"Vom Marktanteil füllt sich kein Kühlschrank"

Hybrid
19.11.2020

Von: Philipp Bednar
Im Exklusivinterview mit der KFZ Wirtschaft spricht Heiko Twellmann, GF von Toyota Austria, über neue Geschäftsmodelle und die wichtige Rolle des Handels. 
Heiko Twellmann, seit 2019 GF von Toyota Austria.
Heiko Twellmann, seit 2019 GF von Toyota Austria.

Trotz Corona konnten wir unter Einhaltung aller Sicherheitsaspekte ein ausführliches Live-Interview mit Heiko Twellmann, GF von Toyota Austria, führen und waren überrascht, mit welchen neuen Ansätzen die japanischen Traditionsmarke sich behaupten möchte.

Herr Twellmann, nach fast 50 Jahren kümmert sich Toyota seit 2019 selbst um den Import seiner Fahrzeuge. Zuvor hat das die Familie Frey als Privatimporteur getan. Die Geschäftsbeziehungen mit der Familie Frey wird per Jahresende komplett eingestellt. Wie kam es dazu? 

Die Familie Frey hat die Marke Toyota sehr erfolgreich und nachhaltig im österreichischen Markt positioniert und sehr gute Arbeit geleistet. Aber nach knapp 50 Jahren haben wir uns gemeinsam dazu entschieden, den Fahrzeugimport selbst zu organisieren. Frey wurde zu unserem größten Handelspartner. Ende März hat Frey die Standorte Amstetten und Wien-Auhof auf eigenen Wunsch geschlossen. Als Ergebnis eines von Frey Automobile ausgearbeiteten Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramms wurden drei weitere Standorte (Wien Arsenal, Salzburg und Wiener Neustadt) per Ende September zugesperrt. Die Fortführung der letzten beiden Standorte Wien-Inzersdorf und Wien-Donaustadt in redimensionierter Form hat keine Zustimmung gefunden, da sie nicht unseren Anforderungen für den Großraum Wien entsprachen. Uns stellt das natürlich vor enorme Herausforderungen, weil die Frey-Gruppe unser größter Handelspartner war und wir daher vor der Frage stehen, wie wir den Absatz kompensieren können. Dafür haben wir nun drei neue Partnerverträge unterschrieben, darunter mit der AVAG-Gruppe mit Standorten in Salzburg und Wien, dem Autohaus Ebner im Süden Wiens und im Bereich Amstetten mit dem Autohaus Öllinger. Durch unsere neuen Partner gehen wir aktuell davon aus, 2021 die Verluste durch den Wegfall der Frey-Gruppe kompensieren zu können. 

Dann lassen wir die Vergangenheit damit ruhen und blicken in die Zukunft. Welche Pläne haben Sie und Toyota am österreichischen Markt mittel- und langfristig? 

Europa ist für Toyota ein wichtiger Markt, wir produzieren Autos für Europa in Europa. Unser Marktanteil in Österreich lag über die letzten Jahre im Bereich zwischen zwei bis 2,5 Prozent. Unser West-Europa-Marktanteilsschnitt liegt bei 5,5 Prozent – damit sind wir auf Platz sechs aller Hersteller. Jetzt ähnelt der österreichische Markt doch dem deutschen etwas, sprich der VW-Konzern und allgemein deutsche Autos sind überproportional beliebt. Wir erstellen rollierende Drei-Jahres-Pläne, die ein deutliches Absatzplus vorsehen. Konkret: Wir sollten in den nächsten drei Jahren auf über 10.000 Einheiten pro Jahr kommen, womit wir einen Marktanteil von rund drei bis 3,5 Prozent erzielen sollten – je nach Größe des Gesamtmarkts.

Und wie schaffen Sie das? 

Wir sind solide im Privatkundengeschäft aufgestellt. Im Gewerbe- und Flottenbereich sehen wir jedoch Wachstumspotenzial. Hierfür werden wir das Geschäft in den nächsten Jahren etwas anders angehen müssen, da für unsere Händler das Businesskundengeschäft nicht immer sehr beliebt ist, Stichwort geringe Margen beim Fahrzeugverkauf, weil stark umkämpfter Markt. Wir wollen daher sowohl im Privat- als auch Flottenmarkt zulegen, um für jeden Händler ein attraktives Modell bieten zu können. Das sagt natürlich fast jeder Hersteller zu Beginn eines Jahres – soweit so wenig Neues. Was uns – in ganz Europa - helfen wird, sind unsere Produkte. Hybrid ist ein riesiges Thema, weil es niedrige Verbräuche und niedrigere CO2-Ausstöße bedeutet. Das ist gefragt. Dazu spielt uns in die Karten, dass gerade in Österreich mit der NoVA und der neuen motorbezogenen Versicherungssteuer CO2-Sünder noch härter bestraft werden. Unsere Hybrid-Modelle werden dadurch günstiger – das wird uns helfen. Bei unserem Yaris (B-Segment) sind das sofort einmal 240 Euro Steuervorteil im Jahr.

Zahlt sich jetzt die frühe Hybrid-Fokussierung aus?

Ja. Was wurden wir gescholten, als wir beispielsweise beim RAV4 den Diesel gecancelt haben. Was für ein Aufschrei. Aber langfristig war es gut und richtig, weil bei Toyota früh das Thema CO2 in den Fokus gerückt wurden. Veränderungen – gerade solche – tun weh. Aber aus heutiger Perspektive hat sich gezeigt: es war richtig. 

Weil Toyota damit die EU-Flottenvorgabe von 95 Gramm CO2 schaffen wird. 

Ja, wir sind sicher, als Toyota und Lexus das Ziel zu erreichen. Das ist ein Ergebnis unserer langjährigen Unternehmensstrategie, Emissionen zu reduzieren.

Kommen wir zurück auf den österreichischen Markt. Wie entwickelt sich das heurige Geschäftsjahr für Toyota?

Derzeit liegen wir bei einem Marktanteil von 2,3 Prozent; zwei Zehntel über dem Vorjahr. Wir konnten also in einem schrumpfenden Markt wachsen. Wobei: Vom Marktanteil füllt sich am Ende kein Kühlschrank, die Rendite füllt ihn. Im Handel kommt es schon auf die Absatzzahl zu attraktiven Konditionen an. Wir werden dieses Jahr rund 6500 Fahrzeuge verkaufen, 2019 waren es rund 7000 Stück. Das ist überschaubar, wenn man bedenkt, dass der Gesamtmarkt um rund 20 bis 25 Prozent eingebrochen ist und unser größter Handelspartner (Anm. die Frey-Gruppe) sich umorganisiert hat.

Toyota hat jetzt eine eigene Kreditbank. In einem Interview sprachen Sie davon, dass zukünftig eher die monatlichen Kosten als Aktionspreise in den Fokus rücken sollen. Heißt das, dass Toyota an einem Abo-Modell arbeitet? Und was bedeutet das für den Handel? 

Um es ganz klar zu sagen: Für uns hat das Thema Finanzierung und Leasing eine strategisch unheimlich wichtige Bedeutung. Denn wir haben zwei große Ziele: Vehicle Lifetime Value – das Auto so lange wie möglich in dessen Laufzeit in der Organisation zu halten. Denn wir wissen heute, dass bei reinen E-Autos die Fahrzeugmargen äußert gering sind. Gleichzeitig wissen wir, dass der Anteil der E-Autos steigen wird. Daher muss das Ziel sein, das Auto nicht zu verlieren, um die Erträge abzusichern. Am besten verkauft man den Wagen über drei Jahre im Leasing. Dann bekommt man nach drei Jahren einen Gebrauchtwagen retour, den man kennt, den man dann wieder im Leasing für die nächsten Jahre verkauft und dann wieder retour bekommt. Dadurch verkauft man das Auto dreimal, konnte die Services dafür machen und die Wertschöpfung in den eigenen Reihen halten. Daher drängen wir auf Finanzierung und Leasing und am besten mit unserer eigenen Bank, weil wir den Fokus genau auf dieses Geschäftsfeld legen. Deswegen sprechen wir mit unseren Händlern sehr intensiv darüber, denn wir dürfen die Autos nicht mehr verlieren. Das zweite Ziel: Den Kunden so lange wie möglich an uns binden. Selbst wenn er sich von seinem aktuellen Auto trennt, soll er ein Toyota-Kunde bleiben. 

Heißt: Um die geringen Verkaufsmargen und die deutlich geringeren Wartungskosten zu kompensieren, muss man das Auto mehrmals verkaufen können? 

Richtig. Schauen Sie sich das Unfallschadensgeschäft an: massiv rückläufig. Warum? Weil wir immer mehr Sicherheitssysteme in Autos haben, um langfristig gar keine Unfälle mehr zu produzieren. All diese System wieder ausbauen wird nicht gehen – und ist auch nicht der richtige Weg. Wir müssen das zukünftig geringere Geschäft absichern. Denn die Vorstellung, dass ein Autohaus vom Neuwagenertrag lebt, ist schon seit vielen Jahren vorbei. Das Aftersales-Geschäft ist die Ertragssäule. Daher können Monatsraten durchaus auch für Endkunden attraktiv sein, kombiniert beispielsweise mit einem Servicepaket. Wobei wir uns nichts vormachen müssen: Es wird auch Kunden geben, die nicht leasen sondern kaufen und besitzen wollen. 

Der Kunde wird dann aber mehr zahlen, als jener, der finanziert oder?

Der Kunde der finanziert wird zum selben Preis ein größeres Leistungsangebot erhalten, das es für einen Barzahler möglicherweise nicht geben wird. Und zusätzlich bleibt dem Finanzierungskunden, gerade in Krisenzeiten, sein Erspartes für Notfälle.

Wird es von Toyota Auto-Abo-Modelle geben?

Ich schließe überhaupt nicht aus, dass es das einmal bei uns geben wird. Wir erkennen ja bereits den Trend bei Endkunden, dass monatliche fixe Raten für Mobilität nachgefragt werden. Unser Ziel muss es sein, für unsere Händler das Geschäft abzusichern, dass der Kunde so lange wie möglich bleibt. Das kann auch einmal ein Abo-Modell sein. An dieser Stelle möchte ich ganz klar sagen: Wir rechnen weiterhin mit dem stationären Handel. Europaweit gibt es keine Toyota-eigenen Handelsbetriebe – das wird auch so bleiben. Wir glauben daran, mit unabhängigen Händlern das lokale Geschäft zu machen. Dafür suchen wir uns bevorzugt – europaweit – die Platzhirsche am lokalen Markt. Aber es wird definitiv früher oder später von uns ein Auto-Abo für den österreichischen Markt geben. 

Stichwort Endkundentrends. Toyota hat sehr früh auf Hybridmodelle gesetzt. Jetzt kommt die zweite Version des Wasserstoffautos Mirai auf den Markt. Was wird das Antriebskonzept der Zukunft sein?

Ich glaube, dass Endkunden immer das Bedürfnis von individueller Mobilität verspüren werden. Welcher Antrieb es in Zukunft sein wird, hängt primär von der Nutzung ab. Muss ich leichte Lasten, beispielsweise einen Kleinwagen, auf kurzen Strecken bewegen (innerhalb der Stadt, Pendelverkehr), spielen batterieelektrische Modelle (BEV) ihren Vorteil aus. Bei längeren Fahrten und etwas höheren Lasten, beispielsweise vollbesetzte Kombis für die Urlaubsfahrt, können Hybridmodelle oder klassische Antriebe punkten. Im internationalen Schwerlastvergleich wird sich Wasserstoff etablieren. (siehe Grafik). Unsere Strategie sieht vor, für jeden Anwendungsbereich ein passendes Modell zu haben. Aber erst, wenn die Märke dafür stark genug sind und sich die Produkte auch ohne stattliche Förderungen durchsetzen. 

Apropos Förderungen: Glauben Sie, dass die teils sehr hohen staatlichen Förderungen die Restwerte nach unten treiben?

Albert Einstein sagte mal: Das mit den Prognosen ist schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. (lacht) Nein, ernsthaft: Das Problem bei den Restwerten ist, dass man heute eine Rechnung aufstellt, deren Ergebnis man aber oft erst Jahre später zu sehen bekommt. In der Zwischenzeit kann viel passieren. Wir haben hier Erfahrungen mit unseren Hybridmodellen sammeln können und die Restwerte steigen, denn die Nachfrage ist hoch. Aber genau aus dem Grund wollen wir versuchen, die Fahrzeuge so lange wie möglich in der Organisation zu behalten, weil man über die Jahre das Restwertrisiko eher bestimmen und eventuell auch minimieren kann. Beim Zusammenhang Förderungen / Restwert denke ich, dass Gebrauchtwagenkunden sehr wohl eine ursprüngliche Neuwagen-Förderung bei ihrem Kauf berücksichtigen werden.

Zum Abschluss: War die Entscheidung, den Modellnamen Corolla aufzugeben vielleicht der größte Fehler in der Toyota-Geschichte? 

(herzhaftes Lachen) Sagen wir so: Ich bin 2007 zu Toyota gestoßen, damals wurde Corolla aufgeben und der neue Name Auris etabliert. Wir haben viel Geld hineingesteckt, hatten große Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. Insofern bin ich sehr froh darüber, dass wir wieder den Corolla haben. (schmunzelt)