Nur wer wagt, gewinnt

19.01.2017

Von: Philipp Bednar
Die Lackiererei Lackdesign hat ihr Kfz-Geschäft ad acta gelegt und sich neuen Branchen geöffnet. Dank Esprit, Ehrgeiz und Mut sogar sehr erfolgreich. Ein Porträt des etwas anderen Lackierbetriebs. 
Petra Goldova und Roman Gold mit dem Spotti, einem transportablen  Lackiersystem für Innenräume

Der Tellerrand kann Angst machen. Aber viel quälender dürfte der Vorwurf an sich selbst sein, nie darüber hinausgeschaut zu haben. Ein Vorwurf, den sich Petra Goldova und Roman Gold, Inhaber der Lackiererei Lackdesign in Wien 1230, nicht zu machen brauchen. Das dynamische Duo hat der Kfz-Branche vor gut einem Jahr ein lautes Servus gesagt und sich neu aufgestellt. Und das sehr erfolgreich, wie die folgende Geschichte erzählen wird.

Geistesgegenwärtig

Vor zwei Jahren sind wir Roman Gold zum ersten Mal begegnet. Der Wiener mit markanter Stimme ist ein Freund der ehrlichen Worte und mit einem ungewöhnlichen Weitblick ausgestattet. Schon damals erzählte er uns, dass die Kfz-Lackierung nicht das große Geschäft sei, dafür würden die Leasing- und Versicherungsunternehmen die Preise zu sehr drücken. Stattdessen hat sich der Betrieb, bestehend aus sechs Leuten, schon damals vermehrt auf die Industriezulieferung spezialisiert. AKG ist ein wichtiger Kunde, die Mikrofone vom Papst und den Rolling Stones haben ihren letzten Farbanstrich durch Golds Lackierpistole erhalten. Wer denkt, Gold sei ein kapriziöser Künstler, der irrt gewaltig.

Roman Gold ist ein bodenständiger Mann, der tagtäglich selbst anpackt. Im Rahmen der Neuorientierung knüpfte Gold als Vertriebspartner für Flugzeuglacke erste Kontakte zur Luftfahrtindustrie. Bald lackierte man Griffe und Innenraumabdeckungen für Passagierjets. Die Qualität überzeugte, Lackdesign machte sich einen Namen. Gold ist aber nicht nur ein penibler Handwerker, sondern auch ein guter Verkäufer mit dem richtigen Riecher für Geschäftslücken. Manch einer mag das als Talent abtun, andere erkennen darin eine Mischung aus Fleiß und Wissbegierde. „Roman ist ein Tüftler. Wenn er vor einem Problem steht, denkt er so lange darüber nach, bis er es gelöst hat“, erzählt seine Geschäftspartnerin Petra Goldova. 

Mit Mut und Fleiß

Im Rahmen der Arbeiten für die Luftfahrtindustrie stieß Gold auf ein solches Problem: Die Reparatur von Innenraumteilen sowie Passagiersitzen. „In der Luftfahrt ist alles sehr bürokratisch, jeder Arbeitsschritt muss protokolliert werden. Etwas einfacher ist es, wenn man die Reparaturen direkt in der Innenraumkabine vornehmen kann“, so Gold, der auch größeren Spardruck der Airlines erkannt hat. Nur: Wie soll man in einem Flugzeuginnenraum abgewetzte Ledersitze und Schrammen professionell reparieren? Roman Gold fing an zu grübeln. Seine Idee: Ein mobiles Lackiersystem mit Lack auf Wasserbasis sowie speziellen, luftfahrtgeeigneten Reinigungsmitteln. Zuerst entwickelte der Tüftler Gold das Lackiersystem, den Spotti. Der akkubetriebene Kompressor mit Druckregulierung im kompakten Gehäuse und Luftpinsel am Schlauch erlaubt nun, bis zu A4-große Schäden direkt in der Kabine zu reparieren.

Der dafür benötigte Lack wird mittels speziellen Kartuschen einfach aufgesteckt. Das geht schnell, ist sicher und macht keinen Dreck. Die Industrie war begeistert. Gold hat den Nagel auf den Kopf getroffen und wusste seine patentierte Erfindung auch zu verkaufen. Mitunter kommt es zu kuriosen Situationen: „Nicht selten werke ich am Vormittag noch im Blaumann in der Maschine und sitze am Nachmittag mit Industriemanagern beim Mittagessen zu Tisch und verhandle unsere Zusammenarbeit“, schmunzelt Gold. Ob das Bodenständige hier ein Nachteil ist? „Gar nicht, ich höre eher das Gegenteil. Unsere Geschäftspartner schätzen es, dass wir anpacken und genau wissen, wovon wir sprechen und keine Dampfplauderer sind.“

Breit aufgestellt

Mit dem Spotti war es aber noch nicht getan. Risse oder Löcher in Passagiersitzen lassen sich nicht lackieren. Also entwickelte Lackdesign eigene Kitt- und Pflegeprodukte für die Luftfahrtindustrie. Und wie Gold durchaus stolz, aber nicht überheblich sagt: „Ich kenne alle Konkurrenzprodukte, habe alle selbst ausprobiert, aber wir haben die mit Abstand besten Produkte am Markt, inklusive aller Freigaben.“ Dafür verbrachte der Wiener viel Zeit in den USA, um die Produkte Airline-tauglich zu machen. Die Pflegelinie sei übrigens auch bestens für den Haushaltsgebrauch oder die Kfz-Pflege geeignet. Die Erfinder selbst seien immer wieder verwundert, wie gut die Mittel funktionieren würden.

Auch hier haben die beiden alles richtig gemacht und gleich patentieren lassen. Wer glaubt, Lackdesign hätte nur Chemie zugekauft und neu etikettiert, der liegt falsch. „Wir haben die Mixtur selbst erstellt. Es gibt nichts Vergleichbares, wir haben von null weg begonnen“, so Petra Goldova. Lackdesign, ein kleiner Betrieb aus Wien, hat heute große Airlines und Flugzeughersteller als Kunden. Möglich wurde es, da man sich etwas zugetraut und sich weiterentwickelt hat und nicht unterkriegen ließ. In schwierigen Zeiten wie diesen ein schöner Mutmacher.