VW nimmt Herausforderung an
VW-Entwicklungschef Kai Grünitz stellte am Wiener Motorensymposium die künftige Modellpolitik des Autokonzerns vor und beantwortete die Fragen der Fachjournalisten.

automotive.at: Die europäische Autoindustrie ist durch die neuen Wettbewerber aus China stark unter Druck geraten – wie begegnet VW dieser Herausforderung?
Kai Grünitz: Wettbewerb ist grundsätzlich etwas Positives, und ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass VW auch in den 1970er und 1990er Jahren Herausforderungen sehr gut gemeistert hat. Aus meiner Sicht gibt es dafür drei Erfolgsfaktoren: Innovation in Produktion, Innovation in Design und einen Technologiesprung. So wie der Golf I ein Game-Changer der 1970er Jahre war, wird es nun unsere neue Modellgeneration von „Software Defined Vehicle“ sein, die zuerst 2026 in China und 2027 in Europa auf den Markt kommt.
Was wird das Besondere und Markentypische an den neuen Volkswagen-Modellen sein?
Beim Außendesign wollen wir den Anspruch einlösen, auf den ersten Blick als Volkswagen erkennbar zu sein. Unser Kleinwagen ID.EVERY1 beispielsweise kommt mit klarer Linie, ist zeitlos gestaltet. Im Inneren wird es wieder mehr haptische Knöpfe und Schalter geben, und an markanten Stellen wird Hartplastik durch Stoffe ersetzt. Statt verdeckter Griffleisten wird es auch wieder richtige Türgriffe geben – ein Trend übrigens, der auch bei aktuellen Autos aus China zu beobachten ist.
Mit welchen Spezifikationen ist beim Antrieb zu rechnen?
Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft dem elektrischen Antrieb gehört. Der ID.EVERY1 wird beispielsweise eine Reichweite von rund 250 Kilometern haben. Bereits bei unserem Erfolgsmodell E-Up hat sich gezeigt, dass dies von den Nutzern, die vorwiegend in der Stadt und im Umland unterwegs sind, als vollkommen ausreichend empfunden wird. Als Stromspeicher dienen moderne LFP-Batterien, und unsere neue Software-Architektur mit einem zentralen Steuergerät spart Gewicht, vereinfacht die Diagnose von Defekten und ermöglicht regelmäßige Over-the-Air Updates.
Chinesische Hersteller bringen beinahe monatlich neue Modelle auf den Markt – wie wollen Sie mit diesem Tempo mithalten?
Es ist wie bei einem Regenrennen in der Formel 1 – die Chinesen haben uns mitten im Rennen überholt, und wir fahren aktuell in der Gischt, die sie aufwirbeln, auf Sicht knapp hinterher. Das liegt nicht nur daran, dass in China im Durchschnitt deutlich mehr in der Woche gearbeitet wird, es liegt vor allem an der Konsequenz, mit der dort unternehmerische Entscheidungen durchgezogen werden. Da haben wir Nachholbedarf. Bei uns wird vieles oft zu lange hinterfragt und ausdiskutiert. Mit der Entwicklung unserer neuen modularen Software, die nur drei Jahre gedauert hat, zeigen wir, dass wir nun beim Tempo mithalten können.
Glauben Sie, dass die EU den Termin für das Ende des Verbrennungsmotors noch einmal verschieben wird?
Wir wollen mit dem T-Roc Nachfolger dieses Jahr unser letztes komplett neues Verbrenner-Modell vorstellen. Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage halten wir uns aber alle Optionen offen. Die Tatsache, dass wir aktuell eine Verbrenner-Plattform und zwei BEV-Plattformen entwickeln zeigt aber wohl, wo unsere Prioritäten liegen.
Zur Person
Kai Grünitz ist diplomierter Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieur. Er arbeitet seit knapp 26 Jahren bei Volkswagen. Nach seiner Vorstandsassistenz in der Entwicklung von Škoda kam er 2012 zu Volkswagen Nutzfahrzeuge und verantwortete das Thema Unternehmensplanung. 2014 übernahm er die Leitung Mechatronische Fahrwerksysteme und in Folge weitere Funktionen in der Nutzfahrzeugentwicklung. Seit Beginn 2020 arbeitete Kai Grünitz in seiner Funktion als CTO „Autonomous Vehicle & T7“, im November 2020 wurde er als Technischer Leiter von Volkswagen Nutzfahrzeuge gesamtverantwortlich für die Entwicklung der Marke. Zum 01. Oktober 2022 folgte er Thomas Ulbrich als Markenvorstand für den Bereich Technische Entwicklung von Volkswagen Pkw.