Die Traumautos des Motorenprofessors
Bernhard Geringer ist ein gefragter Mann. Als Experte für Verbrennungsmotoren sowie für aktuelle und zukünftige alternative Antriebslösungen wird er derzeit laufend für Vorträge gebucht und um Zukunftsszenarien der individuellen Mobilität gebeten. „Es ist total spannend, was sich gerade abspielt“, sagt er sichtlich begeistert. Für einen Techniker wie ihn ist die aktuelle hektische Betriebsamkeit in den Forschungs- und Entwicklungslabors der Fahrzeughersteller das pure Lebenselixier.
Der Hintergrund: Die Gesetzgeber machen Druck mit der Senkung der Abgaslimits, die Lobbyisten der Decarbonisierung wollen Industrie und Verkehr gänzlich auf Strombetrieb umstellen, die Klimaschützer gewinnen in Europa und Asien immer mehr Einfluss auf die Politik. Am heurigen Internationalen Wiener Motorensymposium machte Fritz Indra, Wiener Grandseigneur der Motorenentwicklung, seinem Ärger über die Entwicklung Luft und warf Audi-Chef Rupert Stadler vor versammeltem Publikum vor, mit dem Bekenntnis zur Elektromobilität der Automobilindustrie großen Schaden zuzufügen. „An den technischen Unis will niemand mehr Motorentechnik studieren“, so Indra, „die jungen Leute glauben nicht mehr daran, dass der Verbrennungsmotor überhaupt noch eine Zukunft hat.“ Bernhard Geringer kann diese Befürchtung für sein Wiener Institut glücklicherweise nicht bestätigen, im Gegenteil: „Die Motorentechnik ist bei unseren Studenten nach wie vor sehr beliebt, der Nachwuchs geht uns so bald nicht aus.“
TRAUMAUTO GOLF GTI
Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Niederösterreich, wurde Geringers Faszination für Mechanik und Maschinen zuerst von Traktoren und landwirtschaftlichen Geräten geweckt. Als Teenager besuchte er die HTL für Landmaschinentechnik in Wieselburg, in den Ferien sammelte er erste Erfahrungen als Schrauber an seinem 50-ccm-Puch-Moped. 1976 machte der damals 18-Jährige seinen Führerschein und bekam von den Eltern sein erstes Auto, einen gebrauchten Opel Rekord mit einem 90 PS starken 2,0-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor. „Damals war es noch üblich, Auspuffreparaturen, die Montage von Zusatzscheinwerfern, das Einstellen des Vergasers oder den Reifenwechsel selbst zu machen“, erzählt Geringer. 1978 durfte er dann sein erstes Traumauto lenken, als er seinen Vater zur Matura überredete, einen Golf GTI als Familienauto anzuschaffen. „Der GTI hatte das mechanische Bosch-Einspritzsystem K-Jetronic an Bord und war dank seines geringen Gewichts sehr sportlich zu fahren“, erzählt Geringer. Nach zwei Jahren legte er sich, mittlerweile Maschinenbaustudent in Wien, ein neueres Modell des GTI mit Fünfgangschaltung zu und behielt dieses bis 1985, als er sein Doktorat an der TU ablegte. Sein nächstes Auto war ein Opel Kadett GSI mit 2,0-Liter-Motor und 115 PS – „ein sehr guter, drehmomentstarker Saugmotor mit Einspritzung“.
Bis 1988 blieb Geringer als Assistent am Institut für Fahrzeugantriebe, dann wurde er von Mercedes-Benz in Stuttgart- Untertürkheim als Motorenentwickler engagiert. Als Daimler-Mitarbeiter fuhr er einen Mercedes 300 E mit Sechszylinder- Ottomotor. Der 3,0-Liter-12-Ventiler mit Saugrohreinspritzung leistete 180 PS und war so zuverlässig, dass er von 1984 bis 1995 nahezu unverändert gebaut wurde. Im Entwicklungslabor experimentierte Geringer dagegen mit exotischen Konzepten wie beispielsweise 5-Ventil-Motoren, die zwar als 4-, 8- und 10-Zylinder-Aggregate für Versuche gebaut wurden, jedoch nie den Weg in die Serienproduktion fanden. Auch mit der variablen elektrohydraulischen Ventilsteuerung, die heute beim Multiair-Motor von Fiat zum Einsatz kommt und auch bei Jaguar in Serie geht, wurde damals im Hause Daimler experimentiert. Zu diesem Thema hatte der junge Ingenieur Geringer seine Doktorarbeit verfasst. 1992 übersiedelte Bernhard Geringer aus familiären Gründen wieder zurück nach Österreich und nahm sich sein aktuelles Traumauto mit: Einen VW Golf VR6 mit 174 PS starkem 3,0-Liter- Sechszylinder- Benzinmotor. Das innovative Aggregat war eine Mischung aus Reihen- und V-Motor mit einem Zylinderwinkel von nur 15 Grad, damit er in den schmalen Bauraum des Kompaktwagens passte.
VON 6 AUF 12 ZYLINDER
Geringer wurde von Steyr Daimler Puch als Fahrzeugentwickler engagiert und blieb dort nach der Übernahme durch Magna bis 2002. In der Freizeit frönte er weiter seiner Autoleidenschaft und traf durchaus emotionale Kaufentscheidungen. So erwarb er unter anderem einen BMW 750i mit 300 PS starkem 12-Zylinder-Motor, der sich jedoch bald als schwerfälliger Spritfresser entpuppte. „Offenbar war der Tacho zurückgestellt worden und das Auto viel stärker beansprucht, als ich dachte“, so Geringer. Nach wenigen Monaten beendete er sein 12-Zylinder-Abenteuer und kaufte sich einen vernünftigen Neuwagen. Dem Audi A6 Diesel blieb er bis 1998 treu, dann schaffte er für seine mittlerweile vierköpfige Familie einen Toyota Picnic Van an. Daneben musste ein Spaßauto her, die Wahl fiel auf ein gebrauchtes Porsche 911 Cabrio aus 1986 mit 260 PS, das Geringer ein paar Jahre lang als Sommerfahrzeug nutzte und danach wieder verkaufte. „Hätte ich die folgende enorme Wertsteigerung vorausgesehen, hätte ich es wohl behalten“, sagt er ein wenig wehmütig.
„Es ist total spannend, was sich gerade in der Motorenentwicklung abspielt!“ BERNHARD GERINGER
2002 erhielt Geringer schließlich die Professur an der TU Wien und übernahm von seinem Vorgänger Hans Peter Lenz die Leitung des Instituts für Fahrzeugantriebe & Automobiltechnik. Seit seinem Dienstantritt kann er sich über mangelnde Abwechslung in seinem Fuhrpark nicht beklagen. Über die Vielzahl an Versuchsfahrzeugen hat er längst den Überblick verloren. Aktuell hat er einen Audi A6 Allrad mit Sechszylinder-Euro 6-Dieselmotor mit SCR-Katalysator sowie einen Audi A3 e-tron mit Plug-in-Hybridantrieb angemeldet. Das aktuell wohl fortschrittlichste und exotischste Fahrzeug am Institut ist ein elektrisch angetriebener Toyota Mirai, der seinen Strom aus Wasserstoff mittels bordeigener Brennstoffzelle erzeugt. Dass der Verbrennungsmotor schon bald vom rein elektrischen Antrieb abgelöst werden könnte, ist für Bernhard Geringer jedenfalls ein unrealistisches Szenario. Der Motorenexperte ist überzeugt: „Der Verbrenner wird mithilfe innovativer Technologien wie zum Beispiel der Elektrifizierung auch mittelfristig die Hauptantriebsform bleiben und gehört damit noch lange nicht zum alten Eisen.“
Bernhard Geringer, geboren 1958, ist Vorstand des Institutes für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien (l.) Als er die Matura bestanden hatte, kaufte sein Vater einen Golf GTI (M. u.). Als Motorenentwickler bei Daimler fuhr er in den 1980er-Jahren einen Mercedes 300 E (M. o.). Nach einem kurzen Abenteuer mit einem 12-Zylinder- BMW stieg er auf einen vernünftigen Audi A6 um, dem er bis 1998 treu blieb (r.).