WLTP in der Kritik

WLTP
11.09.2018

 
Seit 1. September 2018 gilt der neue ABGASTEST WLTP zur Ermittlung der offiziellen Verbrauchswerte von Pkw. Interessenvertreter kritisieren die „überhastete Einführung“ und warnen vor den Konsequenzen.

Das bisherige Testverfahren NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) war in die Kritik geraten, weil die Messwerte für Kraftstoffverbrauch und Abgasemissionen häufig stark von den tatsächlichen Zahlen im Straßenverkehr abwichen. Das international entwickelte WLTP-Verfahren (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) soll realistischere und besser vergleichbare Ergebnisse für mehr Verbrauchertransparenz liefern. Der Test dauert länger, die Autos fahren schneller und beschleunigen häufiger. Außerdem werden Zusatzausstattungen berücksichtigt, die sich auf den Verbrauch auswirken. „Die Autoindustrie ist gut für die Umstellung gerüstet und begrüßt das neue, realitätsnähere Messverfahren WLTP“, betont Importeurssprecher Günther Kerle.

„Modelle zur Umstellung der Kfz- Steuer werden zurzeit durchgerechnet.“ HARTWIG LÖGER, FINANZMINISTER

„ÜBERHASTETE EINFÜHRUNG“

Dennoch gelte es insbesondere aufgrund der „überhasteten Einführung“ – natürliche Produktionszyklen und Planbarkeit für die Automobilhersteller seien von der EU-Kommission bei der Regulierung „nicht ausreichend“ bzw. „erst sehr spät“ berücksichtigt – einige Punkte zu beachten: Zum einen komme es derzeit bei vielen Automobilherstellern zu außergewöhnlich langen Lieferzeiten: „Alle Modelle müssen neu geprüft werden, inklusive aller einzelnen Modellvarianten, die sich aufgrund diverser Ausstattungs-, Motorisierungsmöglichkeiten et cetera unterscheiden“, so Kerle. Die Zertifizierung erfolge nicht bei den Herstellern selbst, sondern bei zertifizierten Instituten – so gut wie alle Prüfstände sind auf lange Zeit ausgelastet (siehe auch Kommentar auf Seite 9). Da WLTP all diese Zusatzoptionen berücksichtige, falle auch die NoVA für jedes Fahrzeug individuell aus. „Weil nicht alle Modelle gleichzeitig geprüft werden können, ist es dem Händler teilweise nicht einmal möglich, dem Kunden derzeit den endgültigen Kaufpreis mitzuteilen“, so Kerle. Die NoVA wird bei der Erstzulassung fällig und auf Basis der CO2-Emissionen berechnet, die direkt an den Verbrauch gekoppelt sind.

„Es wäre vernünftig, die künftige Besteuerung von den Faktoren Nutzung und Verbrauch anstatt von Besitz und Leistung abhängig zu machen.“ GÜNTER KERLE, SPRECHER DER AUTOMILIMPORTEURE

„HÖHERE NOVA“

Faktum ist: die NoVA wird durch den realitätsnäheren Messzyklus deutlich höher ausfallen als bisher. Der Kaufpreis eines Neuwagens wird im Schnitt ab sofort um einige hundert Euro steigen. „Grundsätzlich sollen die automotiven Steuern, wie sie derzeit existieren und veraltet sind, einer Prüfung unterzogen werden. Es wäre vernünftig, die künftige Besteuerung vermehrt von den Faktoren Nutzung und Verbrauch anstatt von Besitz und Leistung abhängig zu machen“, ist Kerle überzeugt.

„Ein Fahrzeug, das der Abgasnorm Euro1 entspricht, schleudert so viele Feinstaubpartikel in die Luft wie 36 neue Euro5-Fahrzeuge.“ BURKHARD ERNST, LGO WIEN

ERNST FORDERT ÖKOPRÄMIE

Wiens LGO Burkhard Ernst fordert die Ökoprämie als „sofortige Gegenleistung“ für Autofahrer. „400 Millionen Euro Mehreinnahmen wird der Finanzminister ab dem 1. September lukrieren. Und das, obwohl die Regierung versprochen hatte, keine neue Steuern einzuführen. Dieses Versprechen wird nun ganz klar gebrochen“, sagt der Obmann des Landesgremiums Wien des Fahrzeughandels. Ernst fordert deshalb „als Ausgleich im Interesse der Autofahrer“ die „sofortige Einführung der Ökoprämie“. Konsumenten sollen beim Erwerb eines Neufahrzeugs und gleichzeitiger Rückgabe und Verwertung des alten Pkw mit schlechterer Abgasnorm einen staatlich geförderten Bonus in Höhe von 1500 Euro bekommen. Die Ökoprämie würde nicht nur den Autofahrer entlasten sondern darüber hinaus auch einen „ganz wesentlichen Beitrag“ zum Umweltschutz leisten, wie Ernst betont, da die Anzahl von 650.000 Autos, die lediglich der Abgasklasse Euro2 oder schlechter entsprechen, auf Österreichs Straßen reduziert werden würden. „Ein Fahrzeug, das der Abgasnorm Euro1 entspricht, schleudert so viele Feinstaubpartikel in die Luft wie 36 neue Euro5-Fahrzeuge“, so Ernst.

KFZ-STEUER

Was noch hinzukommen könnte: Im Finanzministerium wird zurzeit eine Umstellung der Berechnungsmethode für die Kfz-Steuer im Zuge der Steuerreform geprüft. Nicht mehr die Leistung soll die Grundlage für die Höhe der Steuer sein, sondern der Verbrauch – und damit der CO2-Ausstoß. Was das bedeuten würde? In jedem Fall eine empfindliche Verteuerung etwa für SUV. Elektroautos wären freilich von der Steuer befreit, zumal sie kein CO2 ausstoßen. Für Hybrid-Fahrzeuge würden ebenso geringere Steuern anfallen. Damit das Finanzministerium im Zuge der Umstellung auf den CO2-Ausstoß keine Einnahmen verliert, werden die Steuern auf Fahrzeuge mit reinem Verbrennungsmotor wohl signifikant erhöht werden. Aus dem Finanzministerium verlauten keine Details. Minister Hartwig Löger bestätigt allerdings, dass man Modelle zur Umstellung der Kfz-Steuer durchrechne. Die Neuerungen würden sodann mit der Steuerreform kommen, die im Jahr 2020 umgesetzt werden soll.

DATEN & FAKTEN

Ab 1. September 2018 dürfen in der EU nur noch Pkw verkauft werden, die nach dem WLTP- Abgastest zertifiziert wurden. Dadurch erhöht sich die CO2-abhängige Ökosteuer der Normverbrauchsabgabe empfindlich. Das bedeutet für Autokäufer, dass die Preise für Neufahrzeuge empfindlich steigen werden und das schon bei relativ kleinem Motor.

Automobilimporteure am Wort

GÜNTHER KERLE, Sprecher des Arbeitskreises der Automobilimporteure

S eit 1. September gilt der neue Abgastest WLTP für alle neuzugelassenen Pkw. Die Autoindustrie begrüßt dieses neue Messverfahren, das nun realitätsnähere Verbrauchsangaben liefern soll. Dass es zu einer neuen Abgasmessung kommt, war schon lange vor dem Entfachen der Diesel-Debatte beschlossen worden. Allerdings ging die Umsetzung nun schneller als ursprünglich gedacht – wenn nicht sogar zu sagen völlig überhastet – über die Bühne. Als wahrscheinlich gilt, dass die EUKommission Handlungsfähigkeit und Stärke demonstrieren wollte, angesichts der Kritik an der Industrie im Zuge der Diesel-Thematik. Die Folgen dieser überhasteten Einführung werden nun sichtbar.

Alle Modelle, inklusive aller Ausstattungsvarianten, müssen neu geprüft werden. Der Großteil der Prüfstände ist auf lange Zeit ausgelastet, nicht jedes Modell kann demzufolge rechtzeitig geprüft werden. Im Alltag bedeutet das, dass den Kunden in vielen Fällen noch keine Auskunft darüber gegeben werden kann, über welchen Verbrauch ihr Fahrzeug letztendlich verfügt. Entsprechend kann unter diesen Umständen in vielen Fällen auch der Endpreis noch nicht kommuniziert werden. Das neue Messverfahren wird zumeist zu höheren Verbrauchswerten führen, dadurch steigt auch die NoVA. Bis Ende 2019 werden noch die „alten“ NEFZ-Werte als Berechnungsbasis für die NoVA bzw. auch für den Sachbezug herangezogen, gemessen wird nur noch nach dem WLTP-Zyklus. Die Rückrechnung erfolgt mithilfe eines Tools der Europäischen Kommission. Leider mussten wir feststellen, dass es durch die Ungenauigkeit dieses Tools zu einer deutlich höheren NoVA kommt. Ab 2020 würde die NoVA dann durch die neu geltenden WLTP-Werte noch einmal empfindlich steigen. Allerdings ist für 2020 laut BMF eine ökologische Steuerreform vorgesehen – wir befinden uns dazu bereits jetzt in Gesprächen. Bis 2019 darf sich der Staat über Mehreinnahmen freuen. Wichtig wäre, dass diese in irgendeiner Form an die Autofahrer zurückfließen.