Wachablöse am Automarkt: Tesla und die jungen Wilden

Autoindustrie
07.05.2021

 
Tesla ist nur die Spitze des Eisbergs: In der Autobranche ist ein Führungswechsel im Gange. Eine Analyse zeigt, wer die großen Gewinner und Verlierer sind. 
Nicht weniger als sieben der 15 wertvollsten Autokonzerne sind gegenüber 2030 neu dazugekommen.
Nicht weniger als sieben der 15 wertvollsten Autokonzerne sind gegenüber 2030 neu dazugekommen.

Die Transformation der Autoindustrie ist in vollem Gange, Elektrifizierung und Digitalisierung sind die Schlagwörter, Konzerne wie Tesla oder VW in aller Munde. Die KfZwirtschaft hat genauer hingeschaut und festgestellt, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist und einige Aspekte des Wandels noch nicht im kollektiven Bewusstsein verankert sind. 

Das Auto der Zukunft unterscheidet sich deutlich von dem Auto, das man seit Jahrzehnten kennt. Die Autoindustrie befindet sich dementsprechend in einem radikalen Wandel – hin zu alternativen Antrieben, digitaler Vernetzung und mehr Nachhaltigkeit. Im Rampenlicht stehen dabei Konzerne wie Tesla oder VW. Elon Musk treibt die Branche technologisch vor sich her, sein Konzern ist längst der mit Abstand wertvollste Autohersteller der Welt. Warum dem so ist und ob das auch gerechtfertigt ist, lesen Sie in dieser Analyse der Tesla-Aktie (WKN: 88160R101, ISIN: US88160R1014). 

Platzhirsche wie eben Volkswagen sind inzwischen auf den Zug in Richtung E-Mobilität aufgesprungen und investieren Milliarden in ihre Version des Autos der Zukunft. So viel ist allgemein bekannt. Die KFZwirtschaft wollte indes wissen, wie sich die Branche der Autohersteller insgesamt entwickelt und hat die Marktkapitalisierung der 15 größten Autohersteller der Welt recherchiert, um herauszufinden, wie sich das Machtgefüge über die Jahre verändert hat. 

1,47 Billionen Euro

Die gute Nachricht: Die Unternehmen der Autoindustrie haben sich trotz aller Herausforderungen hervorragend ­geschlagen und auch die Coronakrise, wie es scheint, gut über­wunden. Aktien wie jene von Volkswagen (WKN: 766403, ISIN: DE0007664039) oder Daimler (WKN: 710000, ISIN: DE0007100000) haben sich seit dem Krisentief 2020 schon wieder im Wert verdoppelt und manch eine Aktie hat sich sogar wieder an ihre alten ­Höchststände herangepirscht. Zu Beginn des Jahrtausends (konkret Ende 2003) waren die 15 wertvollsten Autohersteller der Welt zusammen rund 351 Milliarden Euro wert, heute sind es bereits 1.470 Milliarden Euro. Der Wert hat sich also vervierfacht. 

Freilich sind es nicht mehr dieselben Konzerne, die sich hier einen Positionskampf liefern. Nicht weniger als sieben der 15 wertvollsten Autokonzerne sind neu dazugekommen (siehe Grafik). Da wäre zunächst einmal Stellantis, der Konzern, der aus der Fusion von Fiat und PSA (Peugeot Citroen) hervorgegangen ist. So etwas hat es immer schon gegeben, dass Fusionen neue Größenverhältnisse schaffen und solche Rankings durcheinanderwirbeln. Letzteres gilt auch für Börsengänge wie jenen von Ferrari, der im Jahr 2015 erfolgte, sowie Abgänge wie Audi (wurde von VW von der Börse genommen). 

Tesla hat Toyota überholt

Spektakulär und hinlänglich bekannt ist der erwähnte Führungswechsel an der Spitze: Von dort hatte Toyota als fast schon traditionell wertvollster Autohersteller der Welt jahrzehntelang gegrüßt. Inzwischen ist Tesla aber an den Japanern nicht nur vorbeigezogen, sondern hat diese im Rückspiegel regelrecht stehengelassen. Tesla ist schon beinahe dreimal so viel wert wie Toyota. Und das ist keineswegs einer Schwäche der Japaner geschuldet, denn Toyota hat sich im Wert gegenüber 2003 selbst mehr als verdoppelt. Also auch mit dieser Aktie konnte man viel Geld verdienen. 

Die insofern spektakulärste Veränderung, als sie wohl den wenigsten Menschen bewusst ist, ist jedoch der Siegeszug chinesischer Hersteller. Mit SAIC, Great Wall und BYD mischen bereits drei chinesische Konzerne unter den Top 15 der wertvollsten Autobauer weltweit mit. Und das aus gutem Grund: Auch wenn man als Konsument in Europa noch wenig davon mitbekommt – Chinas ­Autobauer sind auf der Überholspur. 

Chinesen geben Gas

Der dortige Automarkt hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Auch jetzt, wo die Situation in Europa wegen Corona noch immer angespannt ist, erlebt das Land der ­Morgenröte schon wieder einen Boom. Chinas Wirtschaft hat die Covid-Krise weitgehend überwunden und ist fulminant ins neue Jahr gestartet: Wie das Pekinger Statistikamt mitteilt, legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in den ersten drei Monaten im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres um 18,3 Prozent zu. 

Die Autoverkäufe wurden überpropor­tional stark gesteigert: Von Jänner bis März 2021 wurden in China etwa 5,08 Millionen Pkw verkauft, ein Plus von rund 75 Prozent im Vergleich zum freilich krisengebeutelten Vorjahr. Die Erholung des chinesischen Automarkts freut auch die deutschen Hersteller – wenngleich auch deren Abhängigkeit von China zunimmt. Die chinesischen Produzenten haben freilich den größten Automarkt der Welt, der obendrein stark wächst, vor der eigenen Haustür. Und in den Überseemärkten kommen sie gerade erst in die Gänge – auch dort haben sie somit noch viel Wachstumspotenzial. SAIC (Shanghai Automobile Industry Corporation) beispielsweise mischt den hiesigen Markt derzeit gerade mit der britischen Traditionsmarke MG auf – neu positioniert als Elektromarke. 

Batterie als Schlüsseltechnologie

Ganz stark entwickeln sich das Reich der Mitte und seine Hersteller im Bereich der Elektromobilität. BYD (das Kürzel steht übrigens für Build Your Dreams) etwa ist der weltweit größte Produzent von Lithium-Ionen-Akkumulatoren. Generell spielt die Musi in Sachen Lithium-Ionen-Zellen trotz Teslas Erfolg in Asien. 2019 entfielen einer Marktanalyse zufolge rund 90 Prozent der einschlägigen Produktionskapazität auf Hersteller aus Fernost, allen voran chinesische Unternehmen wie eben BYD oder auch der Batteriehersteller CATL (mehr dazu finden Sie hier). Diese Unternehmen haben somit längst auch einen festen Platz in der Wertschöpfungskette westlicher OEMs eingenommen. 

Das Center of Automotive Management (CAM) hat Autobauer im Bereich Elek­tromobilität nach deren Innovations­stärke (in Sachen Reichweite, Verbrauch und Ladeleistung) gerankt. Gewonnen hat Tesla vor VW. Auf Platz drei folgt aber nicht Daimler, BMW oder ­Renault, sondern BYD. In den Top Ten des CAM-Rankings finden sich gleich vier chinesische Autobauer (neben BYD auch Geely, BAIC und SAIC), dazu der koreanische Hersteller Hyundai. Nicht jedoch BMW oder Daimler. 

Die Absteiger: Franzosen und Japaner

Zurück zu unserem Ranking: Die Elektro-Kompetenz scheint an der Börse offensichtlich honoriert zu werden. Kein Wunder, ist dies doch das stärkste Wachstumssegment. Der chinesische Konzern Geely hat die Top 15 nur knapp verpasst und bringt eine Marktkapitalisierung von umgerechnet gut 20 Milliarden Euro auf die Waage, SAIC oder Great Wall Motors sogar jeweils gut 30 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Renault, einst ein Fixstarter unter den Top Ten, weist aktuell eine Marktkapitalisierung von nur rund zehn Milliarden Euro auf. Auch die Renault-Schwester Nissan sowie Suzuki sind zurückgefallen. Es ist also auch ein gewisser Abstieg der Japaner sichtbar: Sieben der 15 wertvollsten Branchenvertreter sind heute bereits asiatische Konzerne – aber nur noch zwei davon haben ihren Sitz in Japan. 

Eine aktuelle Studie von EY zeigt, dass die Börse wie immer recht hat. Die Pandemie führte 2020 zu einem Umsatz- und Gewinneinbruch in der weltweiten Autoindustrie. Der Gesamtumsatz der 17 größten Hersteller sank um 13 Prozent, der Pkw-Absatz um 16 Prozent und der operative Gewinn sogar um 37 Prozent. Eine positive Gewinnentwicklung konnten nur vier Unternehmen vorweisen: Tesla, Daimler, GM und Kia. Prompt ist Kia in den Kreis der wertvollsten ­Branchenvertreter aufgestiegen und Tesla eben längst die Nummer eins. Die deutschen Autobauer kamen insgesamt vergleichsweise gut durch das ­Krisenjahr; härter getroffen wurden die französischen Hersteller, deren Gewinn gar um 84 Prozent eingebrochen ist (bei einem Umsatzrückgang von 20 Prozent). 

Fazit

Wie sehr die Autobranche im Umbruch ist, zeigt sich nicht nur an den Zulassungszahlen, Werbungen und Presseaussendungen der Hersteller. Die Transformation der Branche und deren Trends werden auch durch die Kursentwicklung an den Börsen sichtbar. Das Machtgefüge innerhalb der Autoindustrie ist längst aus den Fugen geraten. Die chinesischen Hersteller sollten nicht mehr belächelt, sondern als Konkurrenten ernst genommen werden.