„Wir stehen am Beginn einer Mobilitätswende: Elektro überholt Dieselmotor!“

Elektromobilität
30.08.2021

 
Andreas Reinhardt von der LINZ AG hat mit 1. August 2021 den Vorsitz im Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) übernommen. Die KFZwirtschaft wollte wissen, welche Ziele er in der neuen Funktion verfolgt und wie diese umgesetzt werden können.  
Andreas Reinhardt, neuer Vorsitzender des BEÖ: „E-Mobilität ist der Schlüssel, um Klimaziele zu erreichen!“
Andreas Reinhardt, neuer Vorsitzender des BEÖ: „E-Mobilität ist der Schlüssel, um Klimaziele zu erreichen!“

KFZwirtschaft: Gratulation zur neuen Funktion als Vorsitzender des BEÖ.Was hat Sie an dieser Position gereizt?

Andreas Reinhardt: Vielen Dank! Ich bin seit der Gründung des Verbandes eng mit dem BEÖ verbunden und deshalb sehr interessiert, dass die Ziele, die wir uns gesteckt haben auch umgesetzt werden – was bisher sehr gut gelungen ist. Der Vorsitz wechselt alle drei Jahre und da war es selbstverständlich, dass ich diese Herausforderung, als ich von meinen Kollegen gefragt wurde, angenommen habe.

Was sind ihre dringlichsten Anliegen bzw. Ziele, die Sie im Auftrag des BEÖ verfolgen?

Der Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) vertritt die Interessen von elf Energieunternehmen in Österreich. Wir verstehen uns als erster Ansprechpartner in Fragen der E-Mobilität und sorgen gemeinsam für ein flächendeckendes, Roaming fähiges, öffentliches Ladenetz versorgt mit 100 Prozent Erneuerbarer Energie. Wir setzen uns laufend für eine Vereinfachung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein und wirken an der Weiterentwicklung von Anreiz- und Fördersystemen aktiv mit.

Um dem derzeitigen Markthochlauf der Elektromobilität gerecht zu werden, treiben wir als Energiewirtschaft die Errichtung von öffentlicher wie auch privater Ladeinfrastruktur weiter voran. Eines unserer vordringlichsten Ziele und Schwerpunkte im BEÖ ist es, bestehende Barrieren abzubauen und beispielsweise private Ladeinfrastruktur auch im Wohnbau in den kommenden Jahren flächendeckend auszubauen.

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat Österreich mit rund 8.600 Ladepunkten im europäischen Vergleich gar nicht so wenige Ladestellen, dennoch sind es immer noch viel zu wenige, um E-Mobilität für breite Bevölkerungsteile alltagstauglich und praktikabel zu machen. Was sind hier die konkreten Ziele?

Die heimischen Energieunternehmen haben in den letzten Jahren massiv in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur investiert. Mit insgesamt 8.600 öffentlichen Ladepunkten, davon 6.000 im BEÖ-Netz, befindet sich Österreich im vorderen Drittel Europas beim Ausbau öffentlich zugänglicher Ladestationen. Diese flächendeckende Infrastruktur wird auch laufend erweitert und verstärkt. So hat etwa die Stadt Wien erst kürzlich die 1.000ste E-Ladestation errichtet und zählt damit zu den führenden Städten in Europa. Der nächste wichtige Schritt ist der rasche Ausbau von privaten Lademöglichkeiten in Tiefgaragen in Mehrparteienhäusern. Dabei geht es vor allem um rechtliche Rahmenbedingungen. 

80 bis 90 Prozent der E-Fahrzeuge werden zu Hause oder am Firmen-Parkplatz geladen, wo sie längere Zeit stehen. Hier sehen wir einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Nicht zuletzt auf Grund unserer Bemühungen im BEÖ soll ab Jänner 2022 diese Hürde der Vergangenheit angehören und die nachträgliche Installation, etwa einer intelligenten Wallbox in Mehrparteienhäusern, wesentlich vereinfacht werden. Wir rechnen hier mit einem deutlichen Anstieg der privaten Ladekapazitäten.

Wie alltagstauglich Elektromobilität bereits heute ist, stellte kürzlich ein groß angelegter Feldversuch in einer Wohnhausanlage in Linz sehr eindrucksvoll unter Beweis. Für sechs Monate tauschten 51 Haushalte ihr Verbrenner-Auto gegen ein emissionsfreies Elektroauto - und waren begeistert. In diesem von der TU Wien begleiteten und von der LINZ AG mit Partnern durchgeführten Feldversuch konnten wir nachweisen, dass eine vollständige Versorgung bei einem 50 Prozent Anteil an E-Fahrzeugen durch Einsatz von intelligentem Lademanagement problemlos machbar ist.

Sehen Sie die Gefahr, dass Versorgungslücken sogar größer werden könnten, weil der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht mit dem Marktwachstum beim Autoabsatz Schritt halten kann?

Nein, die Gefahr von Versorgungslücken sehe ich nicht. Als Energieversorger sind wir schon früh in Vorleistung gegangen und haben ein österreichweites Netz an Ladepunkten aufgebaut. Unsere Devise ist: Wenn mehr E-Autos auf den Markt kommen, bauen wir das Ladenetz entsprechend weiter aus. Damit kommt auch immer die neueste Technologie zum Einsatz. Etwa Schnellader an Strecken, wo diese besonders benötigt werden. Wie gesagt, geht es nicht nur um das öffentliche Laden, sondern immer auch um Lademöglichkeiten zu Hause und an Firmenstandorten.

Wenn der Absatz weiter rasant wächst und jeder zweite Österreicher in ein paar Jahren ein E-Auto besitzt, gibt es dafür dann überhaupt genug Strom und vor allem genug grünen Strom? Und wie steht es um die notwendige Netzkapazität?

Aktuell werden in Österreich wesentlich mehr Erzeugungskapazitäten wie Wind- und PV Anlagen zugebaut, als die neu in Betrieb genommenen Elektroautos Strom benötigen. Und das wird noch eine Weile so bleiben. Wenn wir alle ca. 5 Millionen PKW durch Elektroautos ersetzen steigt der Stromverbrauch in den nächsten 40 Jahren um 18 Prozent, das erscheint eine bewältigbare Aufgabe.

Was allerdings richtig ist: Die benötigte Leistung – wenn alle E Autofahrer abends gleichzeitig ihr Auto anstecken – wird das Stromnetz vor Herausforderungen stellen. Hier werden Investitionen und intelligente Lösungen erforderlich sein, um das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos zu ermöglichen. Wir sprechen allerdings von einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren in dem ein Netzausbau stattfinden wird müssen.

Was sind Ihre konkreten Markterwartungen in Bezug auf E-Mobilität in Österreich?

Bis Ende Juni 2021 wurden 17.337 vollelektrische Pkw in Österreich neu zugelassen. Das ist ein Plus von 195 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum Juni 2020. Damit sind rund 12 Prozent aller Neuzulassungen E-Pkw und damit liegen wir deutlich über den Prognosen, die sich am Erreichen der Klimaziele orientieren. Wir stehen am Beginn einer Mobilitätswende: Elektro überholt Dieselmotor! Getrieben wird dieser Trend durch verschiedene finanzielle Anreize, vom Ankauf eines E-Autos bis hin zur Förderung von privaten Ladestationen. Und zusätzlich wächst das Angebot an alltagstauglichen Modellen auch das Vertrauen der Bevölkerung in alternative Antriebsformen.

Wir orientieren uns weitgehend an den Prognosen einer Studie des AIT für das Erreichen der Klimaziele im Verkehr. Diese Prognose wird derzeit deutlich übertroffen.

Was für ein Auto fahren Sie privat und warum?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich öffentlich oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren kann – insofern bin ich seit 25 Jahren elektrisch mit der Straßenbahn unterwegs. Beruflich nutze ich in den letzten beiden Jahren meist das E-CarSharing Angebot der LINZ AG. Privat fahre ich derzeit für meine fünfköpfige Familie ein Familienauto, das gerade von Benzin auf Elektro umgestellt wird.