Das bedrohte Ölgeschäft

Motoröl
18.04.2017

 
Der Rohertrag für MOTORÖL ist eine wesentliche Säule des Deckungsbeitrags von Werkstätten. Der Elektroautoboom – insofern man überhaupt von einem sprechen kann – könnte eine veritable Bedrohung werden.

Das schwarze Gold hält – überspitzt formuliert – so manchen Kfz-Betrieb am Leben. Doch Gefahren kommen de facto von allen Seiten: Längere Serviceintervalle, geringere Kilometer-Laufleistungen, downgesizte Motoren mit weniger Öl und nicht zuletzt ein Elektroautoboom – zugegeben auf derzeit noch äußerst niedrigem Niveau – sagen dem Schmierstoff den Kampf an. Außerdem: Der Markt ist umkämpfter denn je. Die essenzielle Frage ist, inwieweit und wie lang der immer preissensibler und mündiger werdende Endverbraucher noch bereit ist, so tief in die Tasche zu greifen. Langfristig sollte sich der Kfz-Betrieb wohl nicht auf den tollen Rohertrag verlassen, den er mit Motoröl generiert. Im Grunde vertraut der Endverbraucher seinem Kfz-Meisterbetrieb auch in Bezug auf den richtigen Schmierstoff. Wenn er allerdings diesen Schmierstoff in einem anderen Vertriebskanal zu wesentlich geringeren Preisen findet, ist das Vertrauen zerstört. Argumentationen, wonach am Neuwagen nichts mehr zu verdienen ist, die Stundensätze zu gering und die Herstellervorgaben so hoch sind, gehen ins Leere, weil das dem Endverbraucher ziemlich egal sein wird. Elektroautos brauchen weder Öl noch Luftfilter oder Kupplungsbeläge, und selbst der Bremsenverschleiß ist dank Rekuperation nahezu vernachlässigbar. Der Wartungsaufwand für Stromer ist definitiv deutlich geringer als bei Verbrennern. Und das Motoröl als immens wichtige Säule des Deckungsbeitrags fällt vollends weg.

Die KFZ Wirtschaft hat sich bei den Schmierstoff-Granden umgehört, wohin die Reise gehen soll.

Andreas Obereder GF Obereder GmbH

"Grundsätzlich hat der Elektromotor in vielen Bereichen seine Berechtigung, vorwiegend als Zweitfahrzeug und im Kurzstreckenbereich, allerdings sind noch sehr viele Fragen offen. Außerdem sehe ich den Verbrennungsmotor in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten nicht auf dem Abstellgleis. Heutzutage findet ein regelrechtes Diesel-Bashing statt, wobei der Diesel bei einer ordentlichen Abgasnachbehandlung (z. B. mit AdBlue) wesentlich mehr Vorteile hat als der Benziner, da der Diesel deutlich weniger CO2 ausstößt. Wenn man sich hier ein Beispiel an modernen Nutzfahrzeugen nehmen würde, gäbe es dazu keine Diskussion mehr. Zum Beispiel emittierte bis vor kurzem ein neuer Pkw noch immer mehr Stickoxide als ein moderner Lkw, trotz eines fünfmal geringeren Treibstoffverbrauches. Hier ist die Schuld klar bei den Autobauern zu suchen, die dieses Problem einfach jahrelang vor sich hergeschoben haben. (Selbiges war übrigens 2003 der Fall im Nutzfahrzeug-Bereich – mittlerweile funktioniert es aber). Die Zusatzkosten für die Abgasnachbehandlungssysteme sind dabei überschaubar.

Ein kompletter Schwenk auf Elektromobilität ist für mich derzeit nicht realistisch. Sollte dieses unwahrscheinliche Szenario aber dennoch kurzfristig einsetzen, sind die Ausfälle für die Werkstatt hier nur schwer zu kompensieren.

Ich sehe dann aber auch eine Filialisierung der Autohäuser durch die Hersteller. Das kann man ja auch am Beispiel Tesla sehen – oder wie viele selbstständige Tesla-Händler kennen Sie? Das wäre darüberhinaus ein schwerer Schlag für die KMUs in Österreich, die bekanntlich das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft darstellen."

Hubert Huber CEO Eurolub

„Ich gehe von einer stagnierenden Menge an Schmierstoffen in den großen Industrienationen für die nächsten zehn Jahre aus. Danach wird es – aus heutiger Sicht – auch für Experten schwierig, seriöse Prognosen abzugeben. Sollte die E-Mobilität in den Massenmarkt durchdringen, sind sinkende automotive Schmierstoffabsätze denkbar. Um dafür gewappnet zu sein, verstärken wir bei Eurolub unser Exportgeschäft, aber ohne gleichzeitig unser Kerngeschäft in Europa zu vernachlässigen.

Derzeit setzt sich unser Absatzsplit zusammen aus fünfzig Prozent automotiven Schmierstoffen, fünfundzwanzig Prozent Industrieschmierstoffen, in etwa zehn Prozent Autopflege und fünfzehn Prozent Kühler- und Scheibenfrostschutzmittel. Langfristig ist unser Plan, die rückgängigen Absätze in den Industriestaaten durch großvolumigere Exportgeschäfte auszugleichen. Das Ziel ist es, dass wir bereits in zehn Jahren die Hälfte unseres Umsatzes im Nicht-EU-Raum erwirtschaften. Dafür sind wir derzeit weltweit auf Messen vertreten, beispielsweise in Südkorea, China und Dubai.“

Günter Hiermaier, Leiter Vertrieb Inland+Austria Liqui Moly

„In einigen Ländern, speziell in der EU, besteht das Ziel, die Verbrennungsmotoren zu reduzieren. Wir arbeiten u. a. an einem Additiv für Hybridfahrzeuge, deren Anteil im Vergleich zu Elektrofahrzeugen deutlich höher ist und vermutlich auch bleiben wird. Und Hybridfahrzeuge be- nötigen auch Motoröl. Dagegen boomt in anderen Regionen der Welt die Mobilität mit herkömmlichen Aggregaten. Parallel zu neuen Antriebskonzepten werden die bestehenden sukzessive verfeinert. Bei der Verwendung von synthetischen Kraftstoffen soll es beispielsweise möglich sein, Dieselmotoren CO2-neutral zu betreiben. Power-to-Liquid, also die Umwandlung von Ökostrom mittels Elektrolyse in so genannte E-Fuels, ist bei den Motorenherstellern ein großes Thema. Auch diese Motoren benötigen Schmierung. Als Vollsortimenter sind wir für die Zukunft bestens, weil breit aufgestellt. Unser Portfolio geht über Öle und Additive hinaus: Pflege- und Serviceprodukte, Werkstattkonzepte und vieles mehr sind unabhängig vom Verbrennungsmotor. Gleichwohl befassen wir uns mit der Zeit nach dem Öl, denn wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.“

Andrea Dolfi, Global Technology Manager Engine Fluids & Motorsport, Petronas Lubricants

„Die Entwicklung im Autosektor hin zu Hybridlösungen, die auf eine nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität ausgerichtet sind, hat erheblichen Einfluss auf die Anforderungen an neue Schmierstoffe. Dazu kommt, dass die Durchdringung des Marktes sehr schnelle Fortschritte macht. Der Trend geht eindeutig zu anspruchsvolleren, maßgeschneiderten Schmierstoffen. Das Downsizing von Verbrennungsmotoren verbunden mit der Entwicklung neuer Komponenten wie Direkteinspritzung, Turboaufladung und Ventilsteuerung, erfordert eine sich ständig reduzierende Ölviskosität für weniger Reibungsverluste und somit weniger Kraftstoffverbrauch, sprich Fuel Economy und Emissionen. Das bedeutet immer anspruchsvollere Ziele in Bezug auf Oxidation, Stabilität, Kraftstoffverdünnung, Ölbelüftung, Lufteinschlüsse, Verschleißschutz und nicht zuletzt die Haltbarkeit des Turboladers. Dazu kommen kleinere Ölwannen und ein höherer thermodynamischer Wirkungsgrad, was zusätzlich eine Herausforderung für die Formulierung von Grundölen und Additiven in sich birgt. Es wird sich zeigen, welche Anbieter für diese einschneidenden Veränderungen in der Entwicklung von Motorenölen gewappnet sind.“

Wolfgang Schneider, Marketingleiter Motorex

„Im Pkw-Bereich wäre eine solche Entwicklung mit erheblichen Volumensverlusten verbunden. Jedoch sehe ich diese Entwicklung nicht so rasch kommen. Im Nutzfahrzeugbereich gehen wir von noch viel längeren Übergängen aus. Von einem Plan, den Motorex in der Schublade hätte, weiß ich nichts. Und sollte es einen geben, würde es wahrscheinlich niemand, mich eingeschlossen, erfahren. Solange es Reibung gibt, werden Schmierstoffe benötigt wer- den. Die Prioritäten werden sich vielleicht verlagern. Motorex verfügt über ein sehr breites Sortiment, das stimmt mich positiv.“

Augustin Rigaud, Marketing Manager Total Austria

„Bei Total sind wir davon überzeugt, dass der Schmierstoffmarkt noch für lange Jahre wichtig bleiben wird. Darüber hinaus stellt sich Total seit einigen Jahren als globaler Energieanbieter dar, daher unser Claim ,committed to better energy‘. Wir sind mit SunPower weltweit Nummer zwei bei Solar-Photovoltaik. Total ist bereits in vielfältigen Energiemärkten und Technologien jenseits von Öl tätig, z. B. durch den Kauf von Energie-Batterie-Hersteller SAFT oder mit Investitionen in Natural Gas. Wie sagte unser Geschäftsführer Patrick Pouyanne: ,Das 21. Jh. wird elektrisch sein.‘ Wenn in zehn bis 20 Jahren weniger Verbrennungsmotoren verbaut werden, werden wir uns anpassen und mit neuen Dienstleistungen und Produkten (neue Tankstellen bzw. Ladestationen) bereit sein. Wir haben bereits heute 50 hydrogene Tankstellen in Deutschland, ein Zeichen, dass wir uns stets unserer Umwelt anpassen können.“

Autoren:
Wolfgang Bauer & Philipp Bednar