Test Ducati Monster 797 – Die dezente Hybris

Test
11.10.2017

Von: Philipp Bednar
Ducatis neuer Einstieg in die Monster-Familie ist bei seinen Wurzeln angekommen: 90-Grad-Zweizylinder mit Luftkühlung und Zweiventiltechnik. Der Preis ist mit 10.490 Euro eine selbstbewusste Ansage. Kann die Italienerin punkten oder sieht sie gegen die Konkurrenz kein Land? Der Test war eine Zerreißprobe. 

Ergonomie

Da ich direkt von der Ducati Supersport 939 auf die Monster 797 umgesattelt bin, war das erste Aufsitzen mit Überraschungen verbunden: Der Lenker ist breit und hoch. Vorbei die Zeiten, als dich die Duc Monster vergleichsweise niedrig über den Tank gespannt hat. Nahe am Lenker sitzt man ähnlich aufrecht mit dem Oberkörper wie auf der Yamaha MT-09. Der Knieschluss ist typisch Ducati: perfekt. Die Sitzhöhe von 805 mm fühlt sich dank des schmalen Tanks geringer an, man hat einen satten Stand, auch ohne durchgestreckte Beine. Die Fußrasten sind angenehm positioniert, der Kniewinkel ist entspannt. Aber an den breiten, gerade Lenker muss ich mich erst gewöhnen. Typisch Monster: Richtet man den Blick leicht nach unten, sieht man den nun wieder etwas größeren, volldigitalen Tacho aber nichts vom Vorderrad, obwohl der Scheinwerfer extrem flach baut. Durch die stark vorderradorientierte aber trotzdem aufrechte Sitzposition kommt ein gewisses Einradfeeling in mir auf, welches sich auch nach den ersten Kurven bestätigen sollte. Die serienmäßige Test-Monster hat exakt 200 kg auf die Waage gebraucht. Die Gewichtsverteilung liegt bei 96 kg am Vorderrad und 104 kg am Hinterrad. Windschild hat sie keines, trotzdem war der Windschutz (für ein Nakedbike) auf der Autobahn in Ordnung.

Handling

In der ersten Ecke bin fast innen über den Randschein gebolzt. Himmel ist das kippelig! Der überdirekte Kontakt zum Vorderrad und der breite Lenker lassen die kleine Monster vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten hyperagil wirken. Erst bei etwas höheren Geschwindigkeiten (ab ca. 40 km/h) wird das Einlenkverhalten neutraler und berechenbarer. Etwas, was ich von der Vorgängerin so nicht kannte. Mich erinnert das Einlenkverhalten sehr an die erste Generation der Ducati Hypermotard. Das ist aber nur bedingt ein Kompliment, weil diese extreme Leichtfüßigkeit bei einigen Hyper-Fahrern zum Abstieg übers Vorderrad geführt hat. Natürlich ist die Monster alles andere als „gefährlich“, aber verunsicherte, passive Fahranfänger könnten in Spitzkehren Schweißperlen auf der Stirn haben. Keine Sorge, der Pirelli Diablo Rosso II-Reifen hat genug Haftung, aber man merkt, dass der Monster 797 die schnelleren Radien mehr liegen. Ab ca. 40 km/h schwingt die rote Italienerin stabil und mit angenehm viel Feedback durch die Kurven. Richtungswechsel gehen dank des breiten Lenkers leicht von der Hand, ein Highspeedpendeln kennt sie gar nicht. Und selbst in Schräglage sind Linienkorrekturen noch möglich, auch auf der Bremse. Wäre das Handling in langsamen Ecken nicht so kippelig, würde ich die Monster als sportlich, stabiles Gerät beschreiben.

Motor/Getriebe

Reden wir Tacheles: Zweizylinder, 803 Kubik, 73 PS, 67 Nm. Hmmm. Die nackten Zahlen hauen mich nicht vom Hocker. Das Triebwerk kennt man übrigens aus der Ducati Scrambler. Im Fahrbetrieb kommt trotzdem Laune auf. Einerseits klingt der Motor trotz Euro 4 wie eine richtige Ducati (im Originalzustand halt). Anderseits spürt man, dass die Ingenieure ihre Hausaufgaben gemacht haben, denn die Laufruhe bei niedrigen Drehzahlen ist überraschend gut. War nicht immer so bei den Ducs. Kettenpeitschen und Ruckeln kennt die Monster nicht. Die Gasannahme (keine verschiedenen Kennfelder, keine Traktionskontrolle) ist unauffällig. Grundsätzlich gibt sich der Motor als dezent spritzig. Überraschend: Obwohl Zweiventiler, kommt oben raus sogar noch ein leichter Leistungskick. Die 73 PS und die 67 Nm sind aber trotzdem keine brutale Abrissbirne, sondern eine grundsolide, Spaß bringende Landstraßenmotorisierung. Subjektiv hätte ich auf rund 80 PS getippt, das Drehmoment ist vor allem in der Mitte präsent. Mit ein paar Tagen abstand finde ich jedoch meine Notiz: „Motor unspektakulär“. Das Getriebe war komplett unauffällig, die Abstufung finde ich aber für den Alltag sehr gelungen. Der 6. Gang ist kurz genug, um noch Beschleunigung zu spüren, aber lang genug, um auf der Autobahn vergleichsweise niedrige, Sprit sparende Drehzahlen zu fahren. Die Seilzugkupplung ist präzise und sehr gut dosierbar. Und die APTC-Kupplung im Ölbad verhindert das Hinterradstempeln zuverlässig.

Fahrwerk

Ernüchterung die Zweite: Die 43-mm-Kayaba-USD-Gabel ist nicht verstellbar, das Sachs-Federbein dafür in der Zugstufe und Federvorspannung. Aber ganz ehrlich: Bei einem über 10.000-Euro-Bike ist mir das zu wenig. Da dürfte die Gabel schon etwas mehr können. Das ändert aber nichts daran, dass das Setup für die Landstraße gut gelungen ist. Selbst bei harten Bremseinsätzen taucht die Gabel nicht unterdämpft ab oder geht gar auf Block. Vorbei die Zeiten, als die Ducs vorne butterweich und hinten überdämpft waren. Die Monster gibt sich ausbalanciert und drückt sich vorne wie hinten gleichermaßen in die Federwege. Kurze, harte Schläge kommen spürbar im Lenker an, die Monster hält aber die Linie. Ein Aufschaukeln bei mehreren Unebenheiten hintereinander oder bei rasanterer Gangart ist kaum zu spüren. Was bleibt? Der Eindruck, dass trotz des vergleichsweise einfachen Fahrwerks, die Performance stimmt. Hätte ich so nicht erwartet.

Bremsen

Und hier bekommt die Konkurrenz ihre Klatsche: Die Monster kommt mit Brembo M4.32 Monoblock-Bremssättel an der Front, die sich in riesige 320-mm-Bremsscheiben verbeißen. Das ist feinste Brems-Hardware. Lediglich die axiale Bremspumpe trübt den Gesamteindruck dann doch wieder ein wenig, aber in Summe ist die Bremse richtig gut. Das Feedback am Bremshebel ist angenehm direkt aber nicht superbissig. Der erste Bremsbiss ist etwas zahm, wird aber bei steigendem Druck immer transparenter. Das ABS setzt spürbar ein, aber für mich – wie so oft – ausreichend spät und nicht zu hektisch. Die Hinterradbremse ist top: perfekt zu dosieren und mit überraschend starker Bremswirkung. Wer einen runden Fahrstil des „Laufenlassens“ pflegt, wird vermutlich nur mit der Hinterradbremse sein Auslangen finden. Also ganz eindeutig: Die Bremsanlage ist über jeden Zweifel erhaben. Klasse.

Aufgefallen

Optisch appetitliche Spiegel, die sogar bei höheren Geschwindigkeiten etwas erkennen lassen. Das gute Licht des Scheinwerfers. Wie lange man auch im Stand bei der Ampel auf dem Motorrad kinderleicht balancieren kann. Die sehr bequeme Sitzbank – also hätte man einen Sitzabdruck von mir genommen und daraus einen Sattel geschnitzt. Der kultivierte Motor. Rechts baut der Motorblock vergleichsweise weit, ich bin ständig mit den Stiefeln leicht angestanden. Und der rechte Oberschenkel wird von der Abwärme der merkwürdigen Krümmerführung in der Stadt förmlich gegrillt.

Durchgefallen

Die Verarbeitungsdetails: Die Fußrastenanlage ist superbillig gefertigt, der Tankschriftzug scheint nicht überlackiert zu sein. Nach dem Regen ist eine rost-bräunliche Suppe vom Heck über den Kennzeichenhalter gelaufen, obwohl die Duc praktisch fabrikneu (ca. 800 km) war. Und die ultraeinfachen Kettenspanner sind auch keine Augenweide. Die Einarmschwinge musste einem konventionellen Zweiarmmodell weichen – sehr, sehr schade.

Testurteil:, by p.bednar

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