Biokraftstoffe
Klima retten mit E-Fuels
Die Elektromobilität setzt sich langsamer durch, als erwartet. Fazit: 2030 werden in der EU weiterhin rund 75 Prozent der 350 Millionen Pkw fossile Kraftstoffe tanken. Selbst in Österreich, wo laut Mobilitätsmasterplan der Bundesregierung ab 2030 nur mehr emissionsfreie Pkw neu zugelassen werden dürfen, wird zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Bestandsfahrzeuge nach wie vor Benzin oder Diesel tanken und somit weiter viel CO2 ausstoßen. Mats Hultman von Neste, dem weltweit größten Hersteller von erneuerbarem Dieselkraftstoff und nachhaltigem Kerosin, zeigte auf dem Symposium, wie sich die CO2-Belastung drastisch reduzieren ließe. Neste erzeugt seit Jahren großindustriell „Biodiesel“ etwa aus Altölen, mit dem der CO2-Ausstoß des Fahrzeugs um bis zu 90 Prozent gesenkt wird und damit das Niveau eines Elektroautos auf Basis des EU-Strommixes erreicht – wenn die Energieerzeugung mitberücksichtigt wird. Der Kraftstoff aus hydriertem Pflanzenöl kann dem fossilen Diesel beigemengt werden oder ihn vollständig ersetzen – ohne dass eine neue Tankinfrastruktur oder neue Motoren nötig wären.
Fokus auf lokale Emissionen
Ob dieser Lösungsansatz in der EU eine Chance hat, ist allerdings ungewiss. Denn die EU-Gesetzgebung konzentriert sich bei den Emissionen nur auf die Abgase aus dem Auspuff, die Energieerzeugung wird ausgeklammert. Damit gilt Strom immer als emissionsfrei, auch wenn er mit Kohle erzeugt wird und ein Elektroauto damit unterm Strich mehr CO2 erzeugt als ein Diesel-Pkw. Sollte zudem die für die kommenden Jahre geplante neue Abgasnorm Euro 7 sowie weitere Richtlinien im Zuge des Green Deal den Verbrennungsmotor praktisch unmöglich machen, würden laut Hultman einige der besten Lösungen in der EU verhindert werden. Dabei sei die Energiequelle für das Klima entscheidend und nicht der Antrieb, für den sie verwendet wird. Die Klimaziele seien nur mit einer Kombination aller verfügbaren Lösungen in der nötigen Schnelligkeit erreichbar und dazu zählen neben Strom auch Wasserstoff, Biogas, erneuerbare sowie synthetische Kraftstoffe, die so genannten E-Fuels.
Problem Energiebilanz
Die einfachste Form von E-Fuels ist grüner Wasserstoff, der mit Ökostrom aus Wasser via Elektrolyse erzeugt wird. Er lässt sich durch die Beigabe von Kohlenstoff aus CO2, das entweder aus der Luft oder aus Industrieabgasen abgespalten wird, zu flüssigen Kraftstoffen wie E-Methanol, E-Benzin, E-Diesel oder auch E-Kerosin weiterverarbeiten. CO2-Abspaltung und Wiederverwertung sind unerlässlich, um den nötigen klimaneutralen Kohlenstoffkreislauf zu schaffen, betonte Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim an der Ruhr. Doch E-Fuels haben eine schlechtere Energiebilanz als Ökostrom, der direkt ein batterieelektrisches Auto antreibt. Dennoch sieht Schlögl in dem höheren Energieaufwand für die Herstellung von E-Fuels kein Problem: „Werden nur 0,5 Prozent der Landoberfläche mit PV-Anlagen bedeckt, ist das Problem erledigt.“
Kosten als Argument
Was die Kosten vor Steuern betrifft, wären mit heutigen Fahrzeugtechnologien E-Fuels die billigste Art, 2050 CO2-frei zu fahren, verwies Ulrich Kramer von Ford auf die umfassende Kraftstoffstudie 4 der deutschen Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V. (FVV). Anders als Batterien verlieren sie auch über eine lange Speicherdauer keine Energie, sagte Martin Härtl von der Technischen Universität München. Diese Vorteile sind umso wichtiger, als die EU laut Schlögl auch künftig einen Großteil ihrer Energie aus fernen Weltregionen wird importieren müssen. Anders als Erdöl oder Erdgas lässt sich Ökostrom jedoch nicht in Schiffen oder Pipelines transportieren. Laut Jürgen Rechberger von der AVL in Graz sind Ökostromspeicher wie Wasserstoff und E-Fuels auch „zum Schließen von Versorgungslücken im erneuerbaren Stromnetz“ nötig, bei uns etwa im Winter, wenn die Sonne selten scheint. In Graz entsteht derzeit eine AVL-Pilotanlage für die Herstellung von E-Fuels.
Porsche setzt auf E-Benzin
Porsche errichtet mit Partnern gerade in Chile eine Pilotanlage für E-Fuels, die 2022 in Betrieb gehen und ab 2025 mit der Serienproduktion starten soll. Die geplante Produktionsmenge pro Jahr beträgt 55 Millionen Liter E-Benzin, zwei Jahre später soll diese Menge verzehnfacht werden. Porsche will dort E-Methanol, E-Benzin und später auch E-Kerosin erzeugen. Für Hinrich Helms vom Forschungsinstitut Ifeu in Heidelberg macht die E-Fuel-Produktion allerdings nur dort Sinn, wo Ökostrom im Überfluss zur Verfügung steht, wie eben in Chile oder in Nordafrika, nicht aber in Europa, solange hier mit fossiler Energie Strom erzeugt wird. In Regionen wie Chile gehen Experten von rund einem Euro an Herstellkosten pro Kilo grünem Wasserstoff als Basis-E-Fuel aus. In Zentraleuropa werden heute die Herstellkosten pro Kilo dagegen auf rund vier Euro geschätzt – abhängig vom lokalen Strompreis.
Investoren zögern
Viele Experten bezweifeln aber ohnehin, dass E-Fuels ausreichend schnell in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um auch im Pkw-Bereich einen größeren Beitrag zur Energiewende leisten zu können. Sie würden eher in der Luft- und Schifffahrt benötigt. Für Helms von Ifeu werden auch schlichtweg die nötigen Mengen unterschätzt. Zudem zögern große Investoren, die für die Erzeugung von E-Fuels nötigen Milliarden auszugeben, solange die EU-Gesetzgeber sie nicht als Beitrag zur Klimawende anerkennen. Für Karsten Wilbrand von Shell fehlt es den EU-Gesetzgebern an „Technologieoffenheit“. Diese gilt aber als unerlässlich, um die angestrebte Energiewende in der Mobilität schnell genug umzusetzen, um zumindest in die Nähe der festgelegten Klimaziele zu gelangen.