Mobilitäts-Technologie: Europa verliert Tempo
Beim Fachforum für innovative Mobilität „IMFS 2025“ am Salzburgring prallten wieder Überzeugungen aufeinander: Während Befürworter der Elektromobilität den batterieelektrischen Antrieb als alternativloses Zukunftsmodell sehen, fordern andere Technologieoffenheit. Zentrale Frage ist: Reicht reine E-Mobilität, um Europas Klimaziele zu erreichen – oder hält die Zukunft mehr als eine Steckdose bereit?
HVO und eFuels wurden als praxistaugliche Alternativen präsentiert, die Millionen bestehender Fahrzeuge sofort klimafreundlicher machen könnten. Die Diskussionen in den einzelnen Fachgruppen und vor allem die Keynote des Technologietrendforschers Mario Herger führten vor Augen, wie tief Europa noch in der Antriebsfrage gespalten und im Vergleich zu den USA und China technologisch hinterher hinkt.
Robotaxis gehören zum Alltag…
… allerdings nicht in Europa, sondern in den USA. In seiner Keynote „Zukunft der Automobilbranche, Disruption und autonomes Fahren“ gab Mario Herger – gebürtiger Österreicher, seit 2001 im Silicon Valley ansässig – ein prägnantes Zwischenfazit zur Entwicklung von autonomen Fahrzeugen. Herger betonte, dass in den USA bereits sehr große Flotten von Robotaxis im Einsatz seien: Allein der Anbieter Waymo absolviere wöchentlich rund 250.000 bezahlte fahrerlose Fahrten – das entspreche über 160 Millionen Kilometer.
Im Gegensatz dazu zeige Europa ein deutlich gemächlicheres Tempo: Zwar gebe es gesetzliche Rahmenbedingungen – in Deutschland etwa eine Bundesverordnung für autonomes Fahren –, doch noch keine echten Genehmigungsprozesse mit Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen. Herger rechnet im besten Fall mit einer Serienzulassung in Europa ab etwa 2030 – was deutlich später ist als in den USA und China. Hier liege ein strategischer Rückstand von etwa fünf bis sieben Jahren vor. Europa müsse jetzt massiv aufholen, wenn es nicht den Anschluss im globalen Wettbewerb verlieren wolle.
Woher kommt der Rückstand?

Herger nennt mehrere Faktoren: In den USA bestehen bereits erprobte Genehmigungsverfahren und Infrastruktur sowie Datenumgebungen sind vorhanden. In Europa hingegen sind die Zuständigkeiten verstreut: Zulassung, Daten- und Haftungsfragen, Unfallanalysen – alles läuft über unterschiedliche Behörden in den Mitgliedsstaaten. Zudem dominieren in den USA und China Technologie-Giganten wie Nvidia oder große Plattformanbieter, die bei Chip- und KI-Entwicklung ein Tempo vorlegen, das europäischen Herstellern und Zulieferern schwerfällt mitzuhalten.
Künstliche Intelligenz bildet eine zentrale Basis für autonome Systeme: Millionen von simulierten Szenarien seien nötig, um selbst banale menschliche Eigenheiten wie einen Einkaufswagen auf dem Parkplatz oder ein plötzliches Einsteigen aus dem Fahrzeug korrekt zu erkennen und zu verarbeiten. Die technischen Herausforderung sind enorm: Wie reagiert das Fahrzeug, wenn eine alte Dame mit einem Elektrorollstuhl plötzlich die Fahrbahn kreuzt? Oder ein Fahrgast im autonomen Fahrzeug aus gesundheitlichen Gründen reaktionsunfähig wird? „Das System benötigt für jede Herausforderung eine passende Lösung“, so Herger. Simulationen helfen hierbei enorm, doch sie ersetzen nicht die Millionen realer Fahrkilometer, die nötig sind. Zugleich unterstreicht der Mobilitätstrendforscher die Sicherheitspotenziale: Automatisierte Fahrzeuge könnten zwischen 50 und 90 Prozent der schweren Unfälle vermeiden, die heute durch menschliches Fehlverhalten (Alkohol, Müdigkeit, Ablenkung) verursacht werden.
E-Mobilität: Fortschritt – aber nicht alleinige Lösung

Parallel zur Keynote lief auf der IMFS die Podiumsdiskussion „Wettbewerbsvorteile durch vollelektrische Flotten und Nutzfahrzeuge“. Vertreter wie BYD Österreich-Chef Danijel Dzihic und Lukas Putz von MAN Truck & Bus lobten die jüngste Dynamik: Elektromobilität sei heute im kommerziellen Bereich ein klarer Vorteil – insbesondere bei Kosten pro Kilometer, bei Förderungen und bei Flottenplanung. So befinde sich der elektrische Lkw-Markt in Österreich im Aufbruch.
Klar ist aber herausgekommen, dass Elektromobilität alleine nicht genügen werde, um die ambitionierten Klimaziele der EU zu erreichen, Darüber hinaus sei das Netzwerk sowie die Ladeinfrastruktur vielerorts noch unzureichend. So erklärte Bernhard Hintermayer von der Asfinag, dass bis 2027 21 Rastplätze mit Schnellladesäulen für Pkw und Lkw ausgestattet werden sollen und bis 2030 alle 60 Raststätten entlang der Autobahnen Österreichs mit Ladeleistungen von 350–400 kW.
Alternative Treibstoffe: eFuels, HVO, Wasserstoff
Neben Batterieelektrik spielen alternative Antriebs- und Treibstoffkonzepte eine zentrale Rolle. Stephan Schwarzer von der eFuel Alliance Österreich plädierte dafür, eFuels nicht als Konkurrenz zur E-Mobilität, sondern als Ergänzung zu verstehen. Denn derzeit seien nur knapp fünf Prozent aller Autos in Österreich elektrisch. Die Frage sei daher: „Was machen wir mit den restlichen 95 Prozent?“
Andreas Steiner von LM Energy nannte HVO 100 (Hydrotreated Vegetable Oil) als rasch realisierbare Option für Bestands-Flotten. Hergestellt aus organischen Rohstoffen wie etwa Altölen, habe sich die weltweite Produktionsmenge seit 2020 von fünf Millionen auf 30 Millionen Tonnen versechsfacht. In Österreich könne man HVO bereits tanken – bei einem Preisaufschlag von rund 18 Cent pro Liter gegenüber Diesel. Steiner betonte jedoch: „HVO wird niemals den gesamten Bedarf ersetzen können, es kann nur ein Teil der Lösung sein.“
Johannes Konrad, Assistenzprofessor am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien, ergänzte: „Es geht nicht um E-Auto oder alternative Treibstoffe, es kann nur gemeinsam gehen. Das gemeinsame Ziel ist die Defossilisierung.“ eFuels könnten mittelfristig eine „unendliche Quelle“ sein – wenn nachhaltige Energie- und Rohstoffquellen in ausreichender Menge zur Verfügung stünden. Aktuell lägen Produktionskosten bei rund 1,50 Euro pro Liter eFuel, gegenüber 0,60-0,80 Euro bei fossilem Öl.
Verbrenner-Aus in der EU?
Ein ewiger Diskussionspunkt ist die voraussichtliche Ausstiegsregelung für Verbrennungsmotoren in der Europäische Union ab 2035. Ein reines Verbrenner-Verbot zur Erreichung der Klimaziele reiche laut Ansicht der Experten nicht, wenn nicht gleichzeitig Lade- und Energienetze, Produktion alternativer Treibstoffe und Infrastruktur für Nutzfahrzeuge sowie Bestandsflotten forciert werde. Denn: Wenn lediglich neue Pkw elektrisch werden, existiert noch lange keine vollständige CO₂-Neutralität. Alternative Treibstoffe könnten hier mittelfristig die Lücke schließen, insbesondere in Sektoren, in denen Batterie-Elektrik technisch oder wirtschaftlich schwer durchzusetzen ist wie etwa bei Schwer-Lkw und in der Luftfahrt. Ein „Verbrennerverbot“ lässt sich bei Nutzfahrzeugen deutlich schwerer umsetzen als im Pkw-Sektor. Während die EU für Lkw und Busse bis 2030 eine Emissionsreduktion um 45 Prozent gegenüber 2019 fordert, herrscht in der Branche Einigkeit darüber, dass es keine einheitliche Lösung für alle Anwendungen geben kann. Batterieelektrische Nutzfahrzeuge gewinnen an Bedeutung – weltweit sind über 130 Modelle verfügbar, in der EU rund 40. Ihr Einsatz ist insbesondere im Stadt- und Regionalverkehr realistisch. Herausforderungen bestehen jedoch beim Ladeinfrastrukturausbau, der Ladezeit und der reduzierten Nutzlast durch das hohe Batteriegewicht. Brennstoffzellen-Lkw bieten Vorteile bei der Nutzlast und Tankzeit, kämpfen jedoch mit Kühlungsproblemen. Die Zukunft des Schwerverkehrs sieht Professor Bernhard Geringer, Vorsitzender des Motorensymposiums, pluralistisch: Batterie, Brennstoffzelle, Wasserstoff-Verbrenner, eFuels und HVO werden je nach Einsatzgebiet nebeneinander bestehen.



