Reifenreparatur: Tipps für Fachbetriebe

„Reifenpapst“ Michael Immler erklärt, wieso die Reifenreparatur unterschätzt wird, wie man damit Geld verdient und was es für Werkstätten zu beachten gilt. 
Die Reparatur eines Reifen kann sich für Fachbetriebe durchaus auszahlen.
Die Reparatur eines Reifen kann sich für Fachbetriebe durchaus auszahlen.

„Reifenreparatur ist ein komplett unterschätztes Thema“, sagt Michael Immler. Der renommierte deutsche Reifensachverständige, der erst kürzlich auf Einladung des VRÖ (Verband der Reifenspezialisten Österreichs) einen Online-Vortrag hielt, erklärt der KFZwirtschaft, wieso dies zu Unrecht der Fall ist und was es bei der Reifenreparatur zu beachten gilt. 

4 Argumente für eine Reifenreparatur

„Die Reparatur eines Reifens ist ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz, weil der Reifen dadurch ja erhalten bleibt und nicht im Müll landet“, erklärt Immler. Das wird heutzutage immer wichtiger. Als Fachbetrieb könne man mittels Reifenreparatur die Kundenbindung stärken, indem man Kunden helfe, ein Problem zu lösen und ihnen dabei auch noch Geld erspare. Im Pkw-Bereich gelte das vor allem bei hochwertigen Highspeed- oder Allradreifen, wo man alternativ zur Reparatur womöglich gleich einen ganzen Satz austauschen müsste und eine Reparatur aus Kundensicht umso mehr Sinn macht.

Gleichzeit kann aber auch der Betreiber einer Werkstatt mit der Reparatur von Autoreifen durchaus gutes Geld verdienen, der Rohertrag könne damit sogar verbessert werden. „Mit der Reparatur von Reifen verdient man mitunter sogar mehr Geld als beim Verkauf mancher Neureifen“, erklärt der „Reifenpapst“, der Reifenhändler, Verbände, Interessenvertretungen und Bildungseinrichtungen ebenso berät wie Fahrzeug- und Reifenhersteller. 

Richtig lukrativ wird die Sache dann bei Großreifen für Nutzfahrzeuge, wo eine Reparatur schon mal 800 Euro betragen kann. Aber Immler, der seit 50 Jahren in der Reifenbranche tätig ist, führt noch weitere Argumente für das Anbieten von Reparaturleistungen für Fachbetriebe an: „Man kann hier wirklich Fachkompetenz beweisen und ein Alleinstellungsmerkmal erlangen.“ 

Zehn Jahre in der Haftung

Freilich ist hohe Fachkompetenz erforderlich, zumal die Betriebe in der Haftung stehen. Wenn im Falle eines Unfalls ein Sachverständiger zu der Einschätzung gelangt, dass ein Reifen nicht nach dem Stand der Technik repariert worden ist, muss die betroffene Werkstatt zahlen, wie Immler betont. Als Beispiel hierfür nennt der Experte eine Lochkanalfüllung mit Korrosion. 

Die Haftung des Betriebes wie auch des jeweiligen Mitarbeiters im Falle eines Folgeschadens einer mangelnden Reparatur beträgt zehn Jahre. Immler rät deshalb, unbedingt sämtliche ausgeführten Arbeiten zu dokumentieren und eben auch zehn Jahre lang aufzubewahren. Hierbei gilt es genau aufzuzeichnen, wer was wann und wie ausgeführt hat, da die Betriebe sonst womöglich für etwas haften, das sie gar nicht gemacht haben. Der aus einer Haftung resultierende Schaden kann erheblich sein, im Extremfall sogar existenzgefährdend. 

Genaue Richtlinien

Aber wann darf man einen Reifen überhaupt reparieren und wann nicht? Dazu gibt es genaue Vorgaben und Richtlinien vom Gesetzgeber wie auch von den jeweiligen Herstellern. Aufklärung gibt die Reifenfibel des VRÖ, in der die wesentlichen Richtlinien definiert und zusammengefasst werden. 

Das Wichtigste ist letztendlich der Mensch, wie Immler betont. Der Fachmann bzw. die Fachfrau muss gut aus-, aber auch weitergebildet sein. „Ohne ständige Weiterbildung geht im Reifengeschäft heute gar nichts mehr. Die ständigen Weiterentwicklungen bei den Fahrzeugen und bei den Reifen verlangen von uns ein kontinuierliches Lernen und die Bereitschaft sich fortzubilden.“ Ganz wichtig sei überdies das Bewusstsein, „dass am sicherheitsrelevantesten Teil der Fahrzeuge gearbeitet wird.“ Dieses würde leider allzu oft fehlen. 

Beurteilung der Reifen: Worauf es ankommt

Das beginnt bereits bei der Einschätzung und Beurteilung, ob ein Reifen eines Autos überhaupt repariert werden kann. „Da gibt es nur zwei mögliche Antworten: ja oder nein – dazwischen gibt es nichts“, betont der Experte, der vor jeglichen Gefälligkeiten abrät.

Er gibt zu bedenken, dass gerade bei Lkw-Reifen beim Alter oft ein Auge zugedrückt wird, manchmal mit der Begründung „Das ist eh nur ein Baustellenfahrzeug.“ Immler hält dagegen: „Die Art oder Verwendung des Fahrzeuges spielt keine Rolle bei der Beurteilung der Reparaturwürdigkeit eines Reifens. Der Reifen platzt gegebenenfalls am Bau genauso und auch die Folgeschäden sind oft nicht viel anders als, wenn der Lkw auf der Straße fährt.“ Außerdem gibt er zu bedenken, dass die Reifen nicht zwingend auf dem einen Fahrzeug bleiben und später womöglich auf ein anderes montiert werden und dann sehr wohl im Straßenverkehr zum Einsatz kommen könnten. 

Licht an, Felge ab

Jedenfalls muss der beschädigte Reifen vor der Beurteilung ebenso wie vor der Reparatur unbedingt von der Felge abmontiert werden. Und er muss ganzheitlich betrachtet werden, nicht bloß die kaputte Stelle. „Man betrachtet beispielsweise viel zu wenig den Wulstbereich“, erklärt Immler. Dort würden Überlastungsmerkmale erkennbar, die mitunter zeigen, dass ein Reifen irreparabel sei. 

Wichtig ist auch ein gut beleuchteter Arbeitsplatz, da beispielsweise Schäden durch stumpfe Einwirkungen von außen (Stichwort Randstein) äußerlich kaum sichtbar sind, obwohl innen womöglich die Karkasse durchbrochen und der Reifen somit hinüber ist. Generell gelte es Verformungen und Verfärbungen zu erkennen und richtig einzuschätzen. „Erfahrung ist das Um und Auf“, sagt Immler, der trotz allem große Chancen für Betriebe sieht und kein Verständnis für häufige verwendete Ausreden bzw. Einschränkungen bei angebotenen Reparaturleistungen hat. „Manche sagen, sie reparieren nur bis Speedindex T oder H, andere reparieren nur Nagellöcher oder keine Motorradreifen, wieder andere flicken nur kalt“, berichtet Immler aus der Praxis. All dies sei nicht angebracht – bei der richtigen Beurteilung des Reifens könne man Y-Reifen genauso reparieren, Motorradreifen sowieso. Am sichersten sei die heiße Vulkanisation.

Ein Tipp für Notfälle

Und dann hat der Reifenguru noch einen Tipp auf Lager: „Notreparaturen sind möglich, wenn beispielsweise kurzfristig kein Ersatzreifen für das Auto verfügbar ist. Aber man sollte sich als Werkstatt unbedingt rechtlich absichern.“ Und dazu reicht es nicht, auf der Rechnung nur das Wort „Notreparatur“ zu vermerken. „Der Kunde kann ja nicht beurteilen, was er damit kann und darf“, erklärt Immler die Argumentation der Gerichte, für die die Fachbetriebe ansonsten im Falle eines Schadens sehr wohl haften. Stattdessen muss auf der Rechnung vermerkt werden, wie viele Kilometer man mit dem geflickten Reifen fahren darf und welche maximale Geschwindigkeit. Und wie immer sollte alles gut dokumentiert werden. 

Testen Sie Ihr Wissen

Die KFZwirtschaft hat mit freundlicher Unterstützung des Verbands der Reifen-Spezialisten Österreichs ein kostenloses eLearning erstellt, in dem interessierte Fachleute Ihr Wissen zum Thema Reifenreparatur auffrischen und auch gleich hier überprüfen können.