„Der Aufwand wird immer größer“

Bundesinnung
09.12.2020

 
Die Bundesinnung ­Fahrzeugtechnik hat sich neu konstituiert. Zu einer Wachablöse kam es im Karosseriebau: Manfred Kubik tritt als Bundesinnungsmeister-Stellvertreter die Nachfolge von Erik Papinski an. Die KFZ Wirtschaft wollte wissen, was ihn bewegt. 
Manfred Kubik: „Wer kein neues Auto kauft, fährt dann halt einen Gebrauchten und kommt dann erst wieder in die Werkstatt.“
Manfred Kubik: „Wer kein neues Auto kauft, fährt dann halt einen Gebrauchten und kommt dann erst wieder in die Werkstatt.“

KFZ Wirtschaft: Gratulation zur neuen Position in der Bundesinnung. Was sind die größten Baustellen in Ihrem Bereich?

Manfred Kubik: Abgesehen vom derzeit alles überstrahlenden Thema, dem berühmten C-Wort, ist sicherlich der Facharbeitermangel ein Riesenthema. Jetzt kann man als stadtbekannter ­Zyniker sagen, der löst sich von allein, weil es werden eh ein paar zusperren. So wie kürzlich Toyota Frey. Da sind einige gute Leute plötzlich frei geworden, wenn auch zum Teil markengebunden.

Sie erwarten also weitere Unternehmensschließungen bzw. gar Insolvenzen?

Das ist Kaffeesud­leserei, steht aber zu befürchten. Es geht auch um vor­gezogene Pensionsantritte. Dass der eine oder andere sagt: „Das tu ich mir nicht mehr an“ und statt in zwei Jahren schon jetzt zusperrt. Einige werden aber auch gezwungen sein zu schließen. Im Reparaturbereich wird das nicht so schlimm sein, ich glaube, es wird eher kleine Händler treffen. Die haben ja bisher schon kaum etwas verdient, weil die Spannen beim Neuwagenverkauf extrem gering sind. Und jetzt kommt noch Covid dazu und der schrumpfende Neuwagenmarkt. Der Autohandel hat somit ein doppeltes Problem. 

In weiterer Folge trifft das dann aber theoretisch auch die Werkstätten, oder?

Also die Theorie: Wenn heute weniger Autos verkauft werden, kommen in drei Jahren dann weniger in die Werkstätten – das sehe ich nicht so. Wir haben keinen ­Bedarfsmarkt, wir haben einen Ersatzmarkt. Wer kein neues Auto kauft, fährt dann halt einen Gebrauchtwagen. Oder sein altes Auto weiter, dann kommt er erst wieder in die Werkstatt. Natürlich wird es eine gewisse Zäsur geben. Wenn es einen Haushalt gibt, in dem der eine in Kurzarbeit ist und der andere hat gar keinen Job mehr, dann kann unter Umständen das Auto als Erstes dran glauben. So eine heilige Kuh, wie es vielleicht einmal vor 20 Jahren war, ist das Auto heute nicht mehr in Österreich. 

Zurück zum Fachkräftemangel …

Ja, es fehlt auf ­jeden Fall der Nachwuchs. Hier muss man die Eltern und Großeltern abholen. Die müssen ihre Kinder in die Richtung beeinflussen, dass sie ein Handwerk lernen wollen. Der Stellenwert des Handwerkers muss angehoben werden. Wir haben die Meisterprüfung überarbeitet – das befindet sich gerade in Begutachtung – und ich muss sagen, das ist heutzutage wirklich sehr komplex, mit verschiedenen Modulen und steigenden Anforderungen. Die Leute sind angehalten, den Meistertitel dann auch zu tragen, weil das den Stellenwert des Handwerks stärkt. Vielleicht ist die aktuelle Krise ja sogar ein gewisser Vorteil für das Handwerk, weil viele draufkommen, dass man den Handwerker doch braucht. Und der darf auch offen haben. 

Eine nachhaltig negative Auswirkung aufs Geschäft haben Fahrassistenzsysteme. Wie gehen Sie damit um?

Also da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich kann nur für den großstädtischen Bereich sprechen. Da war es so: Als damals die Park­tronic-Systeme auf den Markt gekommen sind, habe ich befürchtet, dass das für uns schlecht ist, weil wir nicht mehr viele Stoßstangen brauchen werden. Es hat sich dann aber gezeigt, dass das Sicherheitsplus offenbar in Risikofreudigkeit umgewandelt wird. Aber natürlich, die diversen modernen Systeme mit Spurhalteassistenten werden schon helfen, Unfälle zu vermeiden. Die haben wir in der Stadt allerdings kaum. Ich habe weniger Angst, dass das Geschäft weniger wird, sondern mir wird klar, dass das eine Herausforderung ist. Dass wir als Handwerker diese Systeme instand setzen, wieder zum Leben erwecken müssen, nachdem wir sie zuvor ausgebaut haben. Als freie Werkstätte muss man noch dazu alle Systeme beherrschen – das wird eine Riesenherausforderung, macht das Geschäft allerdings auch interessant. 

Wird es die klassischen Schrauber in Zukunft nicht mehr geben, weil die Digitalisierung andere Skills erfordert?

Ich glaube sowohl als auch. Wir brauchen immer noch den, dessen Arbeit, überspitzt formuliert, beim Abmontieren der Stoßstange endet. Aber wir brauchen natürlich auch elektronisches bzw. technisches Verständnis. Weil in dem Moment, in dem wir einen Außenspiegel abmontieren und dann die Zündung aufdrehen, hat das Auto schon einen Fehler gesetzt. Du musst dem Auto dann wieder zeigen, dass es die Spiegel beim Zusperren automatisch zuklappt. Ein Riesenthema sind Windschutzscheiben, wo ich bis heute nicht ­verstehe, warum das ein freies Gewerbe wurde. Das ist ja Wahnsinn! In der Frontscheibe sitzen viele Sensoren fürs autonome Fahren. Wenn die nur etwas falsch eingesetzt wird, kann es gefährlich werden. Wir brauchen da schon ein tiefgreifendes Wissen, sonst kann es zu Unfällen kommen. Das ist ein Riesenthema, das wir als Karosseriebauer haben. Wir müssen das auch den Werkstätten vermitteln, wie wichtig das ist. 

Gibt es hier noch Defizite?

Es muss immer kalibriert werden, ich fürchte aber, in der Praxis ist das nicht immer so. So nach dem Motto: Wenn am Armaturenbrett nichts angezeigt wird, dann passt es schon. Allerdings ist es auch nicht so einfach. Bei manchen Marken, etwa bei Volvo, muss man zwei Stunden fahren, bis die Kalibrierung abgeschlossen ist. Wer macht das und wie verrechnet man das? Der Aufwand wird immer größer. 

Würde es Sinn machen, umzudenken – weg von jeder macht alles hin zu mehr Kooperationen verschiedener Spezialisten? Oder gar, dass diese Ausrüstung von der Innung angeschafft und vermietet wird?

Mir schwebt so ein Leihsystem schon länger bei Kalibrierapparaturen vor. Nur, es muss sich halt auch jemand damit auskennen und man braucht ebene Flächen, es darf in der Halle keine Eisenträger geben und so weiter. Also ich fürchte, dass es an der Komplexität der Systeme scheitert. Theoretisch würde es reichen, wenn wir eine Werkstätte hätten, wo wir diese Geräte haben und auch jemanden, der sich auskennt. Und dann kann man dort hinfahren zum Kalibrieren. Das Problem ist nur: Das ginge vielleicht in Wien, aber wie macht man das beispielsweise in Niederösterreich? Wenn einer von Gmünd oder Bruck nach St. Pölten fahren muss, braucht der eine oder eineinhalb Stunden. Aber ganz grundsätzlich glaube ich auch: Es wird in Zukunft nicht mehr jeder alles können und auch nicht alles können müssen. Man muss nur wissen, an wen man sich wendet. Oft ist es besser, man bedient sich eines Kollegen. Aber auch da redet sich der Wiener leicht, im hintersten Tal in Tirol schaut die Welt anders aus.