Test Suzuki V-Strom 650 - Ein bisschen alles

Test
31.05.2017

Von: Philipp Bednar
Die Suzuki V-Strom 650 ist ein äußert beliebtes Motorrad. Nicht zu hoch, nicht zu schwer, nicht zu teuer, nicht zu stark. Klingt super. Darum habe ich mir den gelben Sport Adventure Tourer - wie sie die Japaner klassifizieren - geschnappt und ins sanft behügelte Weinviertel entführt. Schnell wird mir klar: Sie ist kein Brenner, sie ist keine Sänfte, sie ist keine Enduro. Sie ist eine bunte Mischung, von allem etwas und sehr kompromissbereit. Und vielleicht sogar zu kompromissbereit, denn am Ende stellt sich die Frage: Was ist sie denn nun wirklich? 

Ergonomie

Die kleine V-Strom schaut nicht nur gemütlich aus, sie ist es auch. Beim Draufsitzen fällt auf, dass man etwas weiter als gedacht zum schmalen, hohen Lenker nach vorne greifen muss. Der Sattel ist perfekt geformt - nicht zu weich, nicht zu hart und mit einer Abstufung zum Sozius, die beim Andrücken schön Halt gibt. Trotz meiner 1,85 Meter und eher langen Storchenhaxen, komme ich gerade so auf den Boden mit den Sohlen (Sitzhöhe 830 mm). Die Fußrasten sind genau dort, wo man sie erwartet. Fahren im Stand geht dank des hohen Lenkers problemlos. Schalt- und Bremshebel sind dafür ideal positioniert. Der Knieschluss stimmt auch. Bequem und entspannt geht die Reise los.

Handling

Handlich lässt sich die 650er V-Strom durch die Radien zirkeln, trotzdem vermisse ich etwas Feedback vom Vorderrad, da es mir schlicht zu weit weg vorkommt. Speziell im Gelände hatte ich gar kein Gefühl für die Front. Auf der Straße - wo auch ich mich wohler fühle - ist es besser, aber in keiner Weise vergleichbar mit Nakedbikes, wo man mittlerweile stark vorderradorientiert sitzt. Hat man sich darauf einmal eingestellt (vielleicht habe ich einfach nur länger gebraucht) fährt die V-Strom unauffällig neutral durch die Landschaft. Ein kleiner Druck um Lenker reicht, um gleichmäßig in die Kurve zu fallen. Selbst in größerer Schräglage sind Linienkorrekturen keine Hexerei. Und auch auf der Bremse lässt sich die kleine V-Strom noch zielführend lenken. Eine Gewisse Leichtfüßigkeit ist omnipräsent. Wer sich traut, kann bei griffigen Asphalt bis zum Schleifen des Auspuffs umlegen. Heftig. So viel Grip hätte ich dem Touring-Reifen nicht zugetraut. 

Motor/Getriebe

Suzuki weiß ganz genau, was einen guten Vauzwo-Motor ausmacht. Insofern ist der DL650-Motor eigentlich in allen Belangen ein Vorzeigeantrieb. Extrem Laufruhig, praktisch keine spürbare Vibrationen, kein Konstantfahrruckeln, sanfte Lastwechsel und ein perfekt linearer Leistungsanstieg machen den L-Zweizylinder zum idealen Tourenmotor. Lediglich der V2-Sound (Euro 4-bedingt) will nicht so ganz durchdringen. Die 71 PS und 62 Nm werden sicher stimmen, subjektiv fühlt sich der Motor auch genau so stark an wie es das Datenblatt verspricht. Erfreulich: Der Verbrauch war überraschend gering. Das Getriebe lässt sich perfekt schalten. Die Schaltwege sind knackig kurz, lediglich vom ersten in den zweiten Gang ist der Weg etwas länger und mitunter landet man im Leerlauf. Der erste Gang könnte für Geländefahrten noch einen Tick kürzer übersetzt sein und der sechste Gang für die Autobahn etwas länger. So aber stimmen die Anschlüsse auf der Straße ganz  gut. Bei 130 km/h segelt man bei genau 6000 Touren im sechsten Gang gemütlich auf der Drehmomentwelle dahin.

Fahrwerk:

Das Vorderrad wird von einer nicht verstellbaren Teleskopgabel mit 150 mm Federweg geführt. Tippt man die Vorderradbremse an, nickt die kleine V-Strom gleich einmal um zwei bis drei Zentimeter ein, bevor die Bremswirkung einsetzt. Das ist leider komplett verschenkter Federweg, ergo könnte die Front durchaus etwas straffer abgestimmt sein. Denn mal ehrlich: Mehr als einen Schotterweg werden fast alle V-Strom-Fahrer kaum befahren. Das Hinterrad wird über ein Hebelsystem angelenkt, das Federbein ist per Handrad in der Vorspannung (für Soziusbetrieb oder Gepäck) stufenlos verstellbar. Sehr praktisch. Sonst ließe sich noch die Zugstufe adjustieren. In Summe ist das Fahrwerk auf der weichen, komfortablen Seite und dementsprechend etwas unpräzise, wenn man scharf durch die Kurven wetzt, da viel Auf- und Abbewegung im Spiel ist. Im Vergleich zur großen Schwester spürt man beim Fahrwerk eindeutig, dass hier der Sparstift angesetzt wurde. Schade eigentlich. Bei höheren Geschwindigkeiten fängt die V-Strom 650 nicht an zu pendeln, der Geradeauslauf ist auch nahe dem Topspeed erwartungsgemäß gut.

Bremsen

310er-Doppelscheiben vorne und hinten eine 260er-Bremsscheibe bringen die V-Strom stets sicher zum Stehen. Die Hinterradbremse ist perfekt zu dosieren. Das ABS greift relativ unmerklich ein. Das Pulsieren am Handbremshebel ist sehr kurz. Das Zupacken der Bremse ist weich und geschmeidig. Der Druckpunkt ist präzise und transparent. Aber wegen der weichen Gabel fährt sich die kleine V-Strom besser auf Zug und rund, also spitz und eckig. Für reine Straßenfahrer könnten die vorderen Bremsbeläge ruhig etwas bissiger sein. Auf unbefestigten Wegen ist der sanfte Biss dagegen ein Segen.

Aufgefallen

Zwei pfiffige und durchdachte Lösungen: Der Bordnetzanschluss (für Navi oder Handy) im perfekt übersichtlichen Cockpit und der Gummi-Stiefelschutz am Rahmen über den Fußrasten. Sehr lässig: Schaltet man die zweistufige Traktionskontrolle aus, bleibt sie auch nach dem Neustart aus. Endlich mal keine Bevormundung durch die Technik – dickes Dankeschön an Suzuki dafür. Meiner Meinung nach ist die Traktionskontrolle dank der superben Gasannahme sowieso überflüssig. Das dreifach höhenverstellbare Windschild (mit Werkzeug) bietet einen guten Wind- und Wetterschutz und der Sattel ist wirklich superbequem.

Durchgefallen

Die Gummibremsschläuche. Anno 2017 darf auch ein 8490 Euro-Bike mit wartungsfreien Stahlschläuchen kommen. Die Rückspiegel bieten viel Sicht nach hinten, selbst bei hohen Geschwindigkeiten, aber müssen die wirklich so hässlich viereckig sein? Erste Station Zubehörhändler und bitte tauschen. Aber nur aus optischen Gründen. Den Lenker kann man auch gleich gegen einen etwas breiteren und flacheren tauschen, dann müsste man auch etwas mehr Gefühl für das Vorderrad bekommen. Die Serienbereifung (Bridgestone Trail Wing) ist für die Straße und trockene Schotterwege gut. Wird es feucht im Gelände, ist das Reifenprofil nach wenigen Metern komplett zugeschlammt. Gripniveau? Null.

Testurteil: , by p.bednar

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