Test Suzuki GSX-S750 - Die nackte Wahrheit

Test
10.07.2017

Von: Philipp Bednar
Als ich mal knapp eine Saison als Dauertestmotorrad eine Suzuki GSX-R 750 hatte, habe ich mir oft gewünscht, die Japaner mögen genau diesen Motor in ein fesches Nakedbike verpflanzen und nicht am Fahrwerk sparen. Die Suzuki GSR 750 war ein erster Versuch in diese Richtung, aber mir persönlich hat das Motorrad nie gut genug gefallen. Die neue GSX-S750 ist hingegeben optisch äußerst gelungen und kommt einer nackten GSX-R 750 schon deutlich näher. Der Fahrspaß war groß, trotzdem gibt es einen kleinen Wermutstropfen. 

Ergonomie

Aufgesattelt, Griff zum Lenke und siehe da, man hat das Gefühl, direkt die Vorderachse in der Hand zu haben. So vorderradorientiert kennt ich das nur von einigen Ducati Monster-Jahrgängen. Der knappe, kurze Scheinwerfer verstärkt den Eindruck noch mehr. Trotzdem hat man kein unangenehmes Gewicht auf den Handgelenken, da Sitzhöhe (820 mm) und Kniewinkel sehr stimmig sind. Der Sattel ist komfortabel und gut geformt. Macht man sich klein auf der GSX-S750, hat man ausreichend Platz um den Hintern nach hinten zu schieben und bekommt dann noch etwas Unterstützung vom Soziuskissen. Der Knieschluss ist – typisch Reihenvierzylinder – nicht supereng aber schmal genug, um das Motorrad auch aus den Oberschenkeln heraus manövrieren zu können. Trotz meiner 1,85 Meter Körpergröße sitze ich bequem sportlich auf der GSX-S750 und kann auch längere Touren damit fahren. Passt, sitzt, zwickt nicht. Weiter im Text.

Motor/Getriebe

Beim ersten Gaszupfer gibt sich der Reihenvier der GSX-S750 verständnisvoll zahm. Der Motor braucht Drehzahl um lebhaft zu werden – eh klar. Gibt man ihm diese, wird es lustig. Das heisere Fauchen und Röcheln aus der Airbox (GSX-R-Feeling kommt auf) treibt den Piloten förmlich zu Drehzahlorgien an. Ab 5000 Touren schiebt der Motor druckvoll an. Ab 7000 geht’s dann richtig vorwärts. Vibrationen? Nö, nix. Seidenweich agiert der Reihenvierer, lediglich beim abrupten Gaszudrehen spürt man gewisse Lastwechselreaktionen. Um flott durch die Kurven zu wetzen, heißt es aber die Drehzahl mindestens über 5000 Touren zu halten. Drunter wird es dann im ersten Moment des Gasanlegens eher mau. Ruckeln kennt der Motor nicht mal bei Standgas. 114 PS soll das Motor maximal leisten – ein glaubhafter Wert. Die 81 Newtonmeter spürt man vor allem in der erhöhten Mitte, wo man – trotz R4 – durchaus schaltfaul herum cruisen kann. Tadellos das Suzuki-Getriebe: Die Gänge lassen sich leicht und präzise einlegen, die Wege sind genau so kurz, wie man es braucht.

Fahrwerk

Hier zeigt die GSX-S750 zwei Gesichter: Einerseits sind Gabel und Federbein nur in der Federvorspannung einstellbar, die Gabel stufenlos, das Federbein siebenfach. Das ist mir aber zu wenig. Anderseits haben die Federelemente bei kühleren Temperaturen bis ca. 20 Grad sehr gut funktioniert, darüber wurde vor allem die Gabel deutlich zu weich in der Druckstufe. Hartes Anbremsen und die Gabel taucht tief ein. Finger weg von der Bremse und die Gabel schnellt rapide retour. Das Abtauchen wird durch die sehr vorderradorientierte Sitzposition noch verstärkt. Schwerere Piloten (ab ca. 80 Kilogramm) werden vermutlich bei ambitionierter Fahrweise nicht um eine Gabelanpassung herumkommen. Dafür bietet das Fahrwerk viel Komfort und filtert auch böse Asphaltkanten gut weg. Den Preis dafür zahlt man auf perfekten, ebenen Straßen, wo das letzte Quäntchen Feedback aufgrund der tendenziell weicheren Grundabstimmung etwas fehlt. Die Rückmeldung vom Heck fand ich aber präzise genug, um die Traktionskontrolle komplett auszuknipsen.

Bremsen

Ähnlich wie beim Fahrwerk, ist auch die Bremsanlage ein gewisser Kompromiss. Die Hinterradbremse ist fein zu dosieren, war sonst aber eher unauffällig. Die Vorderradbremse macht optisch viel her: 310 mm Wave-Bremsscheiben und Radialbremszangen. Unterschiede zur Supersportstoppern hat man bald erspürt: Die Beläge beißen stets dezent sportlich in die Scheiben, aber ganz so knackig wie verkleidete Schwester verzögert sie dann doch nicht. Für den Alltag – und dort wird GSX-S750 zu 99 Prozent bewegt – ist das wunderbar, da man auch im Nassen keine Angst vor beherzten Bremseinsätzen haben muss. Möchte man aber seine Rundenzeiten runterschrauben, wird man einerseits Stahlflex-Bremsleitungen brauchen und andererseits bissigere Beläge. Das ABS hat übrigens selten und dann durchaus feinfühlig für die Klasse eingegriffen. Wäre die Gabel etwas straffer in der Druckstufe abgestimmt, wäre vermutlich auch etwas mehr Bremsperformance drinnen gewissen. Aber in Summe ist die Bremse für sportliche Hausstreckenrunden durchaus zu gebrauchen.

Aufgefallen

Die hochwertige Verarbeitung und das – endlich – geschmackvoll durchdachte Finish. Der schwarze Fatbarlenker wirkt edel und wertig, dazu die passenden schwarzen Hebel und Fußrasten. War nicht immer so, dass Nipponbikes Ton in Ton gekommen sind. Das Display ist wunderbar, die „Menüführung“ – so viel gibt’s da ja eh nicht, bis auf Traktionskontrolle und Trips – einfach und einleuchtend. Die Optik taugt mir persönlich sehr und ist eine deutliche Verbesserung zur doch eher braven, nicht ganz so stimmigen Vorgängerin GSR 750. Das Gewicht fahrfertig und vollgetankt lag bei 204,1 Kilogramm. Deutlich unter der Werksangabe (213 kg).

Durchgefallen

Gummibremsschläuche! Noch immer. Warum, Suzuki, warum? Und mir völlig missverständlich: Bei der Federvorspannung an der Gabel, die bekanntlich nur das Fahrzeugniveau und den Negativfederweg justiert, steht noch S und H drauf. Ich vermute für soft und hard. Aber wenn man die Federvorspannung verändert, wird die Gabel weder härter noch softer, weil sich die Federhärte nicht ändert. Finde ich blödsinnig. Und so formschön das Display auch ist, der Drehzahlbalken am obersten Rand ist wirklich schwer ablesbar, vor allem wenn man sportiver andrückt und nicht ewig zwischen den Radien auf Cockpit blicken kann. 

Testurteil GSX-S750, by p.bednar

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