Gebrauchtwagenmarkt

„Es gibt keine Ladenhüter mehr“

Gebrauchtwagen
11.05.2022

Der Gebrauchtwagenmarkt erlebt historische Preisanstiege. Alexander Vysek, Head of Sales bei AutoScout24.at und gebrauchtwagen.at, fürchtet, dass auch hier eine Angebotsverknappung auf uns zukommt. 

Herr Vysek, wie läuft das Geschäft derzeit? 

Wir sind nicht unzufrieden, haben ähnliche Schmerzen wie alle anderen auch in der Branche. Insgesamt ergeben unsere Zahlen und das Feedback, das wir von Händlern bekommen, ein stimmiges Bild. Aktuell gibt es leichte Rückgänge bei der Nachfrage und das Angebot stabilisiert sich. 

Tatsächlich auch bei der Nachfrage? 

 Durch die Ukraine-Krise hat sich die Spritpreisproblematik verschärft. Es gibt zwei Arten von Kunden: die, die ein Auto brauchen und die, die ein Auto wollen. Bei Letzteren hat der hohe Spritpreis mitunter doch dazu geführt, dass sie einen Autokauf überdacht haben. Allerdings gab es da nur einen kurzen Einbruch, jetzt hat sich das alles schon wieder eingependelt. 

Kommen wir zum Angebot. Bei Neuwagen gibt es ja Lieferschwierigkeiten, wodurch der Gebrauchtwagenmarkt einen Boom erlebt. Wie ist die aktuelle Situation auf dem Markt? 

Die Gesamtfahrzeugzahl ist gesunken, wir haben etwa 25 Prozent weniger Ware im Portal als früher. Der Grund: Wegen der Lieferschwierigkeiten bei Neuwagen werden Leasingautos länger gefahren und kommen eben nicht so rasch auf den Gebrauchtwagenmarkt. Händler müssen sich anstrengen, um Ware zu bekommen. Der Einkauf ist also schwieriger geworden, vor allem der Einkauf zu einem guten Preis! Auch wir bieten entsprechend mehr Möglichkeiten auf unserer Seite, die den Händler beim Ankauf unterstützen. 

Was erleben Sie so in der Praxis bei den Händlern? 

Manche Händler verkaufen ohne einen Eintauschwagen gar kein Auto mehr. Es gibt tatsächlich Händler, die schicken Kunden, die den Preis verhandeln wollen, am Vormittag weg, weil sie wissen, am Nachmittag kommt dann eh schon wieder einer, der keinen Rabatt verlangt. Es gibt keine Ladenhüter mehr – Problemautos mit 600 Standtagen gibt es kaum noch. 

Das klingt schon dramatisch…

Es ist eine schwierige Situation mit den langen Wartezeiten auf Neuwagen. Covid, Halbleitermangel und der Ukrainekrieg: Es kommt hier viel Negatives zusammen – eine Situation, die wohl noch niemand in der Branche so erlebt hat. Die Plätze sind noch nicht leer. Aber man sieht schon dunkle Wolken mit einer Angebotsverknappung auf uns zukommen. 

Wann und wie kommt die Wende?

Eine Erholung bei den Autoherstellern wird die Wende bringen. Die Frage ist nur, wann genau das sein wird. 

Die Gebrauchtwagenpreise sind zuletzt durch die Decke gegan­gen, wovon Sie bei AutoScout24 bzw. gebrauchtwagen.at ja ­direkt nichts haben. Aber wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Der AutoScout24-Gebrauchtwagenpreis-Index (AGPI) zeigt, dass die Preise zuletzt auf ein Allzeithoch geklettert sind: Mit einem Wert von 25.749 Euro liegt der Durchschnittspreis 14 Prozent über dem Vorjahreswert. Allerdings bremste sich die rasante Preissteigerung zuletzt ein: Gegenüber dem Vormonat gab es im März keine großen Steigerungen mehr. Aber eine Trendwende ist das noch nicht. Solange der Bestand sinkt, werden die Preise tendenziell weiter hoch bleiben oder gar noch steigen. 

Wie läuft das Geschäft mit gebrauchten E-Autos?

Das explodiert derzeit geradezu. Der Trigger ist offensichtlich der hohe Ölpreis, womit die Nachfrage einen Boost erlebt – von Februar auf März um 48 Prozent! Aber es gibt keine Ware. Teilweise resultieren daraus verrückte Preise – z. B. bei sieben Jahre alten E-Autos, wo niemand so recht weiß, wie lange die Batterie noch hält. 

Wie viele Händler haben Sie unter Vertrag?

In Österreich nutzen etwa 2.800 Händler unsere Portale, das sind etwa 85 Prozent des Marktes. Und ich muss eines sagen: Die Händler leisten wirklich viel. Sie haben schwierige Zeiten hinter sich mit ständig neuen Corona-Regelungen. Das haben sie großartig gemeistert und gezeigt, wie innovativ und flexibel die Branche ist.