Kommentar

ACEA vs. Stellantis: Lobbyisten machen derzeit vieles falsch

Autoindustrie
23.06.2022

Stellantis mag nicht unbedingt der sympathischste Autobauer sein, der jüngste Schritt zum Rückzug aus dem Branchenverband ist aber sehr wohl nachvollziehbar. Denn die Lobbyisten in Brüssel geben eine unglückliche Figur ab.

Zugegeben, für die breite Öffentlichkeit ist es in etwa so interessant wie wenn in China ein Rad umfällt. In der Autobranche hat die jüngste Aktion von Stellantis allerdings Aufsehen erregt und für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Die Rede ist davon, der Konzern, einer der größten Autohersteller der Welt und mit Marken wie Fiat, Peugeot, Citroen und Opel gerade auch in Europa eine ganz große Nummer, kurzerhand bekannt gegeben hatte, dass er aus dem europäischen Herstellerverband per Jahresende austreten werde.

Nun ist Stellantis in der jüngeren Vergangenheit schon mehrmals alles andere als sympathisch aufgetreten. Man erinnere sich nur an die Streitereien mit Händlern bzw. ganzen Händlerverbänden. Oder daran, dass man Verträge mir nichts, dir nichts gekündigt hat und zahlreiche Handelspartner monatelang in der Luft hängen gelassen hat. Der jüngste Schritt ist aber zumindest im Ansatz nachvollziehbar.

Ein Bärendienst

Stellantis-Chef Carlos Tavares gehört zu dem Kreis jener Automanager, die sich immer gegen eine ausschließliche Festlegung auf den Elektroantrieb ausgesprochen hatte und stattdessen gefordert hatte, „technologieoffen“ nach neuen klimaschonenden Antriebsarten zu suchen. Vor diesem Hintergrund muss der Stellantis-Rückzug aus dem ACEA-Verband gesehen werden. Dieser kommt nicht zufällig just eine Woche nach dem Beschluss des Europaparlaments, wonach der Verkauf von Verbrennerfahrzeugen von 2035 an verboten werden soll. ACEA konnte das Verbrennerverbot nicht verhindern, da kann man die Einflussmöglichkeiten des Lobbyverbands durchaus infrage stellen. Ebenso die Sinnhaftigkeit der Mitgliedsbeiträge (laut Handelsblatt immerhin mehrere Hunderttausend Euro im Jahr).

Tatsächlich gibt der Verband auch im Tagesgeschäft des Öfteren keine gute Figur ab. So fordern der Verband und dessen Repräsentanten regelmäßig den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und werden nicht müde zu betonen, dass es um diese in Europa schlecht bestellt ist. Das ist übrigens auch ein Lieblingsthema des deutschen Herstellerverbandes VDA, dessen Präsidentin auch nur allzu gerne – und oft – das mangelnde Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur beklagt.

Kurzum, ausgerechnet die Branchenlobbyisten halten den ohnehin verunsicherten Konsumenten ständig vor Augen, wie schlecht der Status quo in Sachen E-Mobilität ist. Vor dem Hintergrund, dass diese nun aber als Heilsbringer gepriesen wird und forciert werden soll, ist das ein Schuss ins Knie! Der Hintergrund ist zwar verständlich (sie wollen die Politik ermuntern, die Rahmenbedingungen zu verbessern), im Endeffekt ist die Raunzerei aber kontraproduktiv. Letztendlich erweisen die vermeintlichen Interessenvertreter ihrer eigenen Branche damit einen Bärendienst.