fessl bestätigt das: „In Wien ist der Pfusch natürlich auch ein Thema, aber im urbanen Gebiet fällt der eher auf und würde früher oder später auch angezeigt werden. Daher, so meine Einschätzung, wird sich der Pfusch auf Randgeschäfte wie Havarien oder ältere Fahrzeuge konzentrieren.“ Zusammenfassend kann man sagen: Ja, der Pfusch ist sicher nicht förderlich für ein gutes Werkstattgeschäft, aber existenzbedrohlich ist er in der Kfz-Branche derzeit noch nicht. 

Ertragsvariable Wetter?

Schlechtes Wetter ist gut fürs Geschäft. Strenge Winter, nasse, verschneite oder gar vereiste Fahrbahnen führen eher zu Unfällen und Blechschäden als strahlende Sommertage. Milde Winter sind gerade in Österreich pures Umsatzgift. „Wenn die Übergangszeiten so lang und mild sind, dann warten die Leute mit dem Reifenwechsel länger und verursachen weniger Blechschäden, da die Straßen frei und gripreich sind. Diese Umsätze fehlen der gesamten Branche“, stellt Nagl fest. Gleiches gilt übrigens für Hagel. Bleibt dieser aus, sind die Dellendrücker und so mancher Karosseriebauer arbeitslos.
Aber worauf muss sich die Kfz-Branche in Sachen Wetter einstellen? Ingmar Höbarth, Klimafonds-Geschäftsführer, hat Antworten auf Basis des österreichischen Sachstandsberichts zum Klimawandel 2014, an dem über 240 heimische Klimaforscher mitgearbeitet haben: „Die Extremwetterereignisse werden mehr. Nördlich des Alpenhauptkammes wird es mehr Niederschlag geben, Kärnten hingegen wird trockener. Die Winter werden generell milder. Statt Schnee wird aufgrund der höheren Temperaturen vermehrt Regen fallen.“ Außerdem sei Österreich vom Klimawandel besonders stark betroffen. Weltweit gab es einen Temperaturanstieg von 0,85 Grad. Österreichweit ist die Temperatur jedoch seit 1880 um ganze zwei Grad gestiegen. Warum das so ist? „Das hat mit der heimischen Topografie zu tun: Die Berge erwärmen sich schneller, wenn sie nicht von Schnee und Gletschern bedeckt sind. Da die Gletscher jedoch stark zurückgehen, der Schnee schneller abtaut, wird es überdurchschnittlich wärmer“, so Höbarth.

Niedrigere Fahrleistung?

Interessant ist auch, dass alle unsere Ansprechpartner den Trend zu etwas niedrigeren Fahrleistungen und längeren Haltedauern geortet haben. Erik Papinski, Bundesinnungsmeister der Karosseriebauer: „Die Kunden fahren länger mit ihren Autos, sehen es teilweise auch als Wertanlage und lassen gewisse Schäden oder Details durchaus reparieren. Nur das „Wann“ ist die Frage.“ Und hier waren sich alle einig: Selbst kleinere Reparaturen werden so lange wie möglich hinausgezögert. Martin Gertl ist wenig überrascht: „Das Auto hat heute nicht mehr den Stellenwert wie in meiner Jugend. Ein kleiner Schaden hier und dort stört heute nicht wirklich. Dazu hat das Auto zu viel am positiven Image eingebüßt. Und: Sogar die Firmenkunden sind bei Reparaturaufträgen sparsamer geworden.“ Dazu kommt, wie Papinski meint, dass immer weniger Leute weite Strecken mit dem Privatauto zurücklegen, beispielsweise Urlaubsfahrten quer durch Europa. Werner Fessl aus Wien stimmt zu und ergänzt: „Auch im urbanen Umfeld fehlen uns die Kilometer der Kunden. Durch gut ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing-Modelle kann es uns wie der Ski-Industrie gehen: Kaum kamen die Leihski auf, gab es einen Einbruch beim Skiverkauf.“

Außerdem ortet Fessl zu viele übertriebene Umweltschutzmaßnahmen gegenüber der Automobilbranche: „Beispiel Klimaservice. Da gibt es irre Auflagen wer, wie und mit welchem Gerät man die Kühlmittel wechseln darf, aber bei einem Unfall ist der Klimakühler schnell mal beschädigt, und das Kühlmittel tritt ungehindert aus.“ Schaut man über unsere Landesgrenzen, darf man sich schon fragen, warum bei heimischen Betrieben so ein großes Trara gemacht wird und ein paar Kilometer weiter tropfen Öle und andere Giftstoffe ganz ungeniert in den Erdboden. Grenzübergreifende, europäische Maßnahmen und Vorgaben  schauen anders aus. Daher, so Fessl: „An der Automobilwirtschaft hängen viele heimische Arbeitsplätze und auch viel Geld, mit dem der Umweltschutz finanziert wird. Wenn das wegbricht, können wir uns den Umweltschutz  wohl gar nicht mehr leisten.“

Fehlt das Geld? 

Geld ist ein gutes Stichwort. Sind Reparaturen für die Kunden zu teuer und/oder fehlt ihnen das Geld dazu? Bei keiner unserer Fragen herrschte so große Einigkeit wie hier: Ja, es fehlt schlichtweg das Geld im Kundenbörsl.
Die schlechte Konjunktur trägt das Ihrige dazu bei: Viele Jobs sind aufgrund der pessimistischen wirtschaftlichen Aussichten unsicher. Das kleine Einkommensplus wird durch die kalte Progression praktisch sofort aufgefressen und die Lebenshaltungskosten steigen stetig. Erik Papinski sagt stellvertretend offen heraus: „Es ist einfach zu wenig Geld da. Die Leute warten ab, geben es nicht aus. Man schaue sich nur die Stundensätze an: Rund 120 Euro für eine Werkstatt-Arbeitsstunde sind für die Leute einfach zu viel.“ Dem wäre eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, aber ganz so pessimistisch wollen wir das Thema nicht ausklingen lassen. Daher haben wir uns auf die Suche nach Lösungsvorschlägen gemacht. Nur waren die Antworten wenig aufmunternd. „Hätten wir einen klaren Lösungsvorschlag, dann würden wir ihn sofort umsetzen“, sagt Martin Gertl. Erik Papinski bringt passend dazu eine weitere Komponente ins Spiel: „Die Krise ist endgültig beim Endkonsumenten angekommen. Die Politik versucht zu helfen - aber nur anlassbezogen. Hier sollte mehr auf die heimischen KMUs gehört werden als auf die paar großen Industrieunternehmen, die wir haben.“ Denn – und das mag ebenfalls etwas kurios sein - wir hören und lesen nur allzu oft, dass beispielsweise ein Wirtschaftsministier nicht müde wird zu betonen, dass die KMUs das Rückgrat der heimischen Wirtschaft sind. Komisch nur, dass ausgerechnet dieses Rückgrat kaum die Unterstützung erhält, die es eigentlich bräuchte.

Ein Denkanstoß von Erik Papinski: Vielleicht sollte wieder mehr Eigenverantwortung in die Betriebe gegeben und weniger Verordnungen erlassen werden, die für viele Betriebe enorme finanzielle Belastungen bedeuten. Dazu den Verwaltungsapparat straffen und denen helfen, die wirklich täglich für den umsatzbringenden Konsum im Land sorgen: den Arbeitnehmern. Denn hat Frau Müller am Monatsende wieder mehr Geld im Börsl, kann sie sich auch das Jahresservice vom Auto leisten.

Umfrage & Expertenkommentar Sebastian Huchler, GfK

Im letzten Monat haben wir gefragt, wie die Branche die Entwicklung der Neuzulassungen für das Jahr 2015 einschätzt. Nach einem deutlichen Ergebnis mit überwiegend negativen Einschätzungen, wonach nur 21% einen Aufschwung erwarten, wollten wir nun wissen, wie die Händler und Werkstätten die nahe Zukunft im Werkstättengeschäft beurteilen: Tendenziell zeigt sich die Branche beim Werkstättengeschäft etwas optimistischer als bei den Neuzulassungen, immerhin 28% erwarten einen Aufschwung, demgegenüber stehen 71% mit (eher) negativer Einschätzung für das kommende Jahr. Der Anteil der „echten“ Pessimisten ist dabei nicht allzu groß: Nur 13% sind sich sicher, dass es nicht bergauf gehen wird. Bei 28% Optimisten kann man natürlich nicht von einer rosigen Perspektive für 2015 sprechen, es bleibt jedoch zu hoffen, dass es nach dieser anhaltenden Durststrecke bald wieder aufwärts gehen wird. (Befragungszeitraum: 17.–24. November 2014, Anzahl der Befragten: 342 Betriebe)