"Mit einem hellblauen Auge davongekommen"

Reifenindustrie
18.02.2021

Von: Philipp Bednar
Tassilo Rodlauer ist zurück im Chefsessel bei Goodyear Dunlop Austria. Der erfahrene Reifenprofi blickt auf ein schwieriges Jahr zurück, erkennt im Reifen aber ein stabiles Geschäftsfeld – auch wenn die Zukunft elektrisch fahren sollte. 
Tassilo Rodlauer, GF Goodyear Dunlop Austria
Tassilo Rodlauer, GF Goodyear Dunlop Austria

Herr Rodlauer, fassen Sie bitte kurz zusammen, wie das Coronajahr 2020 für Goodyear Dunlop in Österreich gelaufen ist. 

Stark zusammengefasst lässt sich sagen: Wir sind mit einem hellblauen Auge davongekommen. Consumer-seitig lag der Marktrückgang im Reifengeschäft bei rund 12 Prozent. Corona hat gezeigt, dass die Leute weniger unterwegs waren, die Kilometerleistung ist gesunken. Wir sind unter unserem Niveau von 2019 gelandet – das schmerzt. Aber Corona hat alle hart getroffen, daher für uns nur ein hellblaues Auge. Wir stellen auch ein Ost-West-Gefälle im B2B Bereich fest. Der Westen dürfte von den geschlossenen Grenzen profitiert haben, im Osten ist dies weniger stark ausgeprägt. In Summe muss man aber aus unserer Sicht ganz klar sagen: Wir sind mit dem Geschäftsjahr nicht zufrieden. Darum: sind wir froh, dass das Jahr vorbei ist. Haken darunter, nach vorne schauen. 

Dann machen wir das doch: Was ist für 2021 geplant?

Das Ziel für 2021 ist klar: Das Vertrauen unserer Partner stärken. Wir werden uns heuer mehr denn je dem Reifenfachhandel widmen. Ich glaube, dass das wichtig ist. Wir haben ein starkes neues Produktportfolio, die ersten Testergebnisse dieses Jahres beweisen das. Unsere Lieferfähigkeit ist gut, die ersten Bestellungen zur Bevorratung stimmen uns sehr positiv. Und wenn wir zur Elektomobilität kommen: Goodyear kann alle derzeit in Österreich erhältlichen E-Autos mit Reifen ausstatten. 

Apropos E-Autos. Einem Reifenproduzenten kann die Antriebstechnologie relativ gleich sein, oder? Hauptsache vier Reifen und das Geschäft rollt, nicht?

Grundsätzlich: ja. (lächelt) Nein, Spaß beiseite. E-Autos haben natürlich völlig andere Anforderungen an einen Pkw-Reifen: Die Autos sind deutlich drehmomentstärker, gleichzeitig sind viele Modelle schwerer und der Rollwiderstand soll so niedrig sein, als wäre gar kein Reifen montiert. Das bedeutet: Die Reifen sind groß und schmal. Aber die Coronakrise hat schon gezeigt, dass der Reifen auch in Krisenzeiten wichtig und gefragt ist. Ich möchte nicht von einem krisensicheren Produkt sprechen, aber von krisensicherer. 

Goodyear vertreibt seine Reifen in Deutschland online direkt an Endkunden.

Das ist richtig. Es handelt sich hierbei um ein Pilotprojekt. Ich kann einen Direktvertrieb an Endkunden für Österreich ausschließen. Das deutsche Pilotprojekt ist erfolgreich und 80 Prozent der gewonnenen Endkunden sind Neukunden. Aber wir werden uns in Österreich auf unsere lokalen Partner fokussieren: den Reifenfachhandel und auch Autohäuser. 

Und schon sind wir beim beliebten Spannungsfeld: Autohaus vs. Reifenfachhandel. 

Ob das ein Spannungsfeld ist, kann ich nicht sagen. Ich glaube, dass beide verschiedene Zugänge haben und mit spezifischen Services punkten können. Der Reifenfachhändler ist der Profi in Sachen Reifen: Er kann mit Fach- und Beratungskompetenz punkten, natürlich – je nach Größe des Lagers – auch mit schnellerer Verfügbarkeit und Platz fürs Depot. Das Autohaus tut sich vermutlich in der Werkstatt leichter, da die Autos in der Garantiezeit öfters im Haus sind und man den Kunden dementsprechend öfter sieht und servicieren kann. 

Verstehen Sie, wenn der Reifenfachhandel darüber klagt, dass das Autohaus die gleichen Einkaufskonditionen bekommt? 

Nicht wirklich. Die erzielbare Marge ist wichtig und dafür zählt nicht nur der Einkaufsvorteil, sondern vor allem, was ich dem Kunden alles anbieten kann. Hier spielt die Fahrzeug- und Reifenentwicklung beiden gleichermaßen in die Hände: Die Räder auf den modernen Autos werden immer größer und breiter – also auch schwerer. Das macht das Umstecken in der Garage ohne einen Depotplatz zu haben für Endkunden sehr viel mühsamer als noch vor ein paar Jahren. Und neben dem Gewicht verbrauchen die neuen Räder auch mehr Platz. Einlagerungen (Reifendepot) und Umstecken werden immer gefragter. Ein klarer Vorteil für Reifenfachhändler, weil sie oftmals größere Depots haben, daher mehr Reifen einlagern und mehr Kunden gewinnen können. Dazu eine kurze Anmerkung: Einer unserer Partner verrechnet das Depot nach Zollgröße: clever.

Also gibt es bei Goodyear keine Bevorzugung der beiden Vertriebswege?

Wir sind Endverbraucher-zentriert. Wir wollen, dass die Endkunden unsere Produkte dort bekommen, wo sie es wollen. Fakt ist, dass nach wie vor deutlich über 60% aller Reifen vom Reifenfachhandel aufs Auto montiert werden. Und wie bereits erwähnt, wir werden uns in Zukunft darum bemühen, unsere Partnerschaften dort weiter zu vertiefen.

Zum Abschluss: Die Mobilität der Zukunft wird…

Wieder anziehen. Ich glaube, dass das Mobilitätsbedürfnis nach der Coronapandemie wieder deutlich ansteigen wird. Es mag sein, dass Mobilität derzeit neu definiert wird, aber die freie Entscheidung, von A nach B zu reisen und dabei Neues zu entdecken oder einfach nur Spaß haben zu wollen, steckt ins uns Menschen. Und die wird wieder ausgelebt werden wollen.