Automotive Akademie

Techniktraining: Aus Fehlern lernen

Weiterbildung
06.04.2023

Rudolf Rosenmayer war 34 Jahren Techniktrainer im VW-Konzern. Heute gibt er seinen reichen Erfahrungsschatz im Rahmen der §57a Weiterbildung an der Automotive Akademie weiter.
Techniktrainer Rudolf Rosenmayer
Techniktrainer Rudolf Rosenmayer

KFZWIRTSCHAFT: Herr Rosenmayer, Sie waren insgesamt 50 Jahre und 4 Monate für die VW Gruppe tätig – was hat Sie so lange bei diesem Konzern gehalten?

RUDOLF ROSENMAYER: Ich habe meine Lehrzeit in einem steirischen VW Betrieb absolviert und bin 1977 zu Porsche Wien Liesing als Mechaniker gekommen. 1981 habe ich den Meister gemacht, 1986 wurde ich Werkstattleiter bei VW Tigergasse, 1989 Techniktrainer bei VW Liewers. 1995 hat man die Trainings für alle VW-Mitarbeiter im Osten Österreichs zu Porsche Wien-Liesing verlegt, sodass ich als Trainer wieder dorthin zurückgekehrt bin. Der Grund, warum ich dem Unternehmen so lange die Treue gehalten habe, ist schnell erklärt: Ich wurde immer gefordert und gefördert, ich konnte mich entfalten und weiter entwickeln. Diese tollen Möglichkeiten findet man meiner Erfahrung nach in keinem anderen Unternehmen der Branche.

Es heißt, die heutige Jugend ist faul und desinteressiert – können Sie diesen Eindruck bestätigen?

Ich habe im Laufe der letzten Jahrzehnte unzählige Lehrabschluss- und Meisterprüfungen abgehalten, und meine Erfahrung ist: Es hat immer Dumpfbacken gegeben, die den Weg des geringsten Widerstandes gehen wollen, aber es gibt auch heute noch die Ehrgeizigen und Interessierten, die nicht locker lassen, bis sie ein Problem gelöst haben. Es kommt halt auch sehr darauf an, wie mit den Lehrlingen im Betrieb umgegangen wird. Manche, die sich weiterbilden wollen, bekommen von ihrem Lehrmeister zu hören, dass er keinen Obergescheiten, sondern einen Hackler braucht. Die goldenen Zeiten, als die Betriebe genügend Zeit für eine umfassende Ausbildung ihrer Lehrlinge hatten, sind leider vorbei.

Sie haben diese goldenen Zeiten erlebt …

In den 1990er Jahren war ich beispielsweise auch als Mechaniker im Formel III Rennstall von Franz Wöss tätig. Dorthin durfte ich zwei Lehrlinge zur Unterstützung mitnehmen. Sie wurden dafür von ihrem Arbeitgeber freigestellt und waren mit voller Begeisterung auch in ihrer Freizeit dabei – so etwas gibt es heute leider nicht mehr.

Sie haben auch den Wandel in der Reparaturtechnik miterlebt …

Dazu ein markantes Beispiel: Früher haben wir alle Schrauben, die nach dem Herausdrehen noch in Ordnung waren, nach der Reparatur wieder verwendet. Seit ungefähr zehn Jahren geht das nicht mehr, denn der Hersteller hat die meisten Schrauben mit einer speziellen Beschichtung versehen, die nur bei der Erstmontage für den notwendigen Grip sorgt. Werden die Schrauben ein zweites Mal verwendet, haben sie um bis zu 30 Prozent weniger Grip, auch wenn sie mit dem vorgeschriebenen Drehmoment angezogen werden. Eine Werkstatt, die sich die Kosten für einen neuen Schraubensatz sparen will, riskiert bei einer Kontrolle durch den Hersteller, dass die Reparatur nicht als Garantiefall anerkannt wird und sie auf den gesamten Reparaturkosten sitzen bleibt. Der Hersteller kontrolliert stichprobenartig die Reparaturrechnungen, ob die Schrauben mit dem Ersatzteil mitbestellt wurden.

Bei welchen Werkstatt-Themen gibt es den größten Weiterbildungsbedarf?

Den sehe ich in drei Bereichen: Getriebe, Elektrik und Fahrwerk. In Österreich gibt es nur ganz wenige Spezialisten, die sich mit den modernen Getrieben auskennen. Auch die Elektrik bzw. Elektronik im Fahrzeug wird immer komplexer, sodass hier auch die Fehlerhäufigkeit stark zunimmt. Als ich vor 50 Jahren Lehrling war, gab es im ganzen Auto weniger Elektronik als heute in einer einzigen Fahrzeugtür. Bei der Fehlersuche genügt es daher nicht mehr, ein Diagnosegerät und ein Oszilloskop zu beherrschen, man muss auch die Diagnoseprotokolle lesen und verstehen können, um einem Fehler auf die Spur zu kommen. In diesen sind die Fehlerereignisse mit Datum und Tageszeit abgespeichert, sodass sich die Umstände gut rekonstruieren lassen.

Gibt es bei der Ausbildung zum Beruf Kfz Techniker:in Ihrer Ansicht nach Reformbedarf?

Vor 20 Jahren hat jeder VW-Lehrling VW 25 Lern-CDs mit den technischen Grundlagen der Fahrzeuge bekommen, heute gibt es bereits 700 Online-Selbststudienprogramme. Obwohl die Autos technisch immer komplexer werden, wird erwartet, dass sich die Kfz Techniker:innen auf allen Gebieten perfekt auskennen. Gleichzeitig wird in den Betrieben aber die Zeit immer knapper für eine fundierte Ausbildung. In meinen Weiterbildungskursen lege ich daher Wert darauf, dass die Teilnehmer:innen so viel wie möglich selbst ausprobieren und auch Fehler machen dürfen, denn daraus lernen sie am meisten. Schließlich ist Kfz Techniker immer noch ein haptischer Beruf. Mein Wunsch wäre daher, die Ausbildung zu verlängern, oder zumindest Zwischenstufen für spezielle Kompetenzen zwischen Lehrabschluss und Meisterprüfung einzuführen.