„Schwachsinn und Geschäftemacherei“

01.08.2015

 
Das Mystery Shopping der KFZ Wirtschaft: Wir haben eine Unternehmerin beauftragt, sieben Reifenfachbetriebe aufzusuchen und ihre Erlebnisse aufzuschreiben. Warum machen wir so etwas? Nicht, weil wir jemanden bloßstellen wollen, sondern schlicht, weil wir wissen wollten, inwieweit der Fachhandel seine Kompetenz beweist bzw. Potenziale ausschöpft. Die Ergebnisse sind höchst interessant.

Ich nehme mir für diesen Winter vor, meine Winterreifen endlich einmal rechtzeitig zu besorgen; und da mein Keller bereits übervoll ist, gleich auch meine Dunlop-Sportschlapfen in einem Reifendepot auszulagern. Ich spüre im Internet mit dem Google-Suchbegriff „Bester Reifenhändler“ sieben Händler auf und mache mich auf den Weg, um einige Angebote einzuholen. Insgeheim hoffe ich, dass ich bei den Reifenhändlern höflicher empfangen und etwas besser beraten werde, als bei meinen früheren Werkstatt- und Autohausbesuchen im Rahmen der Mystery Shopping-Recherchen.Mein Testfahrzeug ist ein Mazda Premacy, Baujahr 2003 mit der Reifendimension 185/65 R 14. Als Vorgabe schätze ich meine gefahrenen Kilometer auf etwa 10.000, wobei davon etwa 4.000 Kilometer im Winter gefahren werden.
Meine Fragestellung lautet: „Ich benötige für mein Auto Winterreifen. Nicht zu teuer.“ Im weiteren Gespräch ergeben sich zumeist auch folgende Fragen: „Bieten Sie auch Reifendepot an und wie viel kostet das?“ „Wie lang hält so ein Reifen eigentlich?“, „Wie fährt sich der Reifen, wenn es nass ist?“, „Ich hab gehört jetzt gibt es dieses Reifendruckkontrollsystem. Brauche ich das jetzt auch?“, „Zahlt es sich aus, so ein System nachzurüsten? Was bringt mir das?“, „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Premium-Marke und einem anderen Reifen?“, „Was bedeutet das Reifenlabel?“

Betrieb 1: Die Qual der Auswahl

Herr W. ist etwas angespannt als ich nicht sofort die Reifen-Dimension parat habe, entspannt sich aber wieder und nimmt sich Zeit – viel Zeit. Er erkundigt sich nach meinem Marken-Wunsch und meinen Fahrgewohnheiten und mit welchen Reifenmarken ich bereits Erfahrung gemacht habe. Er bietet mir an, zwei Angebote auszuformulieren, schreibt mir im Endeffekt aber vier Angebote. Er rät mir, keinen Reifen unter „Guter Mittelklasse“ zu kaufen, „da diese nach zwei Jahren immer noch besser sind, als ein abgefahrenes Billig-Produkt“. Zur Haltbarkeit erklärt er mir, dass ein Premium-Reifen ca. 30.000 Kilometer hält.
Zum Thema RDKS meint er: „Vergessen Sie das, das brauchen‘s auch nicht nachzurüsten, das bringt nur demjenigen was, der‘s einbaut“. Laut Zertifikat an der Wand, war er bei einer RDKS-Schulung. Er druckt mir vier übersichtliche Angebote mit diversen Zusatzleistungen aus. Lieber wären mir maximal zwei Angebote.

James Tennant VRÖ:
Viel zu viele Angebote und eine falsche Einstellung zu RDKS.

Angebote Betrieb 1: (Preise pro Rad) abzüglich 5%-Reifenbonus als ÖAMTC-Mitglied:

▶ Goodyear UG 9 86T: 53,44 Euro exkl. Ust.
▶ Uniroyal Plus 77 86T: 42,81 Euro exkl. Ust.
▶ Semperit Master-Grip 2 86T: 48,16 Euro exkl. Ust.
▶ Continental 850 86T: 65,20 Euro exkl. Ust.
▶ Montagepaket: 13,00 Euro exkl. Ust
▶ Reifenfüllung Stickstoff: 2,50 Euro exkl. Ust
▶ Altreifenentsorgung: 2,00 Euro exkl. Ust
▶ Reifengarantie: 1,25 Euro exkl. Ust
▶ Depot: 50 Euro

Betrieb 2: Ein Reifen für das ganze Jahr

Leider sagt man mir bei dieser Firma, dass die Preise für Winterreifen noch nicht festgelegt sind. Der Mitarbeiter rät mir im August oder September wieder zu kommen, da er dann auch schon die meisten Reifen für meine Dimension lagernd hätte. Damit will er die Beratung  – im Gegensatz zu mir – anscheinend beenden.

James Tennant VRÖ:
Bei potentiellen Neukunden ein absolutes No-go. Preise gibt es zu jeder Jahreszeit.
Zum Thema RDKS ist seine Reaktion lobenswert.

Auf meine Frage, welche Marke er mir empfehlen könnte, rät er mir zu Semperit und Fulda, da diese vom Preis-/Leistungsverhältnis passen würden. Dabei erkundigt er sich, „ob ich im Sommer auch damit durchfahren möchte“. Zur Haltbarkeit der angebotenen Reifen gibt er mir den Richtwert von 30.000 Kilometern an, „sofern ich sie regelmäßig vorne und hinten tausche, um sie regelmäßig abzufahren“.
Bei der Frage nach einem Reifendepot überschlägt er die Summe kurz und bietet mir einen Preis von 100 Euro an, mit Wuchten, Montage und Lagerung.
Bei der Frage nach RDKS beruhigt er mich und sagt, dass ich dieses System weder habe noch nachrüsten muss. Dabei übergibt er mir den VRÖ-Informations-Folder. Anhand eines Anschauungsbeispiels erklärt er mir sehr ausführlich beide Systeme und deren Verwendung und bedauert den hohen Preis der Systeme für den Endkunden. Schließlich liefert er mir doch einen Schätzwert für die Winterreifen und weist auf das gute Preis-/Leistungsverhältnis von Semperit und Fulda hin und bemängelte die sehr schlechte Qualität von chinesischen Reifen.

Angebot Betrieb 2 (Schätzwert pro Rad):

▶ Semperit, Fulda: etwa 60 Euro inkl. Ust.
▶ Depot inklusive Wuchten und Montage: etwa 100 Euro inkl. Ust.

Betrieb 3: Die Rumkugler

In der Filiale werde ich gleich von einem freundlichen Mitarbeiter übernommen. Der Herr erklärt mir, dass die Preise zum jetzigen Zeitpunkt „noch teurer sind als im Winter, weil die Reifen erst produziert werden.“ Aber er schaue, ob er noch welche „rumkugeln“ habe. Nach einem Blick ins Computersystem weist er mich darauf hin, dass er in der Zentrale welche bestellen könne, von den Marken
Michelin, Vredestein und Goodyear. Zu meinem Fahrverhalten stellt er mir keine Fragen. Als Top-Reifen empfiehlt er mir einen nicht näher definierten Reifen von Goodyear, als guten Mittelweg die Marke Vredestein mit etwas schlechterer Effizienz und schlechterer Nasshaftung. Zusätzlich betont er, dass Michelin seiner Erfahrung nach lange halte.
Beim Thema RDKS erklärt er nachdrücklich: „Das ist reine Geschäftemacherei und ein Schwachsinn – ich persönlich bin streng dagegen!“ Er gibt mir im Endeffekt ein handschriftliches Angebot mit dem Hinweis, dass der Preis bis zum Winter eventuell noch günstiger werden könne.

James Tennant VRÖ:
Fast jede Marke erhöht die Preise. RDKS-Schulung notwendig!

Angebot Betrieb 3 (Preise pro Rad):

▶ Michelin A3 Alpin: 89,90 Euro exkl. Ust.
▶ Montage pro Rad: 13,50 Euro exkl. Ust.
▶ Depot: 35,00 Euro exkl. Ust.

Betrieb 4: Das „Extra-Sonderdings“

Die Firma am Stadtrand erscheint mir als sehr gepflegte Filiale mit großem Showroom, ich bin beeindruckt. Ein netter Mitarbeiter verlangt nach meinem Zulassungsschein und vertieft sich damit in der Lagersoftware seines Rechners. Er empfiehlt mir zuerst einen Semperit- und schwenkt aber dann um zu einem Bridgestone-Reifen, da er diesen lagernd hat. Allerdings betont er auch, „dass Sie besser im Winter wiederkommen, da die Reifen dann vom Produktionsdatum jünger sind“.

James Tennant VRÖ:
Das ist Schwachsinn und gegen jede Logik.

RDKS beschreibt er mir als „Extra-Sonderding, das für Neufahrzeuge ab 2015 inzwischen Pflicht geworden ist. Für Ihren Premacy ist es aber nicht notwendig“, meint er. „RDKS bietet eine bessere Kontrolle über den Reifen, da der Reifen bei Druckverlust weicher wird und mehr Kraftstoff verbraucht“, fährt er fort. „Damit können Sie Kraftstoff sparen und verringern die Emissionen, aber inwiefern das wirklich sinnvoll ist, weiß ich nicht“. 
Auf dem übersichtlich ausgedrucktem Angebot findet sich auch das Reifenlabel speziell für diesen Reifen abgebildet. Auf Nachfrage, was die Bewertung F und C bedeute, erklärt er mir etwas unwillig, dass der Reifen beim Kraftstoffverbrauch „ziemlich schlecht“ und bei Nässe „ganz ok ist“. „Aber wenn man sich fünf verschiedene Tests anschaut, kommen fünf verschiedene Werte raus. Das braucht man so gut wie nicht zu beachten.“ Er empfiehlt mir, eher drauf zu schauen, dass der Reifen gut und sicher bremst, auf Nässe hält und vielleicht etwas langlebiger ist und nicht nach 15.000 Kilometer getauscht werden muss.

Angebot Betrieb 4 (Preise pro Rad):

▶ Bridgestone Bridgest LM-30: 61,00 Euro exkl. Ust.
▶ Montage, Wuchten, Altreifenentsorgung pro Rad: 22,40 Euro exkl. Ust.
▶ Depot: 47,00 Euro exkl. Ust.

Betrieb 5: Das premium Service

Herr K. begegnet mir äußerst zuvorkommend. Bereitwillig beantwortet er mir alle Fragen mit einem freundlichen Lächeln. „Grundsätzlich kann ich Ihnen alle Premiummarken aber auch günstigere Alternativen anbieten. Wir führen nur keine Lowbudget-Produkte“, fügt er ernst hinzu. Angesprochen auf den Unterschied zwischen Low-Budget und Premium erklärt er, dass letztere auf neuester Technologie beruhen, eine 20 bis 30 Prozent längere Haltbarkeit hätten, und besser beim Bremsen und auf Schnee sind.

James Tennant VRÖ:
Es liegt im Auge des Betrachters wo Premium aufhört und Lowbudget beginnt

Trotzdem merkt er an, dass man diese Eigenschaften im urbanen Bereich „aber nicht unbedingt braucht“. Die Frage, ob ich mein Fahrzeug mit einem RDKS-System bestücken müsse, verneint er, ohne seine persönliche Meinung zu den Systemen zu äußern. Auf dem Angebot war das Reifenlabel selbst nicht abgebildet, allerdings jeweils die Buchstabencodes für Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräuschemission. Nachdem er sich genau nach dem Fahrverhalten erkundigt, schreibt er mir ein übersichtliches Angebot, das er nach dem Ausdrucken auch nochmals Posten für Posten mit mir durchgeht. Auch weist er mich darauf hin, dass die Preise gegen Winter noch günstiger werden könnten.

AngebotE Betrieb 5 (Preise pro Rad):

▶ Michelin Alpin A3 um 79,18 Euro exkl. Ust.
▶ Semperit Master-Grip 2: 61,48 Euro exkl. Ust. inklusive Radwäsche, Wuchten Montage und Ventile.
▶ Depot: 35,00 Euro exkl. Ust.
▶ Altreifenentsorgung: 4 x 2,50 Euro exkl. Ust.
▶ Reifengarantie: 4 x 2,50 Euro exkl. Ust.
▶ Kundenbindungsaktion: 3 % vom Jahresumsatz als Rückerstattung im Folgejahr.
▶ Depot: erstes halbe Jahr gratis
▶ Unter Vorbehalt: 30 Euro Tankgutschein beim Kauf des Michelin-Reifens.
▶ Leichte Online-Terminbuchung sofern man in der Kundendatei aufgenommen wurde.

Betrieb 6: Das Dimensions-Loch

Auch bei dieser Firma sind die Preise für Winterreifen noch nicht kalkuliert. Ich werde zwischen Tür und Angel auf Oktober vertröstet, obwohl ich um  eine Reifenberatung bitte. Als ich dem Herrn meine Reifendimension nenne, meint er großzügig: „Der Kauf und die Montage sind im Winter überhaupt kein Problem, weil diese Dimension sehr gängig ist. Die Gummis kann ich Ihnen dann sofort bestellen. Wenn Sie in der Früh kommen, hab ich die Reifen binnen weniger Stunden bestellt, erhalten und montiert. Viele Reifen haben wir auch lagernd, jedoch bestellen wir von Ihrer Dimension nicht viele, weil diese nicht mehr gängig sind“. Da er in Eile zu sein scheint, lasse ich von weiteren Fragen ab.

James Tennant VRÖ:
Da war wer nicht bei der Sache ...

Angebot Betrieb 5 (Schätzwert pro Rad):

▶ Fulda 60,00 - 65,00 Euro inkl. Ust.

Betrieb 7: Restposten im Angebot

Obwohl ich die mittägliche Mitarbeiter-Besprechung störe, erhalte ich einen festen Händedruck und einen sehr netten Empfang. Schnell erkundigt sich die Dame nach meinem Fahrverhalten und kritzelt mir auf ein Zetterl ein Angebot für einen lagernden Reifen aus dem Hause Goodyear Dunlop. Sie will mir einen speziellen Abverkaufspreis machen. Der Grund: Ein Kunde sei ihr abgesprungen. Bezüglich RDKS verhält sie sich neutral und klärt mich über das Wesentlichste auf.

James Tennant VRÖ:
Hier war jemand einfach auf einen schnellen Deal aus.

AngebotE Betrieb 5 (Schätzwert pro Rad):

▶ Fulda Kristall Montera 3 inkl. Montage: 65,00 exkl. Ust.
▶ Depot: 32,00 Euro exkl. Ust.

Infos zur Testperson

Zilla Goldfarb führte das Mystery Shopping in sieben Betrieben durch. Sie ist 37 Jahre alt und fährt einen Mazda Premacy, Baujahr 2003 mit der Reifendimension 185/65 R 14.

Fazit: „Viele der Betriebe haben mit Freundlichkeit gepunktet. Die Kompetenz in Sachen RDKS war ausreichend. Das System sollte jedoch nicht vor dem Kunden abgewertet werden. Kaufen werde ich bei Betrieb 5 den Michelin Alpin A3. Da hat einfach alles gepasst."