Hyundai ärgert den Porsche

09.11.2021

 
Mit dem neuen Ioniq 5 macht Hyundai ganz viel richtig. Nur beim Blick auf die Preisliste wird einem schwindelig.
Augenweide: Der optische Auftritt des Ioniq 5 ist gelungen. Selten war das Wort futuristisch treffender für ein Serienmodell.
Augenweide: Der optische Auftritt des Ioniq 5 ist gelungen. Selten war das Wort futuristisch treffender für ein Serienmodell.

Der neue Hyundai Ioniq 5 ist ein wahrer Blickfang: Egal ob in der Stadt, am Land, auf der Autobahn: Jeder, der den LED-Scheinwerfer-Blick erhascht oder die futuristische, blockartige Form des Ioniq 5 wahrnimmt, schaut nochmal genauer hin. Noch nie war das Wort futuristisch treffender für ein Serienmodell. Die hart ins Blech geschlagenen Kanten, die eckigen Lichter (Pixel-Design) wie aus einem Videospiel der 1980er-Jahre und das coole Atlas White machen klar: Der Hyundai ist kein Biedermann, der im grauen Automobilalltag mitschwimmen will. Er ist der Freddy Mercury unter den Autos: ein Ausnahmetalent, ein Trendsetter, gekommen, um die Automobilwelt nachhaltig zu ändern. 

Technik & Design

Warum wir so voll des Lobes schon zu Beginn sind? Weil der Hyundai Ioniq 5 kein Blender ist, kein normales Auto, das mittels Kompromissen zum Stromer wurde. Der Ioniq 5 ist das erste Modell, dass auf der neuen Electric Global Modular Plattform (E-GMP) steht und somit ausschließlich auf die E-Mobilität von heute und morgen getrimmt ist. Das Besondere ist die verwendete 400-V- und 800-V-Ladeinfrastruktur. Und damit bietet der Hyundai vergleichbare Technik wie der Porsche Taycan, der aber um ein Vielfaches teurer ist als der E-Koreaner. In unserem Testmodell mit Hinterradantrieb kam ein 72,6-kW-Akku zum Einsatz. Je nach Felgendimension gibt Hyundai die Reichweite mit 481 km (bei 19-Zoll-Bereifung) oder mit 451 km (mit 20-Zoll-Rädern) an. Laut Datenblatt liegt der Durchschnittsverbrauch auf 100 km bei 16,8 kWh. In unserem Test lag der Verbrauch etwas höher bei rund 20 kWh. Beeindruckend die Ladezeiten: Mit dem Typ-2-Ladekabel soll der Ioniq 5 in gut 6,5 Stunden voll aufgeladen sein. Mit einem CCS-Schnellladestecker bei 50 kW sinkt die Ladedauer – von zehn auf 80 Prozent Ladung – auf knapp über eine Stunde. Und wenn man einen CCS-Lader mit 350 kW ergattert, lädt der Koreaner seine Akkus im gleichen Spektrum binnen 17 Minuten. Beeindruckend – nichts weniger. 

Realität

Das Datenblatt verspricht 160 kW (218 PS) und ein Drehmoment von 350 Newtonmetern. 185 km/h Topspeed sollen möglich sein. Typisch Stromer ist das Beschleunigungsvermögen – speziell aus dem Stand – beeindruckend: Von null auf 100 km/h sollen es 7,4 Sekunden sein. Gefühlt ist es deutlich weniger. Der Anfahrtsdruck – speziell im Sport-Modus – ist ein Hammer. Da kommen selbst richtige PS-Monster der Supersportgarde auf den ersten Metern nicht mit. ­Allerdings kommt dann auch wieder der Einbruch und der Spurt verlangsamt sich ab rund 70 km/h spürbar. Aber sprechen wir über die Reichweite: Fährt man sparsam, vorausschauend und nutzt jene Komfortfeatures, die das Fahren schöner machen (Lenkerrad- und Sitzheizung, Klima, Soundsystem) sind im Alltag 300 bis 350 km möglich. Je höher der Autobahnanteil, desto niedriger die Reichweite und je mehr Cityverkehr, desto höher. Eh klar, denn kaum wird gebremst, rekuperiert der Stromer und lädt den Akku wieder auf. Dafür hat Hyundai das i-Pedal inte­griert. Damit steigt die Rekuperationskraft auf ein Maximum an. Geht man vom Gas, setzt sofort eine starke Motorbremse ein, um maximale Rück­ladung zu gewährleisten. Die Bremskraft ist so stark, dass man die konventionelle Bremse nur mehr für Notbremsungen braucht. Bei vorausschauender Fahr­weise reicht allein das Gaspedal aus. Gepaart mit dem Eco-Modus ergibt sich damit ein sehr gemütliches, stressfreies Fahrgefühl. Lässt man die E-Pferde galoppieren, dann spürt man die knapp zwei Tonnen Eigengewicht sowohl beim Einlenken als auch beim Bremsen. Das Fahrwerk ist komfortabel, aber nicht butterweich abgestimmt. Die Lenkung führt den Ioniq 5 präzise, das Feedback stimmt. Obwohl nicht hart, spürt der Fahrer genug von der Asphaltoberfläche, um zu wissen, was noch geht und was nicht. Nur die Wankbewegungen könnten ruhig weniger sein. 

Platz, viel Platz

Der Radstand ist mit drei Metern richtig lang. Dementsprechend souverän fährt sich der Ioniq 5 mit passendem Raumgefühl: luftig, entspannt, nix zwickt, nix wirkt eng. Pfiffig: Der Fußraum ist weder vorne noch hinten durch Mittelkonsolen getrennt. Sogar die hinteren Sitze sind elektronisch verstellbar. Das Handschuhfach ist eine Lade. Und der Kofferraum fasst zwischen 531 und 1.591 Liter. Nur die Ladekante ist von den Hyundai-Ingenieuren für den Alltag etwas hoch gewählt. Auffällig ist im Stadtverkehr der üppige Wendekreis von knapp zwölf Metern. In engen Gassen und Parkgaragen ist Obacht geboten. Überhaupt ist der Ioniq 5 mit einer Gesamtlänge von 4,6 und einer Breite von 1,89 Metern nicht gerade ultrakompakt. Nett: In engen Garagen lässt er sich per Schlüssel aus der Parklücke fahren – Knight Rider-Feeling inklusive. 

Fazit: Das Konzept überzeugt

In Summe zeigt der Ioniq 5, dass sein Konzept schlüssig und praktisch ist. Mit der CUV-Form ist er übersichtlich, bietet Platz und Reichweite. Die moderne 800-V-Ladetechnik ist up to date und bietet für die nächsten Jahre Sicherheit. Die coole Optik, die sehr gute Verarbeitung und die zahlreichen netten Details lassen Hyundai-Neulinge staunen. Ein gewisses Oberklassenflair ist schon da. Doch der Preis ist gesalzen: 58.730 Euro sagt die Liste. Das ist viel Geld für einen Stromer, dessen Restwert noch etwas fraglich ist.

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