Test Yamaha MT-09 - Die watscht dich her

Autotest
18.05.2017

Von: Philipp Bednar
Wer das Gas der neuen Yamaha MT-09 so richtig aufreißt, bekommt eine ordentliche G’nackwatschen. Ungeschönt, unerwartet und mit ordentlich Nachdruck. Das würde man von einem 115-PS-Bike in dieser Deutlichkeit nicht erwarten. Und ist die erste Watschen einmal verdaut, gibt es gleich die nächste, denn der Quickshifter reißt die Gänge so brachial durch, dass die Beschleunigungsorgie kaum ein Ende finden mag. Aber einmal der Reihe nach:
Die Yamaha MT-09 im APEX-Test

Ergonomie

Die neue Yamaha MT-09 ist auf den ersten Blick eindeutig ein Nakedbike. Beim Aufsatteln überrascht sie: Der Oberkörper ist sehr gerade und nahe am breiten Lenker – etwas supermotohaft, wenn die Sitzbank und der Tank nicht so breit wären. Die Beine hingegen werden recht weit hinten und hoch platziert. Typisch Nakedbike, wenn der Oberkörper dann nicht so gerade wäre. Vorderradorientiert sitzt man auf der harten, flachen Sportsitzbank, die etwas höher als der Originalsitz ausfällt. Leider rutscht man ob der Form beim Aufzünden immer ein Stücken zurück. Schade.

Handling

In langsamen, engen Ecken (beim Abbiegen, in Kehren) kippt das Vorderrad fast unangenehm leicht in die Kurve. Prädikat: sehr kippelig. Muss man mögen. Kann böse überraschen, wenn man es nicht besser weiß. Bekommt die MT-09 Speed, wird sie stabiler und berechenbarer. Noch immer agil am Vorderrad, aber nicht mehr nervös. So geht das in Ordnung. Ab 170 km/h beginnt sie auf der Autobahn leicht zu pendeln. Nie gefährlich, aber spürbar. Ein sanfterer Griff an die weit außen liegenden Lenkerenden schafft deutliche Abhilfe. Das Vorderrad will auch noch im dritten Gang bei hartem Gaseinsatz gen Himmel zeigen. Das macht auch ordentlich Spaß, bis zu dem Moment, wo der Drilling anfängt richtig anzufeuern. Wer jetzt nicht zudreht, dreht sich rückwärts. Solle man wissen, schont das Budget. Aber dafür gibt es ja die zweistufige Traktionskontrolle.

Motor/Getriebe

Ein echter Killer. Der Drilling läuft relativ sanft, hängt – glücklicherweise – nicht mehr ganz so arg unkalkulierbar wie beim Vorgängermodell am Gas, und schiebt ab ca. 5000 Touren extrem kräftig an. Das Datenblatt bescheinigt der MT-09 115 PS, gefühlt sind es 135 wilde, grimmige Nipponhengste. Dazu der ab jetzt serienmäßige Quickshifter, der die Gänge so arg schnell reinballert, dass man sich beim hemmungslosen Aufreißen besser fest am Lenker anhalten sollte. Der Vergleich zum Dragster ist gar nicht so verkehrt. Nach den ersten Vollgasorgien wird mir klar: „Geil, brutal geil.“ Trotzdem braucht es beim Hinterradfahren viel Gefühl in der Gashand, da der Drilling auch abrupt zudreht, wenn der Gaszug auch nur einen Hauch noch vorne bewegt wird. Drei unterschiedliche Gaskennlinien stehen zur Wahl, die Unterschiede sind deutlich spürbar.

Fahrwerk

Die vollverstellbare Gabel und das in Vorspannung und Zugstufe verstellbare Federbein sind einen Tick weicher als ich vermutet habe. Beim Anbremsen taucht die Gabel schnell ein, geht aber selbst bei Vollbremsungen auf gerader Strecke nicht auf Block. Hat man sich an die Bewegungen an der Front gewöhnt, stimmt das Feedback. Vorteil der weichen Gabel: kleine Unebenheiten werden sehr komfortabel geschluckt. Das Federbein ist passend zur Gabel abstimmt. Beim Beschleunigen setzt sie sich nur ganz wenig hinten rein, bevor es dann brachial vorwärts geht. In Verbindung mit den klebrigen Bridgestone-Gummis kann man böse Kurvengeschwindigkeiten fahren. Aber ähnlich wie bei der MT-07, könnte eine nachträgliche Feinjustierung noch etwas Potenzial offenbaren. Warum das Federbein nicht auch in der Druckstufe verstellbar ist, will mir nicht einleuchten.  

Bremsen

Ja ja, bremst eh. Sogar sehr, sehr anständig. Mich schmerzt die axiale Bremspumpe trotzdem. Für den Preis wäre ein Radialpümpchen schon drinnen gewesen. Heißt nicht, dass es besser funktioniert, aber schaut einfach cooler aus. Das ABS setzt für mein Talent spät genug ein. Ich wäre ohne Blockiersystem sicher keinen Tick schneller – schon gar nicht auf der Straße. Ausschalten? Hab ich nicht probiert. Bin feig. Ansonsten gibt es rein gar nichts an der Bremserei auszusetzen. Wer mehr auf der Straße braucht – denn auch das Feedback ist sehr präzise am Hebel – kann mir gerne Bremstechnik-Nachhilfestunden geben. Mir hat’s getaugt – bis auf die Pumpe. Sorry, Yamaha.

Aufgefallen

Wie breit der Tank doch baut. Schaut man runter, sieht man nur einen massiven Tank, ähnlich wie bei der MV Agusta Brutale. Der Knieschluss passt aber, daher nix zu meckern. Der neue Kennzeichenhalter (von der Schwinge weg), mag mir nicht gefallen. Ja, auf den ersten Blick ist das Heck damit supersexy schmal, aber ein kurzer Halter aus dem Zubehör unter dem Rücklicht würde mir besser gefallen. Geschmackssache. Die Gilles-Tooling-Brems- und Kupplungshebel schauen schick aus, liegen aber komisch in der Hand. Kann man sich sparen bzw. andere Modelle wählen.

Durchgefallen

Die optionale Sportsitzbank. Durch die flache, gerade Bauweise rutscht man schnell ein paar Zentimeter beim Andrücken nach hinten. Das stört. Eine leichte Kuhle oder Stufe – wie sie die Originalsitzbank hat – ist schlicht besser. Die Gasannahme ist noch immer etwas überdirekt und mir persönlich einen Tick zu intransparent.

Testurteil, by f.eckl

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