Automarkt

„Haben zu wenig Autos zum Verkaufen“

Neuwagen
11.05.2022

Von: Redaktion KFZ Wirtschaft
Lieferengpässe, Ukraine-Krieg, hohe Energiekosten, katastrophale Zulassungszahlen – der Automarkt spielt verrückt, die Branche leidet. Auch in Österreich. Wir haben uns umgehört, wie schlimm die Situation wirklich ist.

Keine Entspannung in Sicht: Die Neuzulassungen sinken EU-weit, im März um 21 Prozent. Damit liegt man nun schon ein Drittel unter Vorkrisenniveau. EY erwartet für 2022 einen Rückgang um rund zehn Prozent. Aber was heißt das für den heimischen Automarkt? Die KFZwirtschaft hat Stimmen aus der Branche eingeholt und wollte wissen, wie angespannt die Situation in den Betrieben wirklich ist. 

Das Ende der Rabattitis

Das marktwirtschaftliche Gesetz von Angebot und Nachfrage legt nahe, dass jetzt, da das Angebot an Neuwagen knapp ist, die Preise hoch sein müssten. Nach jahrelangem Gejammer über die ausufernde Rabattitis in der Branche also Goldgräberstimmung im Schauraum? Nein, wie der Bundesgremial­obmann (BGO) des Fahrzeughandels, Klaus Edelsbrunner, erklärt: „Das Angebot an Fahrzeugen ist eingeschränkt und die Hersteller haben ihrerseits die Rabatte gegenüber den Händlern reduziert, weshalb die Unterstützung geringer ist. Es kann also nicht von Goldgräberstimmung gesprochen werden, da schlicht zu wenig Fahrzeuge verfügbar sind.“ In ein ähnliches Horn stößt Wolfgang Sonnleitner, Geschäftsführer der gleichnamigen Autohäuser: „Auf den ersten Blick mag es so scheinen und es gibt tatsächlich keinen Nachlassdruck beim Kunden. Da die Margen der Händler aber überschaubar sind, wiegen die gesparten Nachlässe nicht die Ausfälle aus geringeren Mengen auf. Die meisten Händler – so auch wir – brauchen ein gewisses Volumen, um den Laden am Laufen zu halten. Wovon soll der Verkäufer leben? Markenhändler verlieren die Kunden auch in der Werkstätte nach einigen Jahren. Was wir heute nicht verkaufen, können wir morgen nicht reparieren.“ 

Stabiles Werkstattgeschäft

Apropos Reparieren: Zu wenig Neuwagen legen nahe, dass die heimischen Autofahrer*innen mehr reparieren lassen, um den Bestand zu wahren. Überraschenderweise lässt sich diese Annahme nicht bestätigen: „Viele Kunden haben aufgrund der längeren Lieferzeiten bestehende Leasingverträge verlängert. Einhergehend ist ein generelles Ansteigen der Haltedauer zu beobachten. Im Werkstätten- und Servicegeschäft sind trotz der niedrigeren Neuzulassungszahlen und den verlängerten Tauschintervallen aktuell aber keine großen Veränderungen festzustellen“, sagt Hermann Prax, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Porsche Holding Salzburg. BGO Edelsbrunner bestätigt das und auch Toyota Österreich kann keine Steigerung im Servicegeschäft erkennen. Wolfgang Sonnleitner ergänzt: „Das liegt sicher auch an den coronabedingt niedrigeren Fahrleistungen der letzten beiden Jahre. Generell zieht der Technik-Umsatz jetzt aber wieder an.“ 

Ein nachhaltiger Trend

Fast alle Ansprechpartner sind sich einig: Der Lieferengpass von Neufahrzeugen wird sich bis Mitte oder Ende 2023 hinziehen. Dann sei frühestens mit Entspannungen zu rechnen. Wobei Toyota Austria-­Geschäftsführer Holger Nelsbach etwas optimistischer antwortet: „Aktuell ist die Liefersituation gut und das spüren auch unsere Kunden. Die Verfügbarkeit hat sich bei Toyota seit Jahresbeginn nicht wesentlich verändert.“ 

Rettung Gebrauchtwagen?

Kaum Neuwagen zu bekommen lässt vermuten, dass sich die Kunden um gute Gebrauchte reißen. Wie Analysen der GW-Preise belegen, befinden sich diese tatsächlich auf einem Allzeithoch. Das spürt auch der Fahrzeughandel: Es sei immens schwierig geworden, an gute Gebrauchtwagen in ausreichender Menge zu kommen, heißt es. Doch durch die hohe Zahl an Leasingverlängerungen fallen Gebrauchtwagenvermarkter um die begehrten Leasingrückläufer um (mehr dazu auf Seite 8). Hermann Prax findet aus Sicht der Porsche Holding dann aber doch auch schöne Worte: „Das abgelaufene Autojahr war auch eine Fitnesskur sowie eine Rückkehr zur kaufmännischen Vernunft für die Branche“, sagt er in Hinblick darauf, dass hohe Rabatte und Kurzzulassungen weggefallen seien und die Porsche-Partner von einer ausgewogeneren Balance von Volumen und Ertrag profitierten. Wie lange sich das alles indes für kleinere Händler noch ausgeht, bleibt abzuwarten.