Verbrenner unter Druck

Motorensymposium
14.06.2016

Sinkende Abgaslimits und verschärfte Kontrollen setzen die Entwickler von Verbrennungsmotoren gehörig unter Druck. Am 37. Internationalen Wiener Motorensymposium stellten die großen Automobilhersteller die Antriebsstrategien für die nächsten Fahrzeuggenerationen vor.

Die Hersteller von Verbrennungsmotoren haben’s derzeit nicht leicht: In Europa, den USA und sogar in China werden die Abgaslimits gesenkt und die Kontrollen verschärft, gleichzeitig nehmen elektrische Antriebssysteme, die ihre Ener­gie aus Batterien und Brennstoffzellen beziehen, rasant an Fahrt auf. So konnte Elektro-Pionier Tesla für sein Model 3 wenige Tage nach der Neuvorstellung über 300.000 Vorbestellungen verbuchen – ein Hype, der in der Automobilgeschichte bisher beispiellos ist. Dennoch resümierte Hans Peter Lenz, der Gründer und Leiter des Wiener Motorensymposiums, das heuer zum 37. Mal in der Wiener Hofburg über die Bühne ging, nach dem zweitägigen Vortragsmarathon: „Die Basis des Antriebs im Automobil bleibt noch für lange Zeit, sicher für weitere 20 bis 25 Jahre, der Verbrennungsmotor.“ Die mehr als 1000 von den weltgrößten Automobilherstellern nach Wien entsandten Motorenexperten und Topmanager waren sich einig: Der Ottomotor könne in seiner Effizienz noch dramatisch verbessert werden und in puncto Wirkungsgrad mit dem Dieselmotor gleichziehen. Der Plug-in-Hybridantrieb werde sich als „Brückentechnologie“ auf dem Weg zum emissionsfreien Fahren etablieren. Und auch der zuletzt durch diverse Abgasskandale in Misskredit geratene Dieselmotor habe noch ein enormes Entwicklungspotenzial. Ausgeschöpft werden soll dieses unter anderem durch  Registeraufladung, elektrisch betriebene Verdichter oder eine Vollaluminium-Bauweise. Hier die aktuellen Rezepte der Fahrzeughersteller:

VW: Benziner mit Zylinderabschaltung

Die neuen 1,5 Liter Ottomotoren der Baureihe EA211 TSI evo von Volkswagen lösen ab dem vierten Quartal 2016 stufenweise den bisherigen EA211 R4 TSI mit 1,4 Liter Hubraum ab. Friedrich Eichler, Leiter der 
Aggregateentwicklung bei Volkswagen,
weist auf den um bis zu zehn Prozent gesteigerten Wirkungsgrad im Vergleich zum Vorgänger hin sowie auf den Verbrauchsvorteil von einem Liter auf 100 Kilometer. Die effizienzsteigernden Maßnahmen: Miller-Brennverfahren mit erhöhter Verdichtung, Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie, erstmaliger Einsatz der Common-Rail-Einspritzanlage der vierten Generation mit einem auf 350 bar erhöhten Druck und Zylinderabschaltung ACT, die bis in mittlere Lastbereiche die Ein- und Auslassventile der Zylinder 2 und 3 schließt und die Einspritzung deaktiviert.

Porsche: kleinere turbo-Boxer

Porsche setzt auf Down­sizing und hat für seine neuen Sportwagen 911 Carrera und 718 Boxster komplett neue turboaufgeladene Boxermotoren entwickelt. Im Boxster-Basismodell weicht der 2,7 Liter Sechszylinder-Saugmotor einem 2,0 Liter Vierzylinder-Turbomotor mit 300 PS und im S-Modell der 3,4 Liter Sechszylinder-Saugmotor einem 2,5 Liter Vierzylinder-Turbomotor mit 350 PS. Trotz des Downsizings steigt die Motorleistung bei beiden Motoren um jeweils 35 PS gegenüber den Vorgängern. Thomas ­Wasserbäch, Leiter Entwicklung Boxermotoren bei Porsche, verspricht Verbrauchseinsparungen im Vergleich zu den Vorgängermodellen von zehn bis 13 Prozent.

BMW: kräftige Lebenszeichen 

Kräftige Verbrenner-Lebenszeichen auch bei BMW: Der neue 7er wird in der Topausstattung von einem 12-Zylinder-Ottomotor angetrieben. Das 6,6-Liter-V12-Aggregat  mit 441 kW/600 PS und 800 Nm Drehmoment setzt sich durch seine nochmals gesteigerte Dynamik in Verbindung mit reduziertem Kraftstoffverbrauch an den Spitzenplatz im BMW Efficient Dynamics Programm. Wahlweise kann der 7er aber auch mit einem ebenfalls neu entwickelten 3,0 Liter Sechszylinder-Diesel geordert werden. Fritz Steinparzer, Leiter der Dieselmotorenentwicklung bei BMW Steyr, stellt die neu konzipierte permanente zweistufige Aufladung aus zwei Niederdruck- und zwei Hochdruck-Abgasturboladern vor. Die Leistung erhöht sich damit von 280 kW auf 294 kW (400 PS) bei einem Drehmoment von 760 Nm, die Verbrauchsreduktion beträgt vier bis sechs Prozent.

Audi: echte Weltpremiere

Audi präsentiert mit seinem neuen V8-TDI eine echte Weltpremiere: Der Dieselmotor kombiniert erstmals eine Registeraufladung mit einem elektrisch angetriebenen Verdichter, der einen Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,8 Sekunden ermöglicht. Der neue V8-TDI schöpft seine Leistung von 320 kW bei einem maximalen Drehmoment von 900 Nm aus 4,0 Liter Hubraum. Der neue Motor kommt zuerst im Audi SQ7 mit 8-Stufen-tiptronic und quattro-Antrieb zum Einsatz und ist auch für andere Konzernmodelle vorgesehen. Andreas Fröhlich, Leiter der V-Dieselmotorenentwicklung bei Audi: „Mit dem neuen Triebwerk konnten wir den Verbrauch auf 7,2 l/100 km senken und gleichzeitig die Motor- und Fahrleistungen spürbar verbessern.“

Mercedes-benz: Hybrid-evolution

Mercedes-Benz stellt bereits die dritte Generation seiner Hybridantriebe vor. Eine Hochvolt-Batterie kann an der Steckdose aufgeladen werden und ermöglicht eine rein elektrisch gefahrene Reichweite von gut 30 Kilometern. Der Antriebsstrang basiert auf dem neuen Automatikgetriebe 9G-Tronic und kombiniert eine 65 kW-E-Maschine mit einem aufgeladenen 2.0 Liter Vierzylinder-Ottomotor mit 155 kW. Die maximale Systemleistung beträgt 210 kW, berichtet ­Mario Mürwald, Leiter Ottomotoren und ­Hybrid Powertrain bei Mercedes-Benz.

Hyundai-kia: Otto mit mehr Kraft

Hyundai-Kia stellt seinen neuen Kappa 1,6 GDI-Motor vor. Laut Motorenentwickler Hwang-Bok Lee erzielt das neue Otto-Triebwerk einen herausragenden Wirkungsgrad von 40 Prozent. Schlüsseltechnologien seien der Atkinson-Zyklus mit hohem Verdichtungsgrad, gekühlte Abgasrückführung (AGR), Hochtumble-Einlasskanäle, Klopfunterdrückung und Reibungsreduzierung. Hyundai-Kia wird den neuen Motor weltweit in Hybridfahrzeugen einführen.

Mazda: downsizing für Effizienz

Mazda präsentiert mit dem Turbobenziner Skyaktive-G 2,5T die nächste Stufe des Downsizing. Ichiro Hirose, Leiter der Antriebsstrangentwicklung von Mazda, belegt anhand von Zahlen die Effizienzvorteile, die Mazda durch reduzierte innermotorische Reibung, Klopfunterdrückung und gekühlte Abgasrückführung sowie die sogenannte Scavenging-Technologie (einander überschneidende Öffnungszeiten von Ein- und Auslassventilen) erzielt hat.

Honda: mehr Leistung, weniger Sprit

Honda hat eine neue Turbo-GDI-Motorenfamilie mit Hubräumen von 1,0, 1,5, 2,0 und 3,5 Liter für den globalen Einsatz entwickelt. Durch die Kombination von Turboaufladung, Benzin Direkteinspritzung, variablem Ventiltrieb und einem Verbrennungskonzept mit hohem Turbulenzgrad konnten die Leistung gesteigert und der Kraftstoffverbrauch reduziert werden, führt Honda Senior Chief Engineer ­Tomonori Niizato aus.

Kontrolle ist besser

Ob die vollmundigen Versprechen der Motorenentwickler halten, wird ab 2017 im Rahmen wesentlich strengerer und exakterer Testmethoden als bisher überprüft werden können. Denn dann wird der bisher geltende Neue Europäische Fahrzyklus NEFZ durch den erweiterten WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicle Test Procedure) ersetzt. Zusätzlich werden ab September 2017 die neuen RDE-Messungen (Real Driving Emissions) verpflichtend, bei denen mit mobilen Messeinheiten am Fahrzeug Stickoxide und Partikel sowie CO2 und Verbrauch im realen Straßenverkehr gemessen werden. Wie Helge Schmidt vom international tätigen deutschen Prüftechnik-Dienstleister TÜV Nord am Wiener Motorensymposium erklärt, besteht eine RDE-Fahrt aus einem städtischen Anteil (34 Prozent), einem Autobahnanteil (33 Prozent) und einem Überlandanteil (33 Prozent), gefahren mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Dauer beträgt 90 bis 120 Minuten. Beeinflusst wird die RDE-Messung abgesehen von der Motorlast durch zahlreiche Randbedingungen wie Umgebung, Verkehr, Nebenverbrauchern und dem Verhalten des Lenkers.