Meinung

Heiße Diskussionen rund um die IAA

Christian Pesau, Geschäftsführer des Arbeitskreises der Automobilimporteure, schreibt in seiner Kolumne über die aktuell brennenden Themen der Branche.

Auf der diesjährigen IAA wurden Produktfeuerwerke abgefeuert wie selten zuvor. Insbesondere neue Elektrofahrzeuge, die in Sachen Reichweite und Vernetzung neue Maßstäbe setzen, aber auch Hybride aller Art und nicht zuletzt Verbrenner, die noch lange nicht wegzudenken sind, konnten in einer Dichte bewundert werden, wie schon lange nicht mehr.
Aber das präsenteste Thema war der allgegenwärtige Appel seitens der Spitze der europäischen Autoindustrie nach einer Abkehr vom Verbrenner-Aus 2035, der in einer Deutlichkeit ertönte wie selten zuvor.
Schon zuvor hatten ACEA-Präsident Ola Källenius und Matthias Zink, Präsident des Zuliefererverbandes CLEPA, in einem Brief an die Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen gewarnt, dass die Ziele der Europäischen Kommission für 2030 und 2035 nicht mehr erreichbar seien.
Elektroautos werden weiterhin führend sein, aber „es müsse auch Raum für jede Art von Hybriden, Reichweitenverlängerer, effiziente Verbrennungsfahrzeuge, Wasserstoff und E-Fuels geben“, heißt es in dem Schreiben.

Auch die deutsche und teilweise europäische Politik ist auf den Zug aufgesprungen. EVP-Chef Manfred Weber hat sogar angekündigt, dass das von der EU ja eigentlich schon fix beschlossene Aus für Verbrennungsmotoren fix zurückgenommen wird. Im Herbst solle dazu ein Vorschlag vorgelegt werden. Am Ziel der Klimaneutralität wolle man zwar festhalten, der Weg dorthin müsse jedoch offenbleiben.
„Einseitige politische Festlegungen auf bestimmte Technologien sind nicht nur für diese Branche grundsätzlich der falsche wirtschaftspolitische Weg“, sagte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz im Rahmen der Eröffnung der IAA. Es brauche mehr Flexibilität in der Regulierung. Ziel sei, durch Technologieoffenheit Wettbewerbsfähigkeit und effektiven Klimaschutz miteinander zu verbinden. Auch Hildegard Müller, Präsidentin des deutschen Verbands der Automobilindustrie (VDA), der die IAA veranstaltet, forderte einen Realitätscheck und eine Kurskorrektur in der EU-Klimapolitik. Dies sei keine Abkehr vom Ziel der Klimaneutralität, sondern im Gegenteil ein Betrag zu deren Gelingen, argumentiert sie. Die Verbraucher seien noch nicht in ausreichendem Maße bereit, auf Elektromobilität umzusteigen. Wer „ohne Realitätsbezug“ an Zielen festhalte und nicht erkenne, dass auf der Welt verschiedene technologische Optionen zum Gelingen der Verkehrswende beitrügen, der gefährde nicht nur Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze, sondern auch das Ziel der Klimaneutralität.
Davor hatte bereits der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Forderung nach einer Abkehr vom Verbrennerverbot erneuert. So wie es jetzt konzipiert sei, sei es falsch und müsse aufgehoben und durch andere Alternativen ersetzt werden. Zudem forderte er, die CO2-Ziele „an die Realität“ anzupassen.
Der gleichzeitig zur IAA in Brüssel stattgefunden Autogipfel im Rahmen des „3. strategischen Dialogs“ am 12. September blieb hingegen ohne wesentliches Ergebnis in dieser Frage. Zwar zieht die EU-Kommission die eigentlich für 2026 geplante Überprüfung der CO2-Grenzwerte ab 2035 vor und will diese noch heuer angehen, eine generelle Abkehr vom Verbrenner-Aus wurde allerdings nicht beschlossen und auf Dezember verschoben. Von der Leyen erklärte, man habe den Anliegen der Branche zugehört und Flexibilität eingeräumt. „Wir werden Dekarbonisierung und Technologieneutralität miteinander verbinden.“

Wie weit die Europäische Kommission bei der Anpassung gehen könnte, blieb aber offen. Es soll zunächst eine Arbeitsgruppe zur Technologieneutralität eingerichtet werden. Diese soll prüfen, mit welchen Technologien und Kraftstoffen das Ziel 2025 erreicht werden könne. Eine zweite Arbeitsgruppe soll sich mit einer Initiative für kleine, bezahlbare Elektrofahrzeuge befassen.
Unklar ist, welche Vorschläge die EU-Kommission zu den Zielen für 2035 macht. Möglich sind die Akzeptanz CO2-neutraler Kraftstoffe, die für Verbrennungsmotoren oder Generatoren in Range Extendern genutzt werden können, denkbar ist auch eine Verschiebung des Zieles 2035. Teile der Industrie fordern eine Senkung des 2035er-Zieles auf 90 %, andere Spitzenvertreter wiederum warnten vor einer Aufweichung und davor, dass die Debatte um ein Verbrenner-Aus wenig hilfreich sei.
Es bleibt also spannend, die Diskussionen werden sobald nicht verstummen!


Der Autor

Christian Pesau
Christian Pesau © IV/Automobilimporteure/Zach-Kiesling

Christian Pesau, Geschäftsführer im Arbeitskreis der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung (IV)

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