Diagnosekrimi

VW Bus mit Getriebeblockade

Diagnosekrimi
30.03.2023

Das bockige DSG eines VW Bus Multivan 4motion landet beim Kärntner Getriebespezialisten Manfred Jonach. Dieser zieht voreilige Schlüsse und gerät dadurch in einen Diagnosekrimi.
VW Bus Multivan
VW Bus Multivan

Ein zehn Jahre alter VW Bus Multivan mit Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe hat bereits 310.000 Kilometer auf dem Tacho, als er mit Getriebeproblemen in die Werkstatt muss. Dort wird der Bus an einen Universaltester angeschlossen, der die Fehlermeldung „Kupplung 1 schließt ungewollt“ anzeigt. Die Werkstatt ist gerade mit Aufträgen mehr als ausgelastet. Sie baut das DSG aus und liefert es zu Manfred Jonach, der in der Kärntner Gemeinde Wernberg eine Kfz-Werkstatt mit Spezialgebiet Getriebereparatur betreibt. Hier nimmt ein neuer Diagnosekrimi seinen Anfang.

  1. Jonach zerlegt das DSG zwecks Befundung und kann auf den ersten Blick keine offensichtlichen Fehler entdecken.
  2. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich anhand von Verschleißspuren, dass der Ringträger der Kupplung mit dem stehenden Gehäuse kollidiert.
  3. Jonach bittet die Werkstatt, die ihm das Getriebe geliefert hat, um nähere Auskünfte über eine mögliche Ursache. Er erfährt, dass der VW Bus offenbar längere Zeit mit defektem Zweimassenschwungrad betrieben worden ist.
  4. Der Spezialist glaubt, den Fehler gefunden zu haben und erneuert zunächst das Pilotlager des Zweimassenschwungrades. Da es keine Ersatzteile für das DSG-Gehäuse gibt, weil der Hersteller im Falle eines Defektes nur den (teuren) Komplett-Austausch empfiehlt, verbaut Jonach den intakten Teil eines gebrauchten Gehäuses.
  5. Außerdem ersetzt er die Kupplung, die Mechatronik sowie kleinere Verschleißteile, baut das Getriebe wieder zusammen und bringt es der Werkstatt zurück.
  6. Nach einem halben Tag erhält er den Anruf, dass das DSG bei der Probefahrt erneut seinen Geist aufgegeben hat und nur noch die ungeraden Gänge schaltet.
  7. Jonach ist um seinen guten Ruf als Getriebedoktor besorgt und lässt den VW Bus in seine Werkstatt schleppen. Nach Rücksprache erfährt er, dass der Besitzer des Multivan eine Almhütte betreibt und hauptsächlich auf Bergstraßen unterwegs ist, wobei immer nur die ersten drei Gänge des DSG beansprucht werden. 
  8. Er nimmt das Getriebe erneut auseinander, überprüft sorgfältig nochmals alle Lager und stellt fest, dass aufgrund der einseitigen Beanspruchung der Sitz des Eingangswellenlagers im Gehäuse ausgeschlagen ist. Jonach weiß aus Erfahrung, dass dieses Radialspiel bei erhöhter Temperatur im Fahrbetrieb größer wird. Die Ursache der Kollision des Ringträgers an der Dichtungshülse der Kupplung ist damit gefunden.

Da weder das Eingangswellenlager noch die Hülse und der Gehäuseteil als Ersatzteile erhältlich sind, macht sich Jonach auf die Suche nach einem gebrauchten, aber intakten Tauschgetriebe. Auf einer internationalen Ersatzteilbörse findet er ein passendes Angebot aus Spanien, mit dem er den Multivan schließlich wieder flott macht. Diagnosekrimi gelöst.

Erkenntnis

Der hier geschilderte Fall zeigt, dass die Frage nach dem Einsatzzweck eines Fahrzeuges wertvolle Hinweise auf die Defekt-Ursache geben kann. Der VW Multivan T5 ist mit automatisiertem Doppelkupplungsgetriebes mit sieben Gängen und Anfahrkupplung im Ölbad ausgestattet. Wird dieses Getriebe fast ausschließlich in den ersten drei Gängen betrieben, ist ein Lager-Verschleiß durch einseitige Belastung unvermeidlich. Die Nachfrage bei deutschen Fachkollegen ergab, dass es einen vergleichbaren Fall noch nicht gegeben hat. So hat Manfred Jonach, der mit Ehrgeiz und Akribie jedem Fehler auf den Grund geht, aus diesem Diagnosekrimi viel gelernt. Er selbst musste zwar einen großen zeitlichen und einen kleinen monetären Verlust einstecken, doch die Hauptsache ist: Der Kunde ist zufrieden, und Jonachs Ruf als Getriebespezialist ist wieder hergestellt.