Auslaufmodell Autoverkäufer?

Autohandel
10.03.2015

 
Ein Auto verkauft sich nicht von allein. Aber braucht es deswegen noch den klassischen Autoverkäufer? Was macht einen guten Verkäufer überhaupt aus? Und was treibt ihn an? 

Text: Wolfgang Bauer & Philipp Bednar 

Mein Verlust ist Ihr Gewinn. – Ein klassischer Verkäuferschmäh? Mitnichten, vielmehr die traurige Wahrheit des modernen Neuwagenhandels. In Zeiten von Online-Neu- und Gebrauchtwagenplattformen, Foren und Internetautokonfiguratoren betritt der Interessent das Autohaus bestens vorbereitet. Oftmals besser informiert als der Verkäufer selbst. Die gute Nachricht: Wenn er da ist, mit dem Ausdruck des Wunschmodells in der Hand, dann hat er eigentlich schon gekauft. Mit etwas Erfahrung und Feingefühl wird jeder dieser Besucher zum Kunden. Daher drängt sich die Frage auf: Brauche ich dafür noch einen gutbezahlten Verkäufer? „Ja, und wie! Die Anforderungen sind so viel komplexer geworden, dass es ohne Autoverkäufer nicht geht. Und das betrifft nicht nur Luxusmarken“, erklärt Einzelhandelssprecher Josef Schirak. Durch die Vielzahl an neuen Versicherungs- und Finanzierungsmodellen muss der moderne Autoverkäufer heute nicht nur über das Auto bestens Bescheid wissen, sondern auch im Finanzsektor und IT-Bereich firm sein. Denn die Finanzprodukte, die im Rahmen des Kaufs abgeschlossen werden, bringen nicht nur dem Verkäufer eine satte Zusatzprovision, sie sind für viele Autohäuser überlebenswichtig, um die nötigen Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Denn viele Autohäuser zahlen beim Neuwagenverkauf (wenn alle Kosten eingerechnet werden) drauf. Andreas Grünzweig, Geschäftsführer des gleichnamigen Autohauses in Mödling, bestätigt die Aussage von Schirak: „Natürlich braucht es einen waschechten Verkäufer. Außerdem ist es die Absicherung unseres Erfolgs, denn viele der verkauften Autos kommen dann zu uns ins Aftersalesgeschäft, womit wir das negative Neuwagengeschäft abfedern können.“ 

Das Anforderungsprofil

„Ein guter Verkäufer ist kommunikativ, beharrlich, freundlich und auch emotional. Er muss die Kunden mit Elan und Freunde am Auto empfangen. Aktiv sein. Inaktive Verkäufer werden keinen Erfolg haben“, verrät Christian Melbinger, Geschäftsführer von Opel Kandl. Andreas Grünzweig ergänzt: „Und er muss ein Wadelbeißer mit Killerinstinkt sein. Kurz vor dem Abschluss gibt es immer noch ein Zögern des Kunden. Dann macht der Verkäufer den Unterschied. Ein guter Verkäufer macht den Abschluss, ein schlechter Verkäufer verliert den Kunden.“ Dass das Anforderungsprofil eines Autoverkäufers heute – ganz gleich ob Neu- oder Gebrauchtwagen – gestiegen ist, ist offensichtlich: Aufwändige EDV-Programme für die Erstellung und Berechnung von Angeboten sind ebenso Standard geworden wie komplexe Kundendatenbanken, Onlinebörsen und ständige E-Mail-Anfragen. Dazu kommt, dass die Autos an sich ebenfalls komplizierter geworden sind: Viele unterschiedliche Assistenzsysteme müssen dem Kunden ebenso erklärt werden wie die umfassenden Entertainmentfeatures, die bereits ab der Mittelklasse Standard sind. Und spätestens wenn Gewerbe- bzw. Flottenkunden im Schauraum stehen, sollte der Verkäufer auch in Sachen Steuer-, Finanzierungs- und Förderbelangen universell geschult sein. Kurzum: Der Beruf des Verkäufers ist schwieriger und umfangreicher denn je geworden. 

Die Verantwortung

Wenn der potenzielle Kunde das Autohaus betritt, ist im Idealfall der Verkäufer der erste Ansprechpartner. Damit repräsentiert er nicht nur sich selbst, sondern auch das Autohaus und die jeweilige Automarke. Damit lastet auch ein größerer Druck auf dem Verkäufer, wie uns Clemens Dolezal (siehe Interview) vom Autohaus Kandl verraten hat: „Der variable Anteil des Verkäufergehalts hängt nicht nur von der Anzahl der verkauften Autos und der Provisionen von Finanzdienstleistungen ab, auch die Kundenzufriedenheit fließt mit ein. Und zwar nicht nur direkt für den Verkäufer, sondern auch die Autoeinkaufsmargen für das gesamte Autohaus können an die Kundenzufriedenheit gekoppelt sein.“ Das bedeutet: Ist der Verkäufer schnell mit Abschlüssen, lässt die Kunden aber nachher links liegen, könnte es sowohl für ihn als auch für seinen Chef unangenehme Folgen haben. Deswegen ist Kundenbindung zum obersten Gebot im Verkauf geworden. Patrick Pfurtscheller, Geschäftsführer von Autoland Innsbruck, sieht das etwas differenzierter: „Derzeit gibt es zwei Wege, welche die Automobilwirtschaft beschreitet: jenen der Premiumhersteller, die auf hohe Standards setzten, und jenen der Volumenhersteller, die sich preislich gegenseitig fertig machen. Da stellt sich die Frage: Wofür brauchen Kunden von Schleuderware überhaupt einen Verkaufsberater?“ Pfur­tscheller sieht den Trend im Autohaus eindeutig hin zu Hersteller-Flagshipstores und weg vom kleinen Autohaus. Dabei stellt der Tiroler noch fest: „Grundsätzlich bräuchte jeder Markenhersteller ein topgeschultes, im Idealfall sogar akademisch ausgebildetes Verkaufspersonal. Doch wer soll das bezahlen angesichts der Tatsache, dass man das eine Viertelprozent Provision gar nicht mehr in den Verkaufspreis einkalkulieren kann?“ Josef Schirak bestätigt, dass es heute sehr schwierig ist, gute Leute zu finden: „Man darf nicht vergessen, ein guter Chefverkäufer hat mitunter schon unternehmerische Aufgaben und wird weitgreifend eingebunden. Solche Leute müssen aber entsprechend bezahlt werden, um sie halten zu können. Und das wird nicht einfacher.“ „Schlussendlich hängt unser Erfolg vom Goodwill der Hersteller ab. Egal wie gut unsere Verkäufer sind, durch die hohen Auflagen und den geringen Spannen beim Neuwagenhandel geht sich ein positives Geschäftsjahr ohne Herstellerbonus einfach nicht aus“, so Grünzweig. Interessant ist: Die Hersteller schreiben nach unserer Recherche zwar keine Gehälter oder Provisionen für die Verkäufer vor, sehr wohl aber die Anzahl der Mitarbeiter im Verkauf. Womit indirekt in die Autonomie des Autohauses eingegriffen wird. 

Der Ruf

Allgemein sagt man den Autoverkäufern nicht den besten Ruf nach. Verkäufer Clemens Dolezal erklärt, warum sich das aber sukzessive ändert: „Als ich angefangen habe, gab es viele Konsumenschutzgesetze in dem Ausmaß noch gar nicht. Da konnte ein unseriöser Verkäufer, ein Rosstäuscher, noch krumme Geschäfte machen und kam damit davon. Heute schaut die Welt ganz anders aus. Spielt sich der Verkäufer blöd oder schließt ein unsauberes Geschäft ab, steht er ganz schnell vor Gericht und muss für alles geradestehen.“ Dazu kommt, dass sich viele Kunden vorab in einschlägigen Internetforen erkundigen, nicht nur über das Auto, sondern auch über das jeweilige Autohaus und dessen Serviceleistungen. Kurzum: In dem hochkompetitiven Umfeld des Autohandels kann es sich kein Autohaus einen unseriösen, zwielichtigen Autoverkäufer mehr leisten. Und nüchtern betrachtet, hat sich auch die Rollenverteilung im Verkauf etwas geändert: In den goldenen Zeiten haben sich die Kunden um die Neuwagen gerissen. Jeder wollte mobil sein und ein schickes neues Auto haben. Das Geld war da, die Zukunftssorgen waren gering, die Banken großzügig mit Finanzierungen aus eben diesen Gründen. Heute sitzt das Geld weniger locker, die Neuwagenkäufer werden älter, die Autos gefühlt immer teurer – vor allem im Unterhalt. Dazu kommen die enorme Preistransparenz und die gute Vergleichbarkeit der Angebote. Der Verkäufer ist praktisch dazu gezwungen, will er ein Geschäft machen, den Kunden rundum glücklich zu machen und einen Tiefstpreis zu bieten, denn sonst unterzeichnet er zwei Autohäuser weiter. Patrick Pfurtscheller blickt pessimistisch in die Zukunft: „Die automobile Welt ist im Wandel und wird auch schon morgen wieder eine andere sein. Jedenfalls leider eine ohne Verkaufsberater im Salon, der kostenlos berät, kostenlose Probefahrten anbietet, kostenlose Finanzdienstleistungen zukommen lässt und kostenlose Ankaufstests macht. Denn die Kosten hierfür tragen seit Jahren die Händler aus Ertragsfeldern, die überhaupt nichts mit dem Neuwagenverkauf zu tun haben.“ 

Die Zukunftsperspektive

Professor Hannes Brachat blickt optimistischer in die Zukunft des Autohandels und seiner Verkäufer und stellt eine clevere Frage: „Audi hat 42 verschiedene Modelle, und wird morgen 60 verschiedene Modelle haben. Glaubt einer wirklich daran, dass man diese Vielfalt ausschließlich digital oder gar durch den Hersteller oder Importeur direkt vertreiben könnte?“ Die Antwort laut: Nein. Die zentrale Herausforderung wird darin liegen, den Offline- und Onlinehandel unter einem Dach namens Autohaus zu vereinen. Und das wird auch gelingen, so Brachat. Die Aufgabenbereiche im Salesbereich werden mehr in Richtung Coaching und Moderation gehen als in beinhartes, klassisches Verkaufen. Brachat: „Hinter jedem Verkaufserfolg steht die Tat, Fleiß und nochmals Fleiß. Jeder Kunde ist ein Markt! Ich muss die Motivation in mir tragen: Ich will den Auftrag haben. Bei zehn Kontakten gelingen zwei Abschlüsse. Man muss also bei allem Verkaufsabenteuer immer wieder neu aufstehen sich sagen: Ich will.“ Dann, so der Professor, wird es im Autohaus der Zukunft für Verkäufer nicht nur einen Job, sondern auch gute Verdienstmöglichkeiten geben. Wer schon heute an morgen denkt, der sollte sich auch mit zielgerichteten Weiterbildungsmöglichkeiten beschäftigen. Die FH Kufstein bietet speziell für Verkäufer und Automotive-Manager entsprechende Lehrgänge und ein MBA-Studium an (siehe Kasten). Professor Hannes Brachat ist übrigens nur einer von vielen hochkarätigen Gastdozenten an der FH Kufstein. Gerade jetzt, in Zeiten massiver Veränderung, ist die sicherste Investition die in die eigene Fortbildung. Viele Unternehmen unterstützen die einschlägige Ausbildung an der Fachhochschule. Nachfragen in der Chefetage kann sich lohnen. Oder kennen Sie einen Betriebsleiter, der keine topausgebildeten Leute beschäftigen möchte?