Training auf der Kartbahn – Driften mit dem Motorrad lernen

Motorrad
26.03.2019

Von: Philipp Bednar
Mit 125er-Kinder-Motocrossbikes in einer GoKart-Halle das Motorradfahren lernen? Klingt verrückt, oder? Dachte ich auch, bis ich selbst draufgesessen bin und eines meiner besten Zweiraderlebnisse ever hatte. Oder: Wie man sicher und kinderleicht das Driften mit dem Motorrad lernt. 

Ich gebe zu, ich habe in der Nacht vor dem Hallentraining schlecht geschlafen. Ich war nervös und aufgeregt. Dabei fing alles locker an: Yamaha Motor Austria und der heimische Ex-Rennfahrer Roland Resch haben gemeinsame Sache gemacht und Journalisten zum quietschenden Stelldichein geladen. Der Clou: Die Hallentrainings von Roland gibt es schon länger, seit heuer fahren die Schüler jedoch auf blauen Yamaha-Kinder-Motorcrossbikes statt auf gelben Suzuki-Eisen. Geblieben sind die speziellen Heidenau-Reifen und die Daytona-Karthalle in Langenzersdorf mit ihrem rutschigen Belag. Sportive Motorradfahrer kennen das Training, hat es den Ruf, das kontrollierte Rutschen über beide Räder (= Driften) zu erlernen. Ich persönlich kann mit einem leicht rutschenden Hinterrad ganz gut umgehen, aber ein rutschendes Vorderrad versetzt mich in Angst und Panik. Das erklärt meine kurze, verschwitzte Nacht vor dem Training. Eines vorweg: Die Nervosität war vollkommen unbegründet. 

Keine Leistung, unendlich viel Spaß

Die Yamaha TT-R 125 leistet gerad einmal 10 PS und ist weder sonderlich hoch noch schwer – ein Kindermotorrad eben. Aber immerhin ist sie mit E-Starter, g’scheiten Bremsen und einer Ergonomie ausgestattet, die selbst für Zwei-Meter-Lackeln noch fahrbar ist. Roland erklärt die wichtigsten Faktoren, um was zu lernen und Spaß zu haben: „Burschen, Bewegung ist alles. Wir fahren einen extremen Hang-Off, um mit dem Knie am Boden eine Art Stützrad zu haben – für eine bessere Balance.“ Das bedeutet: Die Hüfte muss mobil sein, der Hintern ist überwiegend neben der Sitzbank, man sitzt mehr auf dem Oberschenkel. Der Oberkörper geht gebückt runter zum Lenker, die Schultern bleiben parallel zum Lenker. Daraus ergibt sich ein ordentlicher Knick in der Hüfte – Roland nennt es Racing-V. Die Ellbogen werden ausgestellt – ähnlich wie beim Motorcrossfahren. Dadurch wird man fahraktiv und kann schneller am Lenker reagieren. „Tipp: Bitte fahrt in der Streckenmitte. Es geht hier um Fahrdynamik und nicht um die schnellste Rundenzeit. Wer zu nahe zur Bande kommt, kann mit dem Knie einfädeln. Und das tut richtig weh“, sagt Roland. 

Quer, quer, quer

Die ersten paar Runden sind gewöhnungsbedürftig. Der Boden ist rutschig, trotzdem haben die dünnen Enduroreifen mehr Grip als erwartet. Die 10 PS der Yamaha-Bikes reichen auf der engen Kartbahn absolut aus. Im Oberkörper fehlt mir die Beweglichkeit, die Banden fliegen beängstigend nahe am Helm vorbei. Nicht Panik, aber Respekt. Nach gut sieben Runden schleift das Knie über den Asphalt. Das gibt Sicherheit, das Selbstvertrauen steigt, die Beweglichkeit im Oberkörper beginnt. Nach ein paar weiteren Runden kommen die ersten Rutscher. Mal von hinten, mal von der Front. Zu schnell in die Ecke rein, das Vorderrad rutscht ein wenig, aber der irr-breite Grenzbereich der Heidenau-Gummis in Verbindung mit dem rutschigen Hallenbelag schaffen Vertrauen. Ich liege nicht auf der Nase, sondern stütze mich intuitiv am Knie ab und rutsche ganz, ganz sanft durch die halbe Kurve. Nächste Ecke, gleiches Spiel. Übernächste Ecke, dito. Seit gut zehn Minuten sitze ich im Sattel und habe mehr Rutscher erlebt, als in der gesamten letzten Testsaison. Aber: kein Sturz, keine Panik, sondern ein breites Grinsen unterm Helm. Roland hat nicht gelogen: der Grenzbereich scheint schier unendlich zu sein. Mit etwas mehr Runden am Buckel fange ich an meinen Körper in der Rutschphase zu benutzten. Plötzlich können Rutscher förmlich kontrolliert werden. Fast nach Belieben. „Das Motorrad zeigt euch schon, was zu tun ist“, hat Roland bei der Einschulung gesagt. Eh klar, der Typ ist Rennfahrer, der spürt alles im Hintern. Aber er hatte recht. Die kleinen Bikes und die schmierigen Gummis zeigen einem ultra transparent, was geht und was nicht geht. Der Grenzbereich ist so groß, dass selbst blöde, grobmotorische Fehler – mit der richtigen Körperbewegung – abgefangen werden können. Am Ende des ersten Turns geht fast jede Kurve im Rutscher. Das größte Zweiradkino, das ich je erlebt habe. Pause. Zufriedenheit. Heldenbrust. Selbstvertrauen bis an die Hallendecke. Sorry, aber das ist einfach nur saugeil!

Sport und Gaudi

Nach dem zweiten Turn komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Noch nie in meinem Motorradleben habe ich so viele fahrdynamische Extremsituation erlebt. Und bin dabei auch stets im Sattel geblieben. Das Heck bricht aus, es ist mir egal. Die Front rutscht, es macht mir sogar Spaß. Ich werfe die kleine Yamaha von einer Ecke in die nächste und fühle mich wie Marc Marquez. Genau so lange, bis Roland komplett quer außen an mir vorbei zieht und dabei noch lässig über die Schulter schaut. Alles klar. Was Roland an Talent und Fähigkeiten besitzt, ist für einen ambitionierten Normalobiker wie mich unerreichbar. Trotzdem kommt kein Neid auf, sondern Respekt. Die zwei Turns haben gezeigt, dass das dreistündige Hallentraining echter Sport ist. Mir schmerzen die Knie, die Kollegen sprechen von bedienten Handgelenken. Ich bin unter dem Ledereinteiler komplett nass. Egal, die Freude überwiegt. Roland gibt die zweite Einschulung. Kniefahren ist in der Halle keine Frage von Geschwindigkeit, sondern rein von der Körperhaltung (siehe Video). Die Blicktechnik ist wichtig, die Mobilität in der Hüfte und im Oberkörper. Zur Demonstration fährt Roland praktisch auf zwei Motorradlänge einen Kreis am Knie, im Rutscher, einhändig und schaut uns dabei an. Tja, es muss Unterschiede geben. 

Im Flow 

Mein dritter Turn wird zum Wendepunkt in meiner Zweiradpassion. Ich fahre über 40 Minuten am Stück, bin komplett in meinem Flow, habe die Außenwelt gänzlich ausgeblendet. Obwohl der Lärmpegel in der Halle hoch ist, höre ich meine Atmung, nehme jeden Rutscher wahr und fühle mich eins mit der Yamaha unter mir. Natürlich passieren Fehler: Verbremser, Verschalter, eckige Linien. Aber der breite Grenzbereich ist gnädig zu mir und spendet mir von Runde zu Runde mehr Selbstvertrauen, anstatt blaue Flecken und Stürze. Zielflagge. Es ist aus, ich bin total erledigt aber auch im Rausch. Tatsächlich bin ich sturzfrei geblieben und habe gefühlt hunderte Rutscher ausgefahren. Meine Erwartungen wurden in allen Belangen übertroffen. Roland erklärt im Abschluss-Briefing, dass fast jeder eine gewisse Eingewöhnungsphase in der Halle braucht. Das glaube ich sofort. Es ist ein etwas anderes Fahren als auf der Straße. Nur mit dem Unterschied, dass man in der Halle mehr lernt, als in einem Jahr auf der Straße - oder sogar auf der Rennstrecke, wie Roland meint. Das dreistündige Training kostet 300 Euro. Wer auf einen 3er-Block upgradet, legt 650 Euro hin. Das klingt im ersten Moment viel, relativiert sich aber ganz schnell, da man die Bikes gestellt bekommt und keine Sturzschäden begleichen muss. Man kann also wirklich komplett sorgenfrei drei Stunden sein persönliches Limit austesten. Und sollte man doch einmal ausrutschen, passiert nicht viel, wie ich bei Kollegen mitbekommen habe.

Vorbereitung

Volle Schutzausrüstung ist Pflicht: Motorradstiefel, Rückenprotektor, am besten ein Lederein- oder zweiteiler sowie Handschuhe und Helm müssen sein. Die drei Stunden auf der Kartbahn sind physisch sehr anstrengend. Ich würde empfehlen, nicht komplett unfit aufzusteigen, da man bereits nach 20 Minuten spürt, dass man sich hier ordentlich bewegt. Außerdem hat man mehr vom Training, wenn einem nicht schon nach 40 Fahrminuten die Kondition und Konzentration verlässt. Mein Tipp 1: Schaut euch die Körperhaltung von Roland bei der Einschulung und auf den verfügbaren Videos genau an. Ich war im Oberkörper - im direkten Vergleich - viel zu steif und unbeweglich. Roland hingegen wirft das Bike von einer Ecke in die nächste mit vollem Körpereinsatz. Das schaut nicht nur spektakulärer aus, es wirkt auch sicherer, da man dadurch die Reifen mehr entlastet und größere Reserven hat. Tipp 2: Selbst wenn man glaubt, dass man gleich mit dem Ellbogen über den Rutschbelag schleift: Nein, da wird sicher noch einiges gehen. Und in der Halle kann man genau diese Grenzen bei relativ geringen Geschwindigkeiten ausloten, austesten und punktuell sogar überschreiten, ohne gleich die Rettung anrufen zu müssen. 

Fazit, by p.bednar

Video: Im Handumdrehen zum Zweirad-Driften

Roland Resch im Interview zum Hallentraining

Mehr Infos zum Hallentraining von Roland Resch

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