Bremse außer Kontrolle
Bei einem neun Jahre alten Mercedes V 250 weist die Kontrollleuchte der Parkbremse auf einen Fehler hin, der in der Werkstatt erst nach längerer Suche aufgespürt wird.

Der Mercedes V-Klasse mit der Typenbezeichnung 447 ist mit Hinterradantrieb und einem 2.2 Liter 16V CDI BlueTEC Dieselmotor ausgestattet, der 122 PS leistet. Der mit sechs Sitzen ausgestattete Bus wurde 2016 gebaut und hat rund 110.000 Kilometer auf dem Tacho. Eines Tages wird im Display die Meldung „Parkbremse – siehe Bedienungsanleitung“ angezeigt, und auch die entsprechenden Kontrollleuchten im Kombiinstrument leuchten auf. Da eine Urlaubsreise mit dem Auto bevorsteht, verliert die Familie keine Zeit und bringt den Mercedes in die Werkstatt ihres Vertrauens. Hier nimmt ein Diagnosekrimi seinen Lauf.
- Zuerst wird das Fahrzeug an ein Hella-Gutmann mega macs Diagnosegerät angeschlossen. Dabei zeigt sich, dass im Steuergerät der elektrischen Feststellbremse (EFB) mehrere Fehlercodes gespeichert sind.
- C101B00 − ‚EFB − Feststellkraft nicht ausreichendʼ / C100D00 – ‚Steuergerät EFB − Einbaulage/Befestigung des Steuergeräts fehlerhaft oder Stromkreisunterbrechung erkanntʼ / U100F00 – ‚CAN-Bus/Verbindung zu elektronischem Zündschloss − CAN-Signal „Getriebegang“ fehlt/fehlerhaftʼ / C101400 und C101600 – ‚Steuergerät EFB − Kalibrierung fehlerhaft/nicht erfolgtʼ.
- Die erste Maßnahme der Mechaniker ist das Zerlegen der Feststellbremse. Aufgrund des hohen mechanischen Verschleißes ersetzen sie die Bremsbacken und deren Befestigungsteile.
- Auch das bereits schwergängige Spreizschloss, das die mechanische Kraft der Handbremsseile auf die Bremsbacken überträgt, wird gangbar gemacht.
- Wider Erwarten lässt sich nach dem Zusammenbau keine Grundeinstellung mit dem mega macs durchführen. Nach wie vor sind die Fehler C101400 und C101600 gespeichert und lassen sich nicht löschen.
- Eine erneute Prüfung der Mechanik ergibt deren korrekte Montage. Der Verdacht fällt nun auf den Aktuator der Feststellbremse. Sicherheitshalber ruft der Mechaniker im Technischen Callcenter von Hella-Gutmann an und schildert das Problem.
- Im Technischen Callcenter ist das Problem bereits bekannt: Die besagten Fehlereinträge werden durch eine fehlerhafte mechanische Grundeinstellung verursacht.
- Die Ursache im Detail: Durch einen zu großen oder zu kleinen Luftspalt, also einem Spiel zwischen Bremsbacken und Bremstrommel, kann beim Anziehen der Seilzüge die vorgesehene Spannkraft nicht erreicht werden. Dies wird durch das Steuergerät erkannt und als Fehlercode gespeichert.
- Zur Fehlerbehebung hat sich laut den Hella-Gutmann Experten folgende Vorgehensweise bewährt: Um die korrekte mechanische Grundeinstellung vorzunehmen, wird die EFB nach Demontage jeweils einer Radschraube mittels mega macs in ihre Montageposition versetzt. Im Anschluss wird das Stellrad gedreht, bis das Rad blockiert, dann um sieben Zähne zurück.
- Danach wird die Montageposition der Feststellbremse mittels mega macs wieder aufgehoben und die abschließende digitale Grundeinstellung vorgenommen.
- Fazit: Jetzt sind auch die verbliebenen Fehlercodes löschbar und das Fahrzeug kann mängelfrei übergeben werden. Diagnosekrimi gelöst.
Erkenntnis:
Die elektrische Feststellbremse (EFB) wurde erstmals ab 2001 in der BMW 7er Reihe eingesetzt und hat die mechanische Feststellbremse mit dem klassischen Handbremshebel heute in fast allen modernen Fahrzeugmodellen abgelöst. Die Gründe dafür sind vielfältig. So begrüßten die Designer den Wegfall des Handbremshebels, weil sie damit mehr Stauraum in der Mittelkonsole gewannen. Auch die Sicherheitstechniker zogen die EFB der Handbremse vor, da sie beim Betätigen während der Fahrt ein dynamisches Verzögern über alle vier Räder auch bei schlechten Fahrbahnbedingungen ermöglicht. Ein weiterer Sicherheitsvorteil der EFB ist, dass das Fahrzeug immer mit maximaler Klemmkraft abgestellt und eine Fehlbedienung durch zu geringe Bremskraft ausgeschlossen wird. Auch an das komfortable automatische Lösen beim Anfahren sowie an das automatische Anziehen beim Abziehen des Zündschlüssels gewöhnt man sich gerne, doch muss man dafür auch einige Nachteile gegenüber einer klassischen Handbremse in Kauf nehmen. Dazu gehören vor allem der Kontrollverlust der Anzugskraft für den Fahrer sowie der Totalausfall der Funktion bei Ausfall der elektrischen Energieversorgung. Zudem ist, wie dieser Fall zeigt, der Reparaturaufwand einer elektronisch gesteuerten EFB deutlich höher als das vergleichsweise simple Nachspannen der Zugseile ihrer mechanischen Vorgängerin.