Weltpremiere

Die Anatomie des Crashs

Sicherheit
19.03.2024

 
Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut setzt Mercedes-Benz als weltweit erster Autohersteller beim Crashtest Röntgenstrahlen ein.
Als weltweit erster Autohersteller röntgt Mercedes-Benz einen Crashtest.
Als weltweit erster Autohersteller röntgt Mercedes-Benz einen Crashtest.

Die technische Sensation beginnt mit einem sehr lauten Knall. Mit 60 km/h rammt eine Vorrichtung mit Stoßbarriere die orangefarbene C-Klasse Limousine und trifft sie voll in der Seite. Die Innovation sitzt bei diesem Seitenaufprall-Versuch in einem Gestell an der Hallendecke über dem Fahrzeug: Ein Linearbeschleuniger dient als Röntgenquelle. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, dem Ernst-Mach-Institut (EMI) in Freiburg, hat Mercedes-Benz den weltweit ersten Röntgencrash mit einem realen Pkw durchgeführt. An Bord waren auf der stoßzugewandten linken Seite zwei Dummys des Modells SID IIs. Das sind Prüfkörper mit weiblicher Anatomie, speziell ausgelegt für Seitenaufprallversuche.

Innere Deformation

Mit der Kurzzeit-Röntgentechnologie lassen sich hochdynamische innere Deformationsvorgänge darstellen, das hat diese Technologiedemonstration (Proof of Concept) in der EMI-Forschungscrashanlage bei Freiburg ergeben. Bisher unsichtbare Verformungen und ihre exakten Abläufe werden so transparent. Die zahlreichen, hochauflösenden Bilder erlauben eine genaue Analyse. „Der Röntgencrash von Mercedes-Benz kann mit dem Blick ins verborgene Innere helfen, wichtige Rückschlüsse für die weitere Verbesserung der Fahrzeugsicherheit zu ziehen“, erklärt Markus Schäfer, Chief Technology Officer und Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG. „Durch den erfolgreichen Röntgencrash gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse, um unsere Technologie zur Erfassung bisher unzugänglicher Informationen weiter zu optimieren. Das Fraunhofer EMI verfolgt damit konsequent seine Strategie, durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeits-Röntgenaufnahmen dynamische Vorgänge sichtbar zu machen“, ergänzt Malte Kurfiß, Leiter des Crashzentrum am Fraunhofer EMI. „Wir erfahren, was während eines Unfalls im Innern eines Fahrzeugs und mit den Dummys passiert. Die Röntgenbilder bieten auch die Chance, die Modellqualität der digitalen Prototypen weiter zu erhöhen“, sagt Paul Dick, Direktor Fahrzeugsicherheit bei der Mercedes-Benz AG.

1000 Bilder pro Sekunde

Seit mehreren Jahren forscht der Bereich Fahrzeugsicherheit von Mercedes-Benz zusammen mit dem EMI am Einsatz von Röntgentechnologie bei Crashversuchen. Entscheidend für den Durchbruch war es, einen Linearbeschleuniger mit 1-kHz-Technologie als Strahlenquelle einzusetzen. Dadurch sind bis zu 1.000 Bilder pro Sekunde möglich - etwa 1.000 Mal so viele wie bei herkömmlichen Röntgenverfahren. Während des Crashtests durchleuchten die Strahlen von oben die Karosserie und etwaige Dummys. Ein Röntgen-Detektor befindet sich unter dem Versuchsfahrzeug. In der Aufprallzeit von einer Zehntelsekunde schießt das Röntgensystem etwa 100 Standbilder. Zu einem Video zusammengefügt, geben sie hochspannende Einblicke, was sich während des Crashs im Innern sicherheitsrelevanter Bauteile und im Körper des Dummys abspielt. So lässt sich in allen Einzelheiten beobachten, wie der Thorax des Dummys eingedrückt wird oder sich ein Bauteil verformt.