Handlungsbedarf

Autos im Visier von Hackern

Cybercrime
06.09.2023

 
Sicherheitsforscher schlagen Alarm: Die Analyse von Untergrundforen zeigt, dass in Zukunft Cyberangriffe auf vernetzte Fahrzeuge drohen.
Hacker bedrohen die Sicherheit der rollenden Computer.
Hacker bedrohen die Sicherheit der rollenden Computer.

Laut einem Bericht der Unternehmensberatung McKinsey verarbeitet ein vernetztes Fahrzeug bis zu 25 Gigabyte Daten pro Stunde. Technologische Verbesserungen bei der Automatisierung und Konnektivität von Fahrzeugen haben zur raschen Entwicklung neuer intelligenter Funktionen in vernetzten Autos beigetragen. Vernetzte Autos sind so zu produktiven Datenerzeugern geworden: Angefangen bei Daten zu Geolokalisierung, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Motorleistung, Kraftstoffeffizienz und anderen Betriebsparametern. Aufgrund der enormen Menge gesammelter Daten und der Tatsache, dass sie ständig mit dem Internet verbunden sind und so viele Apps und Dienste wie Over-the-Air-Software-Updates nutzen, können Fahrzeuge heute als "Smartphones auf Rädern" bezeichnet werden.

Attraktive Ziele

Diese Tatsachen machen Fahrzeuge zu einem immer attraktiveren Ziel für komplexe Cyberangriffe. Experten des Automotive Cybersecurity-Anbieters VicOne und seines Mutterkonzerns Trend Micro analysierten Aussagen in globalen Untergrundforen, die von Kriminellen genutzt werden. Die Experten gehen dabei der Frage nach, was Automobilhersteller und -zulieferer weltweit bereits heute tun sollten, um sich auf den unvermeidlichen Übergang von den heutigen manuellen Hacks zum Zweck der Fahrzeugmodifikation, zu den deutlich gefährlicheren Cyberangriffen von morgen vorzubereiten. Erste Berichte über derartige Straftaten behandeln beispieslweise einen Autodiebstahl im Juli 2022, der durch eine als CAN-Injection bekannte Technik ermöglicht wurde. Derzeit fallen die in Untergrundforen diskutierten „Angriffe“ auf vernetzte Fahrzeuge vor allem unter die Kategorie Fahrzeugmodifikation („Car Modding“). Dabei hacken die Täter eingebettete Fahrzeugfunktionen, um beispielsweise Funktionen, die eigentlich kostenpflichtig sein sollen (wie etwa die Sitzheizung) zu aktivieren, oder um den Kilometerstand künstlich zu verringern. Diese Manipulationen schmälern zwar den Gewinn der Automobil-Erstausrüster (OEMs), zielen aber nicht wirklich auf die Nutzer von vernetzten Autos ab, sodass unklar ist, ob Modding-Aktivitäten überhaupt als „Cyber-Angriffe“ eingestuft werden können.

Diebstahl uninteressant

Vernetzte Autos sind ständig online und daher leicht auffindbar. Gestohlene vernetzte Autos haben eine hohe Wiederauffindungsrate, wie z. B. Tesla mit einer Wiederauffindungsrate von knapp 98 %. Diebe von vernetzten Autos haben es also schwer, Käufer für ein gestohlenes Fahrzeug zu finden, da die Strafverfolgungsbehörden es rasch lokalisieren können. Sollte es den Kriminellen gelingen, das Auto offline zu nehmen - was nicht einfach, aber theoretisch machbar ist -, sind die Chancen auf einen Weiterverkauf ebenfalls gering, da Käufer auf bestimmte Funktionen nicht zugreifen können. Cyberkriminelle können aber durch den Zugriff auf die Nutzerkonten der Fahrzeugbesitzer teilweise Kontrolle über die Fahrzeuge erlangen und hätten z. B. die Möglichkeit, die Türen zu entriegeln oder die Motoren aus der Ferne zu starten. Dieses Szenario eröffnet Kriminellen neue Missbrauchsmöglichkeiten, wie den Kauf und Verkauf von Benutzerkonten, inklusive möglicher sensibler Daten.

Daten ohne Schutz

Durch den unbefugten Zugriff auf ein Kfz-Nutzerkonto könnten Cyberkriminelle zudem ein Auto ausfindig machen, öffnen, Wertgegenstände entwenden, die Wohnadresse des Eigentümers herausfinden und erfahren, wann der Eigentümer nicht anwesend ist. Um diese Informationen bestmöglich zu nutzen und ihre illegalen Geschäfte auszubauen, können sie dabei mit herkömmlichen kriminellen Banden zusammenarbeiten, wie bei den berüchtigten Carbanak- und Cobalt-Malware-Angriffen, die auf mehr als hundert Einrichtungen weltweit abzielten und dem Bandennetzwerk über eine Milliarde Euro einbrachten. Bei der Untersuchung von Angriffen auf OEMs fanden die Experten von VicOne bisher nur Fälle von kompromittierten automobilen Netzwerken und den Verkauf von VPN-Zugängen. Aktuell zeigen die Forumsdiskussionen also nur typische Ansätze zur Monetarisierung von IT-Ressourcen, die in keinem Zusammenhang mit den von den OEMs gesammelten und aufbewahrten Daten über vernetzte Fahrzeuge stehen. Es ist aber davon auszugehen, dass vernetzte Autodaten bald sehr wertvoll werden, wenn Drittanbieter beginnen, Fahrzeugdaten in großem Umfang zu nutzen. Wenn beispielsweise eine Bank Fahrzeugdaten verwendet, um die Bedingungen für die Kreditverlängerung oder den Wert eines Fahrzeugs zu bestimmen, erhalten diese Informationen eine neue Wertigkeit, und das Ökosystem der vernetzten Fahrzeugdaten wird erheblich erweitert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kriminelle dieses lukrative Betätigungsfeld für sich entdecken und ihre illegalen Tätigkeiten beginnen.