Tagebuch des Wandels

„…dann spielt’s Granada“

Wenn E-Autos in die Werkstatt kommen, kann es gefährlich werden. Die Sachverständigen Andreas Nunberg und Emanuel Wulgarellis sind Experten auf dem Gebiet und geben ihr Wissen mit hohem Praxisbezug weiter. Jetzt ­auch auf den Hochvolt-Trainings der Automotive Akademie.
Ladeeinheit
Eine abgeknickte Steckverbindung einer Ladeeinheit kann bei Wassereintritt böse Folgen haben. 

Wer Andreas Nunberg und Emanuel Wulgarellis kennen lernt, der merkt schon nach wenigen Minuten, dass der Beruf für Sie mehr ist als nur ein Job. Ihre Augen leuchten, wenn sie aus der Praxis berichten und ja, man kann sagen, sie sind für ihren Job Feuer und Flamme. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. 

Ponierarbeit

Die beiden Kfz-Sachverständigen bieten mit der gemeinsamen Firma WN-Technical Training Ausbildung und Beratung im Umgang mit Hochvoltsystemen in Kraftfahrzeugen an. „Ich beschäftige mich mit Fahrzeug-Elektrik, seit ich gehen kann“, sagt Andreas Nunberg. Bei Elektroautos ist der gelernte Autoelek­triker in seinem Element. Das gilt auch für seinen Geschäftspartner Emanuel Wulgarellis: „Als E-Autos aufkamen, war uns rasch klar, was da auf uns zukommt“, sagt der gelernte Spengler und Lackierer. Denn diese Fahrzeuge sind in Sachen Brandgefahr nicht unproblematisch. Wulgarellis und Nunberg wollen mit ihren Schulungen zu mehr Sicherheit beitragen. 

Teilweise leisten sie sogar Ponierarbeit. In Feldversuchen setzen sie gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Batterien oder auch ganze Fahrzeuge in Brand, um daraus zu lernen (siehe Bilder auf Seite 44). „Im Falle ­eines Kurzschlusses reagiert eine Zelle in einer Lithium-­Ionen-Batterie mit der nächsten. Wir haben schon viele Tests gemacht, aber die Zellen reagieren im Detail immer anders“, erklärt Nunberg, der auch von „hochtoxischem Rauch“ berichtet und folgende Faustregel nennt: „Je weißer der Rauch, desto schlimmer.“ 

Defizite in der Fortbildung

Wenn die Batterie eines E-Autos Feuer fängt, dann könne so ein Fahrzeug binnen weniger Minuten vollkommen ausgebrannt sein. „Jetzt stellen Sie sich vor, da sitzt eine Frau drinnen, die dann auch noch zwei kleine Kinder aus dem Kindersitz holen muss. Das kann dann eng werden“, gibt Emanuel Wulgarellis zu bedenken. Der Motorbrand eines Diesel-Pkw würde hingegen vergleichsweise unspektakulär verlaufen und genug Zeit für einen Feuerwehreinsatz bieten.

Apropos Feuerwehreinsatz: Eine brennende Lithium-­Ionen-Batterie kann mit keinem derzeit bekannten Brandschutzmittel gelöscht werden, man kann sie nur kühlen, bis der chemische Prozess vollständig abgelaufen ist. Umso wichtiger ist es, dass in der Werkstatt entsprechend vorsichtig mit diesen Autos umgegangen wird. Zumal das Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen an sich schon gefährlich ist und entsprechende vorbeugende Maßnahmen getroffen werden müssen. Das beginnt bei der Schulung der Mitarbeiter: Wer die Gefahren kennt und entsprechende Arbeitsprozesse trainiert, ist auf der sicheren Seite, betonen Nunberg und Wulgarellis und sind entsprechend konsterniert ob der häufig bestehenden Zurückhaltung vieler Werkstattbesitzer, wenn es um das Thema geht. „Es gibt in Österreich Defizite in der Aus- und Weiterbildung“, sagt Nunberg. „Leider muss oft erst etwas passieren, bis man tätig wird“, ergänzt Wulgarellis. An der E-Mobilität führe aber kein Weg mehr vorbei: „Das geht für die Werkstätten jetzt erst so richtig los, wenn immer gebrauchte E-Autos auf den Markt kommen“, so der Experte, der Werkstätten wie auch Feuerwehren Hochvolt-Ausbildungen der Stufen HV1, HV2 und HV3 sowie die nötigen wiederkehrenden Auffrischungen anbietet. 

Kurse mit Praxisbezug

Dies jetzt auch am Mobilitätscampus der Wiener Landesinnung für Fahrzeugtechnik, wo die Auto­motive Akademie Hochvolt-Kurse organisiert. Sie richten sich gezielt an Betriebe, die Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen und deren Komponenten ausführen. „Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, für diese wichtigen Schulungen mit den Experten von WN-Technical Training ausgewiesene Fachleute auf dem Gebiet der Hochvolt-Trainings zu engagieren, deren Ruf sogar über die Grenzen des Landes hinaushallt“, freut sich Stefan Böck vom Österreichischen Wirtschaftsverlag, der die Automotive Akademie leitet. 

Das Besondere an der Ausbildung Marke Wulgarellis und Nunberg ist der starke praktische Bezug. „Wir zeigen nicht irgendwelche Youtube-Videos, sondern Mitschnitte von unseren eigenen Feldversuchen“, betont Wulgarellis, der nichts von Online-­Trainings für den Hochvolt-Bereich hält. Zumal bei seinen Trainings Arbeiten direkt am Fahrzeug ebenso inkludiert sind wie die praktische Handhabung von spezifischen Werkzeugen und Messgeräten. Nicht umsonst nennen sie ihre HV1-Schulung „HV1-plus“. 

„Ich beobachte das immer wieder“, erzählt Ema­nuel Wulgarellis: „Vorher wird oft Schmäh geführt, aber wenn die Leute dann direkt an den Systemen ­arbeiten, beginnen sie nicht selten zu zittern!“ Genau diese Angst möchte man den auszubildenden Mechanikern und gelegentlich Mechanikerinnen schließlich nehmen. Das beginnt schon beim Tragen der ungewohnten Schutzausrüstung inklusive einem wertvollen Tipp, was man unter den Isolationshandschuhen aus Gummi tragen sollte. 

Ein wichtiger Teil der Ausbildung sind auch die Anschauungsobjekte. Hier eine halbe Kia-Batterie (die übrigens immer noch stolze 200 Kilo wiegt), da der Elektro-Motor eines Opels. Und dort drüben ein Teil einer Ladeeinheit, der hinter der hinteren Stoßstange eines E-Autos montiert war und bei einem Unfall folgenden Schaden genommen hat: Eine Steckverbindung ist abgeknickt. Problem dabei: „Die Isolation war weg, aber es gab keinen Kontaktfehler und somit keine offensichtliche Fehlermeldung des Systems“, wie Nunberg betont. Wulgarellis macht klar, was das bedeuten kann: „Wenn da einer mit ­einem Kärcher reinspritzt, dann spielt’s Granada.“ Auf all diese Gefahrenquellen müssen Fachwerkstätten sensibilisiert werden. Insofern gibt es noch viel zu tun für die beiden Hochvolt-Trainer und ihr Team. 

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