NoVA 2021: Minimale Auswirkungen auf Emissionen

CO2-Fußabdruck
11.05.2021

 
Die Regierung prognostiziert durch die Änderung der NoVA-Regelung ein CO2-Einsparungspotenzial von 140.000 Tonnen bis 2030. Das klingt nach viel, ist es aber nicht. Wie der Fuhrparkverband Austria (FVA) errechnet hat, müsste jedes gewerblich genutzte Fahrzeug in Österreich nur 59 Kilometer pro Jahr weniger fahren, um die gleiche Emissionseinsparung zu erreichen.
Die Gestaltung der betrieblichen Mobilität der Zukunft erfordert auch Kreativität und Flexibilität. Doch die kann schlecht mit immer höheren Steuern erzwungen werden, meint der FVA..
Die Gestaltung der betrieblichen Mobilität der Zukunft erfordert auch Kreativität und Flexibilität. Doch die kann schlecht mit immer höheren Steuern erzwungen werden, meint der FVA..

140.000 Tonnen CO2. Diese Emissionssumme an Kohlenstoffdioxid soll die neue NoVA-Regelung bis 2030 in Österreich reduzieren. Henning Heise, Obmann Fuhrparkverband Austria (FVA): „Das klingt nach einem großen Wurf – ist es aber nicht, wie ein einfaches Berechnungsbeispiel des Fuhrparkverband Austria (FVA) zeigt.“

Dazu muss man ein paar Zahlen kennen, etwas Hintergrundwissen aus der Fuhrparkpraxis haben und ein paar Zusammenhänge herstellen. Doch der Reihe nach:

Wie viele gewerblich genutzte Fahrzeuge sind in Österreich aktuell zugelassen?

Ende 2020 waren laut dem Fahrzeugbestand der Statistik Austria in Österreich 719.957 Pkw und 341.234 Nutzfahrzeuge auf Unternehmen angemeldet. Das entspricht in Summe 1.061.191 gewerblich genutzter Fahrzeuge der Klasse M1 und N1.

Wie viele Kilometer fahren diese Fahrzeuge im Schnitt pro Jahr?

Heise: „Die Jahreslaufleistung gewerblich genutzter Fahrzeuge ist im Durchschnitt über dreimal so hoch wie jener von privat genutzten Pkw und liegt bei zirka 35.000 Kilometer pro Jahr. In Summe fahren die 1.061.191 gewerblich genutzten Fahrzeuge also rund 37.141.685.000 Kilometer pro Jahr. Oder anders gesagt: Zusammen legen sie die Strecke von der Erde zum Mond – das sind knapp 384.400 Kilometer – 97.333 Mal zurück.

Nun stoßen laut den Emissionskennzahlen des Umweltbundesamt Pkw 249,2 und leichte Nutzfahrzeuge (<3,5 Tonnen Gesamtgewicht) 296,5 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer aus. Heise: „Machen wir es für die Rechnung einfach und nehmen die 249 Gramm, also die niedrigeren CO2-Werte der Pkw, als Basis für die weitere Berechnung und multiplizieren den CO2-Ausstoß pro Kilometer mit der Jahreslaufleistung aller gewerblich genutzten Fahrzeuge, also mit den 37.141.685.000 Kilometern. In Summe ergibt das einen CO2-Ausstoß von 9.248.280 Tonnen pro Jahr. Wir sehen schon, die 140.000 Tonnen sind nicht der große Wurf.“

Wie vielen Kilometern entspricht nun die geplante Einsparung durch die NoVA? Wenn man wissen möchte, um wie viele Kilometer jedes gewerblich genutzte Fahrzeug pro Jahr weniger fahren müsste, um die Prognose zu erreichen, braucht man nur die 140.000 Tonnen durch die 249 Gramm CO2-Ausstoß zu dividieren und auf neun Jahre – wir erinnern uns, die Einsparung zielt auf die Zeit bis 2030 ab ­– zu verteilen. Das entspricht 562.248.996 Kilometern gesamt – oder 62.472.111 Kilometer pro Jahr. „Jedes der derzeit 1.061.191 gewerblich genutzten Fahrzeuge müsste pro Jahr also nur 59 Kilometer weniger fahren, um die gleiche CO2-Einsparung zu erreichen, wie die Regierung als NoVA-Wirkung prognostiziert“, betont Heise.

CO2-Reduzierung über NoVA-Neu ist teuer erkauft

Diese Berechnung zeigt zwei Dinge sehr deutlich auf. „Erstens: Die NoVA ist als Instrument zur Senkung der CO2-Emissionen ungeeignet“, so Heise. Und Zweitens: „Die geringfügige Reduktion der CO2-Emissionen in Österreich – die 140.000 Tonnen entsprechen einer Reduktion von 1,5% der gesamten CO2-Emissionen der aktuell gewerblich zugelassenen Fahrzeuge. Der minimale Effekt wird also sehr teuer erkauft. Bezahlt wird das von tausenden Unternehmen in Österreich, die derzeit ohnehin eine wirtschaftlich äußert prekäre Situation durchmachen.“

Der FVA-Obmann stellt klar: „Wir sind für eine Ökologisierung des Verkehrsbereichs. Der Fuhrparkverband Austria macht sich seit seiner Gründung für eine Dekarbonisierung der beruflichen Mobilität im Rahmen von gezielter Know-how-Vermittlung bei den heimischen Unternehmen stark.“ So hat der Verband etwa schon gemeinsam mit der BieM (Bundesinitiative Elektromobilität) eine zweitägige E-Mobility-Konferenz organisiert, auf der Fuhrparkmanager auch die Möglichkeit hatten 50 Elektrofahrzeuge aller Klassen zu testen. Dazu wurden zahlreiche Seminare zur Implementierung von Elektroautos in den Fuhrpark, zur betrieblichen Ladeinfrastrukturerrichtung oder Best-Practice-Vorträge veranstaltet.

 „Wir spüren, die B2B-Mobilität verändert sich. Viele Firmen gehen den Weg in Richtung CO2-Neutralität oder bereiten ihn gerade vor. Wir fördern das durch Know-how-Transfer, weil wir Fuhrparkmanager beim Wandel zum Mobilitätsmanager unterstützen wollen“, erklärt Heise. Und deshalb sei der FVA der Meinung, dass der stärkste Hebel bei CO2-Reduzierung im Verkehrsbereich nicht in höheren Steuern begraben liegt, sondern die Maßnahmen breiter, praxisnaher und mit motivierendem Charakter zu gestalten seien.

Einerseits fordert der Fuhrparkverband eine Aufschiebung der NoVA-Einführung für leichte Nutzfahrzeuge um mindestens ein Jahr bzw. eine Korrektur der NoVA-Berechnung für leichte Nutzfahrzeuge. Heise: „Der Markt gibt derzeit nicht für alle Einsatzzwecke eine elektrische Alternative her. Im Pkw-Bereich ist ein Umstieg für den Großteil bereits möglich, im Nfz-Bereich ist es aber Großteils noch sehr schwierig. Wenn die Politik die Unternehmer nun zum Umstieg zwingt, riskiert sie aufgrund von schlechten Alltagserfahrungen den langfristigen Erfolg der E-Mobilität in Österreich.“ (Hinweis: In Teil 3 haben wir das Thema ausführlich behandelt!)

1-2-3-Ticket ist „perfekter Ansatz“

Darüber hinaus fordert der FVA eine österreichweite Förderungen von Ausbildungen und Schulungen für Mitarbeiter in den Themen Mobility & Travel Management. Heise: „Würden mehr Dienstreisen und beruflich veranlasste Wege per Bahn oder Rail & Drive absolviert werden, dann würde die Jahreslaufleistung der Fahrzeuge um weit mehr als 59 Kilometer pro Jahr sinken. Das von Bundesministerin Leonore Gewessler initiierte 1-2-3-Ticket ist dafür ein perfekter Ansatz. Um die maximale Wirkung entfalten zu können, braucht es aber mehr Sensibilisierung in den Unternehmen, auch um die Sicherheits-, Kosten- und Zeitvorteile dieser Dienstreiseart bekannter zu machen. Kurz: Man muss den Unternehmen aufzeigen, dass sie dadurch Treibstoff, Fuhrparkkosten und CO2-Emissionen senken können und sie gleichzeitig die Effizienz sowie die Sicherheit ihrer Mitarbeiter erhöhen.“

Alternative Mobilitätsformen prüfen

Darüber hinaus ist für den Obmann des Fuhrparkverbands klar, dass auch Dienstfahrräder und Lastenräder ihre Vorteile haben – auch wenn sie nicht für alle Branchen und Betriebe gleichermaßen den Verzicht auf ein leichtes Nutzfahrzeug ermöglichen. Ähnlich ist es derzeit bei den Transportern, nicht für jeden Einsatzzweck bietet der Markt aktuell das passende E-Modell. Heise: „Die Dekarbonisierung des Verkehrs erfordert von den Unternehmen auch Kreativität und Flexibilität. Jeder Geschäftsführer sollte den Mut haben, sich mit möglichen Alternativen zu den konventionellen Fahrzeugen zu beschäftigen und sie im Alltag ernsthaft vor einem kategorischen Ausschluss testen. Das gilt für Rail & Drive, die E-Mobilität sowie Job- und Lastenräder gleichermaßen.“

Alle Maßnahmen, die zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen, sind wichtig. Und Boni sind bekanntlich stärker als Strafen. Deshalb sieht der FVA in positiv konnotierten Maßnahmen und NoVA-Alternativen eine große Chance. Heise: „Die heimischen Unternehmen und ihr Mobilitätsverhalten bergen ein gewaltiges CO2-Einsparungspotenzial. Wir empfehlen deshalb allen Unternehmern die Einführung von Mitarbeiter-Motivationsprogrammen – und die sollten auch von der Politik gefördert werden.“ Beispielsweise wäre für den FVA ein CO2-Einsparungsbonus denkbar, der über einen klar dokumentierten Vorher-/Nachher-Vergleich für einen bestimmten Zeitraum den CO2-Mobilitäts-Fußabdruck der Firma und einzelnen Mitarbeiter ausweist. Heise: „Das würde einerseits die Emissionen transparent machen und andererseits ein Spielfeld für Motivationsmaßnahmen öffnen. Wer – egal ob Unternehmen oder Mitarbeiter ­– einen definierten Prozentsatz einspart, der wird belohnt. Wer sich weigert oder steigert, der muss dafür bezahlen.“

Starthilfe in Form von Förderungen

Doch diese Berechnungen ist komplex und zeitaufwendig. Heise: „Die Unternehmer brauchen dafür positive Perspektiven. Das ist am Anfang mit einem bisschen Mehraufwand verbunden: Man muss sich Know-how aneignen, die Mitarbeiter für das Thema sensibilisieren und motivieren – und die Firmen müssen investieren. Hier bräuchte es etwa Unterstützung für Emissionsanalysen, zur Ausbildung und Schulung sowie die Implementierung von Software-Tools, die etwa auf Knopfdruck die ökologisch beste Reisevariante oder -route berechnet und die CO2-Einsparung automatisch protokolliert.“

Für Heise und den FVA steht fest: „Die Emissionszahlen und der Klimawandel verlangen nach schnellem und deutlichem Handeln. Fahrzeuge aller Klassen durchlaufen gerade in unterschiedlichster Geschwindigkeit die Elektrifizierung – und damit eine Transformation in Richtung CO2-Neutralität. Klar ist jedenfalls: Wir werden auch in Zukunft Fahrzeuge brauchen – aber wir haben jetzt die Chance die betriebliche Mobilität in Zukunft klimafit zu gestalten. Und das sollte als gemeinsames Projekt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vermittelt und umgesetzt werden.“