Test Suzuki Katana - 1980er Reloaded

Test
09.08.2019

Von: Philipp Bednar
Die Neuauflage der Suzuki Katana hat im letzten Winter für viel Aufregung gesorgt. Nun ist das Retrobike endlich da. Was soll ich sagen: optisch ziemlich von Vorgestern, fahrtechnisch jedoch äußerst lässig. Ein gespaltener Testbericht.

Ergonomie

Man kann den japanischen Designern nicht vorwerfen, sie hätten sich die Katana von 1981 nicht genau angesehen. Die Front und die Seitenlinie der Neuauflage schaut ganz schwer nach 1980er aus. Viel mehr Achtzigerjahrebike geht gar nicht mehr. Silber und Schwarz sind die dominierenden Farben, dazu der simple, knallrote Suzuki-Schriftzug auf dem Tank. Bäm! Ich sags ehrlich: mit gefält es gar nicht. Aber: Die Suzuki Katana zieht die Blicke im Stadtverkehr auf sich, als wäre sie rosa-neongelbes Einhorn - unfassbar. Die Frage ist: Denken sich die Passanten: "Hey, schickes Bike." oder "Himmel, wie alt ist die Kiste bitte?" Ich werde es nie erfahren. Denn selbst die Mimik der Betrachter lässt nicht darauf schließen, was in ihren Köpfen vorgehen mag. Egal, Suzuki hat sich getraut ein geschichtsträchtiges Eisen neu aufzulegen und dafür zolle ich Respekt. Dass mir die Kiste nicht gefällt, ist mein Problem. Damit genug zum Design, schauen wir uns die Funktionalität an. Aufsitzen, aha. Die Verwandtschaft zur GSX-S1000 ist nicht zu leugnen. Ich glaube ja, dass nur das Bodywork etwas anders ist und der Tacho. Autsch, dieser Tacho. Schön groß geraten, aber die Beleuchtung hat diesen Blau-Türkis-Stich wie die Stereoanlagen der 1990er bzw. die Digitaluhren im Cockpit japanischer Billigautos. Was zum Teufel ist da passiert? Warum hat man nicht einfach ein modernes Display verbaut, statt dieses Drumm aus längst vergangenen Tagen? Also wirklich, geht gar nicht. So, jetzt reiß ich mich wieder zusammen. Aber: Das Display ist nicht mal besonders gut ablesbar, weil vergleichsweise viel Information verlgeichweise klein dargestellt wird. Hm, ein Jammer. Augen zu und durch. Ah, dafür sitzt es sich sehr bequem. Der Lenker ist gefühlt höher als bei der GSX-S1000, die Sitzposition etwas gerader, jedoch kaum inaktiver. Der konivizierte Lenker liegt gut in der Hand, Kröpfung und Breite passen. Der Kniewinkel ist dezent sportlich aber nicht unbequem. Der Sattel (Sitzhöhe 825 mm) ist ebenfslls bequem, die Stufe zum Sozius könnte etwas weiter vorne sein, so kann man sich beim Durchbeschleunigen nur wenig abstützen. Praktisch: Zwischen den Beinen ist der Sattel etwas den Tank hochgezogen - damit stößt man sich sein Gemächt gut gepolstert an. Überraschend: Der gute Windschutz der Mini-Halbschale. Im Vergleich zur GSX-S1000 gibt es den nämlich, auch bei höherem Autobahntempo. Insofern: Kein klassisches Nakedbike für Stiernackenfahrer. Der Tank fällt mir nur 12 Liter extrem klein, die Reichweite ist stark eingegrenzt. 

Handling

So wenig mich die Optik der Suzuki Katana anspricht, so easy und präzise lässt sie sich pilotieren. Das ist ein hochmodernes, fein ausbalanciertes Power-Nakedbike erster Güter. Extrem neutral lenkt die Suzuki ein, kennt kein Kippeln oder Trägheit, sondern fällt 100 Prozent berechenbar mit normalem Kraftaufwand in die Kurve. Und bleibt dort im gewünschten Schräglagenwinkel so lange es der Reiter möchte. Wow. Mir kommt das Handling - im direkten Vergleich zur Schwaster GSX-S1000 - sogar ausgewogener vor. Das kann wohl nur an der leicht anderen Sitzgeometrie und den Reifen (Metzler Sportec M7 RR) liegen. Egal warum, die Katana liegt sehr stabil auf der Straße und lässt sich narrensicher von einer Kurve in die nächste werfen. Die Rückmeldung vom Vorderrad ist gut, ebenso vom Heck. Wobei die Front etwas mehr Performance bietet, als das Heck. (siehe Fahrwerk) In Summe überzeugt die Suzuki Katana im Winkelwerk absolut. Nach 215 Kilogramm Leergewicht fühlt sich die Suzuki in Bewegung nicht an. Im Stand spürt man ihr Gewicht eher. Der geringe Lenkeinschlag macht Reversieren unnötig zäh.

Motor / Getriebe 

Geiler Motor. Damit wäre eigentlich alles gesagt, aber ich schmücke etwas aus: Der Reihenvierzylinder mit 999 Kubik leistet maximal 150 PS und 108 Newtonmeter. Die Werte drücken aber leider nicht aus, wie großartig der Antrieb für die Landstraße ist. Bereits ab 2500 Touren hängt der Suzuki-Motor präzise, direkt am Gas und hat bereits etwas Punch. Beeindruckend ist die Drehzahlmitte, die sehr weich und trotzdem bärenstark mit viel Drehmoment anschiebt. Wow. Da braucht man gar nicht so viel schalten. Obenraus, jenseits der rund 8000-9000 Umdrehungen, setzt ein Orkan ein, der die Suzuki Katana vorwärts reißt, dass einem einer Abgehen könnte. Wahnsinn. So viel Laufruhe, so viel Top-End-Power und so eine breite, geile Drehzahlmitte. Respekt. Da hat Suzuki einen Topmotor gebaut. Sehr sympathisch: Es gibt eine vierstufige Traktionskontrolle, aber nur ein Motor-Mapping. Das reicht auch, denn so wie dieser Motor abgestimmt ist, wüsste ich nicht, was man da noch verbessern, verändert oder gar kritisieren möchte. Das Getriebe hat etwas untypisch für Suzuki ein paar mal eher unpräzise den Gang eingelegt, im Test sind beim harten Durchbeschleunigen der zweite und dritte Gang mehrmals rausgesprungen. Es lohnt sich im Katana-Sattel die Gänge daher mit etwas mehr Nachdruck einzulegen. Einen Quickshifter gibt es nicht. Schade, denn der hätte gut zum Motor gepasst. Übrigens: Dank der superben Motorabstimmung ist die Katana ein traumhaftes Wheeliebike. Testverbrauch: 6,8 Liter.

Fahrwerk

Suzuki hat nicht den Fehler gemacht und beim Fahrwerk gespart. Ganz im Gegenteil, es ist das supersportliche Fahrwerk der GSX-S1000 verbaut: vollverstelbare 43-mm-Gabel und das Federbein ist in 7-stufig in der Vorspannung und stufenlos in der Zugstufe einstellbar. Und das funktioniert für bis zur sehr motivierten Landstraßenglüherei ausgezeichnet. Die Gabel bietet viel Feedback, arbeitet sauber, spricht schön an und bringt keine nennenswerte Unruhe in die Front. Selbst bei harten Bremsmanövern klebt das Vorderrad vertrauenserweckend am Asphalt. Echte Sportler-Performance. Die Heckpartie kommt da nicht ganz mit. Das Federbein spricht ebenfalls gut an, ist aber nicht so ausgewogen wie die Gabel. Ganz harte Kompressionen deuten die Grenzen des Federbeins an. Lässt man es brutal über die Landstraße fliegen, pumpt sich im Heck eine leichte Unruhe auf. Das Ergebnis: Obwohl der hintere Reifen definitiv noch genug Grip und Schräglagenreserven hat, fängt das Heck an undeutliche Signale an den Fahrerhintern zu senden. Schwammig wäre übertrieben. Aber während die Front dem Fahrer alles vom Reifen und Asphalt transparent weiterleitet, ist das Heck etwas diffuser. Wer seine Suzuki Katana sehr sportlich bewegen möchte, der sollte zu einem Zubehörfederbein greifen. Wer nicht jede Ecke mit den Fußrasten kratzen möchte, wird mit dem Serienfahrwerk aber definitiv sein Auslangen finden. Die Gabel hat sogar Rennstreckenreserven.

Bremsen

Gleiches gilt für die Bremsanalge der Katana. Brembo-Radialzangen, Nissin-Radialbremspumpe und zwei griffige 310-mm-Bremsscheiben an der Front sorgen für supersportliche Verzögerung. Ein Finger reicht, um die Katana locker in den ABS-Regelbereich zu bremsen. Bis dahin erlebt man eine präzise, kräftige Bremsleistung und klarem Feedback am Bremshebel. Die Dosierbarkeit ist gut. Vorderradbremse: 1A. Fast noch besser ist der hintere Stopper, da dessen Dosierbarkeit superb und die Bremsleistung sehr gut ist. Innerstädtisch geht alles mit der Hinterradbremse. Und wenn man im kurvigen Geläuf eher schwungorientiert ohne harte Bremspunkte fährt, reichen Motor- und Hinterradbremse locker aus, um mit der Katana flott und flüssig durch die Radien zu surfen. Das ABS setzt normal ein und hat sich im Test eher unauffällig solide präsentiert. Es gibt sportlichere Systeme, es gibt konservativere Systeme. Guter Durchschnitt.

Aufgefallen

Die für mich zu altbackene Optik, die starke Orientierung am Original, der großartige Motor, das sportliche Fahrwerk, das tolle, neutrale Handling, die guten Bremsen, der überraschend gute Windschutz.

Durchgefallen

Gummibremsschläuche (noch immer), der hässliche Tacho und der viel zu kleine Tank. Reichweiten unter 200 km sind bei sportlicher Fahrweise keine Seltenheit. 

Testurteil Suzuki GSX-S1000S Katana , by p.bednar

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