Mercedes E320: Turbotod durch Partikelbeschuss

Diagnosetechnik
11.02.2014

Der Besitzer eines acht Jahre alten Mercedes E320 bemerkte einen dramatischen Leistungsabfall des V6 Turbodiesels und suchte die Werkstatt auf. Dort wurde der Tod des Turboladers diagnostiziert, doch ein Austausch brachte nur kurzfristig Abhilfe.

Es passierte zum Glück auf einer wenig befahrenen Landstraße und nicht auf der Autobahn, als der V6-Zylinder Turbodieselmotor des Mercedes E320 plötzlich den Großteil seiner 224 Pferde in den Stall stellte. Mit stark verminderter Motorleistung schaffte es die Limousine noch bis zur nächsten Mercedes-Fachwerkstätte, wo sie umgehend an das Mercedes-Diagnosesystem Xentry angeschlossen wurde. Die Kontrollleuchte des Motormanagements leuchtete – ein erster Hinweis auf die mögliche Fehlerquelle.

Die Diagnoseschritte im Detail:
▶    Die Fehlercodeauslese zeigte folgende Meldungen: Geber Abgasgegendruck prüfen wegen Regelabweichung - der Abgasgegendruck ist zu hoch / Der Ladedrucksteller ist fehlerhaft / System Ladedruckregelung prüfen - Ladedruck zu niedrig / Die Signalspannung des Abgasgegendrucksensors ist zu hoch.
▶     Der Mercedes-Techniker tippte auf einen Schaden am Turbolader, und tatsächlich: Nach Ausbau des Gerätes zeigten sich Schäden an den elektronisch gesteuerten Stellgliedern sowie an den Turbinen­schaufeln.
▶    Der Austausch des Laders GT20 VNT von Garrett brachte Abhilfe, der V6-Motor lief wieder mit voller Leistung.
Es wäre jedoch kein Diagnosekrimi, wenn der Fall damit abgeschlossen gewesen wäre. Tatsächlich kam der E320 nur wenige Tage später wieder in die Werkstatt, mit dem gleichen Problem. Das zweite Kapitel des Diagnosekrimis begann.
▶    Die Fehlercodes zeigten das gleiche Bild, der Turbolader die gleichen Schäden – die Mercedes-Techniker tippten auf einen Fertigungsdefekt am Austauschturbolader und reklamierten das vermeintliche „Montagsgerät“ beim Lieferanten – der Wiener Firma Turbo Twins.
▶    Die erfahrenen Turbo-Zwillinge Walter und Manfred Müllberger nahmen den Lader genau unter die Lupe und fanden kleine Metallsplitter, die in den Stellgliedern hängen geblieben waren und diese verbogen hatten. 
▶    Auch die Turbinenschaufeln waren durch den Beschuss mit den eingesaugten Teilen verbogen, sodass immerhin klar war, dass der Turbolader ordnungsgemäß funktioniert hatte.
▶    Die Suche am Fahrzeug nach der Herkunft der Metallsplitter begann, und der Abgastrakt des Motors wurde genau unter die Lupe genommen. 
▶    Fazit: Die Fehlerquelle steckte im Auspuffkrümmer, der doppelwandig konstruiert ist. Walter Müllberger erklärt: „Durch die starke thermische Einwirkung kann das Innenrohr brüchig werden und mit der Zeit zerbröseln. Die Teile werden vom Turbo angesaugt, und zerstören die Schaufeln, die mit bis zu 200.000 Umdrehungen pro Minute rotieren.“ Ein Defekt, der nach etwa 100.000 bis 150.000 Kilometern Fahrleistung auftreten kann.
▶    Mithilfe der TurboTwins konnte der Fall gelöst werden, und Mercedes empfiehlt seither, im Falle eines Turboschadens am V6-Turbodieselmotor OM 642 die Auspuffkrümmer – am besten mit einem Endoskop - genau zu untersuchen. Sollten Risse oder abgebrochene Metallteile festgestellt werden, müssen die Krümmer gemeinsam mit dem Turbolader erneuert werden.