Elektroachse: Der neue Antriebsstrang

Die Zulieferer der Autohersteller stellen neue kompakte Antriebseinheiten für Elektrofahrzeuge vor. Bosch, Continental, ZF und Schaeffler rittern mit ihren ELEKTROACHSEN um die Pole-Position am explodierenden Zukunftsmarkt der Elektromobilität.

Das Prinzip ist so einfach wie genial: Elektromotor, Getriebe, Leistungselektronik und Differential werden zu einem Paket geschnürt und können in jedes beliebige Fahrzeug vom Kleinwagen bis zum großen SUV anstelle der Vorder- oder Hinterachse eingebaut werden. Allradfahrzeuge werden einfach mit zwei Elektroachsen ausgestatt et, und auch für Hybrid- und Brennstoff zellenfahrzeuge ist das neue Antriebskonzept eine bestechend simple Lösung. Kein Wunder daher, dass sämtliche gro ßen Automobilzulieferer, deren Kernkompetenz bisher die Entwicklung von Komponenten für den Verbrennungsmotor war, mit Hochdruck an der Entwicklung von Elektroachsen arbeiten. Das Rennen wird voraussichtlich die ZF Friedrichshafen AG machen, die angekündigt hat, ihr kompaktes elektrisches Antriebsmodul bereits 2018 bei einem europäischen Automobilhersteller in Serie zu produzieren. Ein Jahr später bringen Bosch und Continental ihre serienreifen Elektroachsen auf den Markt, und auch aus dem Hause Schaeffl er hört man, dass eine elektrische Achse kurz vor der Serieneinführung steht.

„Die E-Achse ist der Start- up- Antrieb für Elektroautos.“ ROLF BULANDER, BOSCH GESCHÄFTSFÜHRER

HOFFNUNG AUF MILLIARDENUMSÄTZE

„Wirtschaft lich kann die E-Achse für Bosch zum großen Wurf werden, denn Bosch bringt damit das All-in-one-Prinzip in den Antrieb“, sagt Rolf Bulander, Geschäft sführer der Robert Bosch GmbH und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions. Bosch erhofft sich Milliardenumsätze allein mit diesem Bauteil. „Die E-Achse ist der Startup- Antrieb für Elektroautos – auch bei etablierten Autoherstellern. Diese sparen sich damit teure Entwicklungszeit und können Elektrofahrzeuge deutlich schneller auf den Markt bringen“, so Bulander. Die Leistung des Antriebs kann zwischen 50 und 300 Kilowatt skaliert werden, das Drehmoment zwischen 1.000 und 6.000 Newtonmeter. Dabei wiegt eine elektrische Achse mit einer Leistung von 150 Kilowatt nur etwa 90 Kilogramm und damit wesentlich weniger als die Komponenten eines herkömmlichen E-Antriebs. Noch gewichtsparender baut Zulieferer Continental sein neues hochintegriertes E-Antriebsmodul. Bei einer Leistung von 150 Kilowatt wiegt dieses nur 75 Kilogramm – ebenfalls inklusive E-Maschine, Leistungselektronik und Getriebe. Continental off eriert den Automobilherstellern seinen komplett en elektrischen Achsantrieb in Leistungsklassen bis 320 Kilowatt und je nach Übersetzungsverhältnis mit bis zu 6.400 Nm Ausgangsdrehmoment. Der Markststart ist für 2019 in China vorgesehen.

„Die Automobilindustrie befi ndet sich auf dem Weg zu einer Null-Emissions-Mobilität.“ PETER GUTZMER, VORSTAND SCHAEFFLER TECHNOLOGIE

BAUKASTENPRINZIP

Zulieferer Schaeffl er präsentierte auf der IAA seine E-Achse der neuesten Generation. Die modulare Baukastenlösung für Hybridfahrzeuge und reine Elektroautos bietet in der einfachsten Form eine eingängige Übersetzung in koaxialer oder achsparalleler Bauweise. Durch die Planetenbauweise des Diff erentials ist das Getriebe extrem kompakt und bietet viel Bauraum für die elektrische Maschine, die als PSM (permanenterregte Synchronmaschine) oder ASM (Asynchronmaschine) mit oder ohne Leis tungselektronik ausgeführt werden kann. Die Basis konfi guration lässt sich durch zusätzliche funktionale Elemente wie beispielsweise eine Parksperre erweitern. Besonders bei Plug-in-Hybridfahrzeugen, bei denen ein dynamischer, rein elektrischer Betrieb bis 120 km/h und gleichzeitig eine hohe Endgeschwindigkeit gefordert sind, ergibt sich die Notwendigkeit eines zweiten Gangs. Bei der von Schaeffl er entwickelten Zweigangachse wird die Querdynamik über einen kleinen Elektromotor inklusive Getriebe gesteuert. „Niemand kann derzeit sagen, wie rasch sich rein elektrische Fahrzeuge auf dem Markt durchsetzen“, meinte Schaeffl er Technologie- Vorstand Peter Gutzmer auf der IAA. Dennoch ist er überzeugt: „Die gesamte Automobilindustrie befi ndet sich auf dem Weg hin zu einer Null-Emissions- Mobilität, und diesen Trend wollen wir durch serienreife Technologien unterstützen.“

INTEGRIERTE SYSTEME

Zulieferer ZF produziert bereits seit längerem Elektromotoren, Achsgetriebe und elektronische Steuerungen für Automobilhersteller in Großserie. 2018 startet das Unternehmen die Serienfertigung seiner ersten E-Achse für einen europäischen Hersteller. „Das effi ziente und kompakte Antriebssystem von ZF zeigt, dass die Systemintegration von Getriebe, E-Maschine und Leistungselektronik eine Schlüsselkompetenz darstellt, die wir unseren Kunden aus einer Hand bieten können“, sagt Jörg Grotendorst, Leiter der neuen Division E-Mobility bei ZF. Der modulare Ansatz für elektrische Achs antriebe deckt mit verschiedenen Leistungsklassen und Baulängen die Anforderungen unterschiedlicher Kunden und Modelle ab – von Kompaktwagen bis hin zu leichten Nutzfahrzeugen. In der ZF-E-Achse sind eine elektrische Asynchronmaschine (ASM), ein zweistufi ges Ein-Gang-Getriebe, Diff erential, Gehäuse und Kühler sowie die Leistungs elektronik samt Soft ware integriert. Motor und Getriebe teilen sich ein Gehäuse, was Produktion und Endmontage vereinfacht. Das System leistet bis zu 150 kW und ein maximales Achsmoment von 3.500 Nm. Das kompakte Antriebssystem misst 45 × 38 × 51 cm und wiegt 113 Kilogramm. Ein integriertes Kühlsystem regelt die optimale Betriebstemperatur von E-Motor und Elektronik.

„Wir bieten unseren Kunden eine kompakte Antriebslösung.“ JÖRG GRODENDORST LEITER DIVISION E-MOBILITY ZF