Test Kawasaki Z650 - Die Finesse der Ausgewogenheit

Fahrbericht
16.06.2017

Von: Philipp Bednar
Kawasaki hat die ER-6n in Pension geschickt und bietet mit der neuen Z650 ein echt lässiges Update an. Optisch deutlich nachgeschärft – die braven Rundungen sind aggressiveren Kanten gewichen – ist die Z650 vor allem als direkte Konkurrenz zur Yamaha MT-07 und Suzuki SV 650 zu sehen. Gleiches Antriebskonzept, ähnlicher Preis, vergleichbare Ausstattung. Der erste Eindruck hat mich dann aber doch überrascht.
Copyright: Erich Reismann
Copyright: Erich Reismann

Ergonomie

Mit einer Höhe von nur 790 mm sitzt man tief im Sattel der Kawasaki Z650. Kleinere Fahrer und Damen werden sich freuen. Der Lenker ist angenehm breit und genau dort positioniert, wo man ihn für eine dezent fahraktive Körperhaltung braucht. Die gummierten Fußrasten samt Hebelei sitzen gefühlt etwas tiefer und erlauben trotz der niedrigen Sitzhöhe einen sehr entspannten Kniewinkel. Die zweiteilige Sitzbank ist bequem gepolstert und angenehm schmal um den Schritt, was den Knieschluss positiv beeinflusst. Das Soziuskissen bietet beim Zusammenfalten genug Abstützung für den Allerwertesten. Das Gewicht fahrfertig, vollgetankt von unserem Testmotorrad lag bei genau 176,8 Kilogramm. Das ist - vermutlich dank der Auspuffanlage - sogar leicht unter der Werksangabe.

Handling

Wer kauft eine Z650? Keine Golf GTI-Fahrer sondern die TDI 110-PS-Fraktion. Dementsprechend narrensicher ist das Handling der Z650 ausgefallen, welches ein Musterbeispiel an Ausgewogenheit ist. Stets um Neutralität bemüht, lenkt die Kawa leicht aber nicht nervös ein. Einmal in Schräglage, lässt sich die Linie – nicht zuletzt dank des schmalen 160er-Hinterreifens – noch immer nach belieben korrigieren. Selbst das Umlegen auf der Bremse funktioniert tadellos. Trotz des einfachen Fahrwerks vermittelt das Handling sehr, sehr viel Vertrauen und pumpt das Selbstvertrauen des Piloten von Kurve zu Kurve auf. Bereits nach wenigen Kilometern weiß man intuitiv, wie die Z650 fährt und kann sie spielerisch durch die Radien treiben. Das macht richtig Laune.

Motor/Getriebe

Der 649-Kubik-Paralleltwin wird von Kawasaki mit 68 PS und 66 Nm angegeben. Gefühlt könnte das hinkommen, wobei der Motor eher ein zahmer Zeitgenosse ist. Stets sehr direkt am Gas, aber nie explosiv oder aggressiv. Das ist einerseits wunderbar, weil man – gepaart mit dem gelobten Handling – rasch äußerst zügig unterwegs ist, aber es kommt jetzt auch zu keinem Euphorieausbruch. So perfekt linear der Motor hochdreht, so unspektakulär fühlt er sich dabei an. Das ist für die Emotionen semioptimal, macht aber flott im Winkelwerk. Das Getriebe flutscht unauffällig tadellos durch die Gänge, die Schaltwege sind kurz, die Anschlüsse stimmen. Bei unserem Testmotorrad war eine komplette Akrapovic-Auspuffanlage verbaut. Optisch ein Leckerbissen – die Verarbeitung ist bombastisch - akustisch aber eher zurückhaltend. Ja, punktuell tönt der Auspuff dumpf, aber in Summe wäre er mir persönlich zu brav. Außerdem glaube ich nicht, dass sich viele Z650-Fahrer bei einem Bikepreis von 7199 Euro um 1296,70 Euro eine Komplettauspuffanlage gönnen werden. Aus optischen Gründen ja, in Sachen Sound gibt’s sicher auffälligere Brüller. Anmerkung: Im Rahmen des Performance-Pakets gibt es die komplette Auspuffanlage, eine Sitzbankanbdeckung, ein Windschild, die Sturzpads und die Gelaufkleber um 1450 Euro.

Fahrwerk

Typisch für die rund 7000-Euro-Klasse kommt eine konventionelle, nicht verstellbare 41-mm-Teleskopgabel an der Front und ein in der Federbasis einstellbares Mono-Federbein im Heck zum Einsatz. Beim Aufsatteln (ich wiege mit Montur ca. 90 kg) geht die Z650 gleich um gefühlte drei Zentimeter in die Knie. Ja, dass Fahrwerk fühlt sich ziemlich weich an. Vermutlich ein Kompromiss, um auch die erwähnten Damen und kleineren, leichteren Piloten zu bedienen. Außerdem war es im Testzeitraum mit 28 Grad vergleichsweise heiß, womit das Fahrwerk mehr nachgab. Nach wenigen Kilometern die Überraschung: Nach dem ersten Einsacken gibt sich das Fahrwerk noch immer weich und komfortabel, bietet aber deutlich mehr Rückmeldung als ich vermutet habe. Hartes Anbremsen, die Gabel taucht tief ein, bleibt aber stabil und das Einlenken ist präzise. Selbst sehr schnelle Ecken werden ohne allzu störende Pumpbewegungen gemeistert. Nein, Supersport-Niveau ist es keines, aber für die vergleichsweise einfachen Komponenten funktionieren die Dämpfer recht anständig. Trotzdem ist auch hier – wie bei allen Bikes dieser Klasse – ein Tuningspotenzial vorhanden. Aber die Progression - vor allem der Gabel - ist gut gelungen.

Bremsen

Vorne beißt die Kawasaki Z650 mit axial verschraubten Doppelbremszangen auf halbschwimmende 300-mm-Wavebremsscheiben. Die axiale Bremspumpe ist hübsch gemacht, über den verstellbaren Bremshebel gibt es viel Feedback. Um die volle Bremsleistung zu spüren, muss man schon etwas fester am Hebel ziehen, aber dann packen die Beläge stramm zu. Das ABS regelt spürbar, eher etwas früh, aber für die Klasse absolut ohne Tadel. Die Hinterradbremse ist gut dosierbar und eher unauffällig. Würde die Gabel beim Anbremsen nicht so tief abtauchen, wäre sogar noch mehr Feedback und Performance drinnen gewesen.

Aufgefallen

Die hochwertige Verarbeitung. Schöne Abdeckungen und Detaillösungen finden sich am ganzen Motorrad. War nicht immer so bei den Kawas, hier hat sich wirklich etwas getan. Der volldigitale Tacho mit seiner dunklen Anzeige ist am Tag wie auch bei Nacht sehr gut ablesbar und mal etwas anderes. Weiters: Wie gut der Windschutz trotz der Minischeibe ist und wie verhalten der Akrapovic tönt. Die Rückspiegel bieten eine tolle, vibrationsfreie Sicht nach hinten und schauen sogar gut aus. Geht doch.

Durchgefallen

Tja, ganz ehrlich: Mir wäre nichts so negativ aufgefallen, dass es hier Platz finden würde. Die Gummibremsschläuche sind klassentypisch. Der Motor könnte vielleicht einen Tick wilder oder spritziger ausfallen oder das weiche Fahrwerk vielleicht straffer sein, aber in Summe passt dann doch wieder alles zusammen.

Testurteil: Kawasaki Z650, by p.bednar

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