Plug-in-Hybride: Der grüne Lack blättert ab

Hybrid
20.01.2021

Die einen fördern sie, die anderen kaufen sie. Und immer mehr Experten kritisieren sie: Aktuelle Studien stellen Plug-in-Hybriden in Sachen CO2-Ausstoss kein gutes Zeugnis aus. Der VDA kontert scharf. Und die Konsumenten kaufen brav. 
Repräsentieren Plug-in-Hybride wirklich das Beste aus beiden Welten? Manch einer hat so seine Zweifel...

Spät, aber doch gibt Deutschland in der Elektromobilität Gas. Mit 82.802 neu zugelassenen Elektro-Pkw im Dezember hat sich der Absatz gegenüber dem Vergleichsmonat aus dem Vorjahr laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamt versiebenfacht (+629 Prozent). Auch der Elektroanteil am Pkw-Gesamtmarkt erreichte mit 26,6 Prozent einen neuen Höchstwert. Jeder vierte Neuwagen ist also bereits elektrisch. Damit lag der Anteil von E-Pkw erstmals über dem von Diesel-Pkw, der zum Jahresende 2020 den Angaben zufolge 26,2 Prozent betrug. Im Gesamtjahr 2020 erreichten die E-Pkw einen Marktanteil von 13,5 Prozent, die Neuzulassungen lagen um 263 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Eine grüne Mogelpackung?

Mit 39.107 Einheiten entfiel beinahe die Hälfte aller Neuzulassungen im Dezember auf Plug-In-Hybride (PHEV). Genau diese Fahrzeuggattung - von der Autobranche gern als das Beste aus zwei Welten propagiert (emissionsfrei auf der Kurzstrecke, ansonsten aber auch mit normaler Reichweite) - steht allerdings immer wieder in der Kritik. Umweltverbänden sind die Zwitter-Pkw und die üppige Förderung, die es vom Staat dafür gibt, ein Dorn im Auge. Der Vorwurf: Ihr CO2-Ausstoß sei viel höher als die Hersteller behaupten, womit diese Fahrzeuge meist nicht wirklich umweltfreundlich seien.

Der europäische Umwelt-Dachverband „Transport & Environment“ (T & E) hat im Vorjahr beispielsweise drei beliebte Plug-in-Hybride (BMW X5, Volvo XC60 und Mitsubishi Outlander) im Realbetrieb untersuchen lassen. Ergebnis: Die CO2-Emissionen der drei Wagen selbst bei voller Batterie und unter optimalen Testbedingungen um 28 bis 89 Prozent über den offiziellen Werten. Waren die Fahrzeuge rein im Verbrennermodus unterwegs, stiegen die Emissionen auf das Drei- bis Achtfache. Den Test durchgeführt hatte das in Großbritannien ansässige Institut Emissions Analytics.

Jetzt wurde eine vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie publik, die zeigt, dass der Boom dieser Fahrzeuge sogar die Klimaziele im Verkehr gefährde, da sie im täglichen Betrieb in der Regel überwiegend mit dem Verbrennungsmotor gefahren werden. Die vom Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu), dem Öko-Institut sowie „Transport & Environment“ durchgeführte Untersuchung erwartet 2030 rund 2,6 Millionen Plug-in-Hybrid-Pkw in Deutschland. Legt man den theoretischen Normverbrauch zugrunde, würden diese in einem Jahr rund 2,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. In der Praxis werden es den Wissenschaftlern zufolge jedoch 6,7 Millionen Tonnen sein. Zumindest dann, wenn es bei den derzeitigen geringen elektrischen Fahranteilen bleibt. Man rechnet in diesem Fall für 2030 also mit bis zu 4,3 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Emissionen durch die Teilzeitstromer.

Doch selbst mit mehr Elektro-Disziplin wird laut besagter Studie der Zielwert verpasst: Gelingt es, das tägliche Laden bis 2030 sukzessive zum Standardfall zu machen, so liegen die Mehremissionen bei etwa 0,8 Millionen Tonnen. Die Verfasser der Studie schätzen, dass schon nach bisherigen Erkenntnissen das CO2-Ziel im Verkehrssektor von 95 Millionen Tonnen für das Jahr 2030 um etwa 30 Millionen Tonnen CO2 überschritten wird. Aus umweltpolitischer Sicht sollte die Förderung aus Kaufprämie und Steuervorteilen dringend überprüft werden, so die Experten.

„Wegbereiter für E-Mobilität“

Prompt betitelte beispielweise das renommierte „Handelsblatt“ seinen Bericht: „Plug-in-Hybride werden zum Klimaproblem“. Der deutsche Herstellerverband VDA reagiert verschnupft und springt den Plug-in-Hybriden zur Seite: „Während die Elektromobilität in Deutschland eine hohe Wachstumsdynamik entfaltet, versuchen einige Kritiker, diese Antriebsart schlechtzureden. Wir halten dies für falsch. Plug-in-Hybride leisten nachweislich einen wichtigen Beitrag zu effektivem Klimaschutz“, sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller in einer Aussendung. Plug-in-Hybride seien „Wegbereiter für die Elektromobilität“ und würden auch von der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) der deutschen Bundesregierung als solche eigestuft, so Müller. Und weiter: „Wenn Studien, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt wurden, jetzt zu dem Ergebnis kommen, dass Plug-in-Hybride die Klimaziele im Verkehr gefährden, dann grenzt das schon an eine bewusste Irreführung der Verbraucher.“

Tatsächlich sei sogar das Gegenteil der Vorwürfe richtig: Eine NPM-Taskforce bescheinige Plug-in-Hybriden das Potenzial, die CO2-Emissionen im Straßenverkehr deutlich senken zu können. In Verbindung mit der Nutzung alternativer Kraftstoffe könnten sie integraler Bestandteil des Antriebsportfolios der Zukunft sein. Müller: „Wir sind davon überzeugt: Plug-in-Hybride sind ein zentrales Instrument, um schnell messbare Fortschritte beim Klimaschutz zu erreichen. Mit den steigenden elektrischen Reichweiten und einer verbesserten Ladeinfrastruktur steigt auch der Fahranteil mit Elektroantrieb.“

Derzeit haben PHEV eine durchschnittliche elektrische Reichweite von rund 50 bis 70 Kilometern. Erste Plug-in-Modelle mit Reichweiten von 80 bis 100 Kilometern sind aber bereits verfügbar oder angekündigt. Mit diesen Fahrzeugen können in Deutschland laut MiD (Mobilität in Deutschland) knapp 99 Prozent der täglichen Fahrten mit dem elektrischen Antrieb zurückgelegt werden. Das entspricht 75 Prozent der gesamten jährlichen Fahrleistung. „Plug-in-Hybride nehmen den Menschen die Sorge vor geringen Reichweiten. Sie sind für alle Mobilitätsbedürfnisse einsetzbar, vom täglichen Pendeln zur Arbeit mit elektrischem Antrieb bis hin zur Langstrecke mit sauberen Verbrennungsmotoren“, sagt die VDA-Präsidentin. Damit würden sie tatsächlich das ,Beste aus beiden Welten‘ darstellen. Die Expertengruppe der NPM kommt laut Müller außerdem zu dem Ergebnis, dass die Hybridtechnologie in der Transformationsphase der Automobilindustrie dazu beiträgt, den Abbau von Arbeitsplätzen zeitlich zu strecken.

1 Ladepunkt für 17 Pkw

In einem sind sich indes alle Marktteilnehmer, Experten und Beobachter einig: Das Sorgenkind für den Ausbau der Elektromobilität bleibt die Ladeinfrastruktur. Und diese hält offenbar mit dem Wachstum bei den Neuzulassungen an E-Autos nicht Schritt. Laut der deutschen Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland aktuell 34.056 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Bei einem Bestand von rund 580.000 Elektro-Pkw zu Jahresanfang müssen sich nun bereits 17 E-Pkw einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen. Im Mai 2020 waren es noch rund 10. Hier gibt es, übrigens auch in Österreich, großen Handlungsbedarf.Mitte

Dies, zumal die Elektromobilität offenbar nun bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist: Im Dezember entfielen mit 41 Prozent die meisten Neuzulassungen von E-Autos auf private Halter. Firmenwagenkäufer bildeten mit 31 Prozent die zweitgrößte Haltergruppe auf dem E-Neuwagenmarkt, gefolgt von anderen Haltergruppen wie Vermieter, Carsharing und Kfz-Handel mit 28 Prozent.