Tagebuch des Wandels

Die Rettung des Verbrennungsmotors?

Autoindustrie
29.03.2022

Von: Redaktion KFZ Wirtschaft
Der Anteil alternativer Antriebe steigt kontinuierlich an. Weltweit sind die ­Verbrenner aber noch auf Jahrzehnte der Motor der Massen. E-Fuels gelten als potenzielle Retter des Verbrenners. Aber stimmt das?

Es liegt in der Natur der Sache, dass Ölfirmen den Verbrennungsmotor nicht zu Grabe tragen wollen. Doch wie Liqui Molys Ex-Geschäftsführer Ernst Prost (siehe Seite 36) sagt: elf Milliarden Verbrenner weltweit versus zehn Millionen Fahrzeuge mit E-Motor sind schon eine Hausnummer. Spinnt man den Nachhaltigkeitsgedanken weiter, muss man sich offen die Frage stellen: Ist es sinnvoll und nachhaltig, relativ radikal eventuell ­Milliarden von Fahrzeugen – die offensichtlich noch gut funktionie­ren – nur ihres Antriebs wegen stillzulegen? Im besten Fall lassen sie sich hochgradig recyceln, aber nur wenn es sich lohnt, sprich Geld in irgendwelche Kassen spült. Oder wäre es eventuell, vor allem kurz- und mittelfristig betrachtet, nicht sinnstiftender, jene Verbrennerfahrzeuge so ökologisch wie möglich werden zu lassen? Vorweg: Diese Fragen stellen sich Forschungsteams auf der ganzen Welt – mit unterschiedlichen Ergebnissen und Prognosen. Wir werden es also hier nicht final beantworten können. Aber im Tagebuch des Wandels wollen wir die Mobilitätswende aus verschiedenen Perspektiven betrachten und dabei wertfrei bleiben. Eine Alternative heißt E-Fuels – synthetische Kraftstoffe, deren Umweltbelastung im Idealfall bei null liegt. 

Große Unwissenheit

Der DAT-Report zeigt auf, dass nur acht Prozent der Befragten wissen, was E-Fuels sind. Anders gesagt: 92 Prozent haben keinen Schimmer, was damit gemeint ist. Das ist erschreckend, denn E-Fuels könnten in der Theorie Verbrennungsmotoren in deren CO2-Bilanz klimaneutral werden lassen. Wie das geht? Theoretisch einfach: Aus Wasserstoff und CO2 (idealerweise aus der Atmosphäre) können synthetische Kohlenwasserstoff-Brennstoffe erzeugt werden. Für die Wasserstoffgewinnung werden jedoch enorme Mengen Strom benötigt. Gewinnt man diesen aus erneuerbaren Energien (z. B. Wasserkraft, Wind- oder Solarenergie), wäre die Erzeugung der E-Fuels klimaneutral. Wenn man diese dann verbrennt, wird die zuvor für die Synthese eingesetzte Menge CO2 wieder freigesetzt, ergo: CO2-Bilanz neutral. Knackpunkt derzeit: Ein Liter E-Fuel kostet rund zehn Euro und große Mengen gibt es nicht. Porsche ist in dem Bereich recht innovativ und hat bereits angekündigt, dass die Sportwagenikone 911 in Zukunft mit E-Fuels fahren soll. Um diese Idee verwirklichen zu können, baut die Sportwagenschmiede gemeinsam mit Siemens Energy derzeit ein E-Fuel-Werk in Chile, wo mittels Windkraft der synthetische Treibstoff produziert werden soll. Durch Skaleneffekte – also größeren Produktionsmengen – soll der Literpreis in den nächsten Jahren auf das Niveau der aktuellen fossilen Treibstoffpreise fallen. 

CO2-neutral, aber…

Für viele Verbrennerfans könnten demnach E-Fuels die Lösung sein: Sprit tanken, Verbrenner ohne schlechtes Gewissen genießen und zur Not nur ein paar Euro mehr abdrücken. Leider dürfte das aber nur die halbe Wahrheit sein. Denn ja, ideal produzierte E-Fuels wären tatsächlich CO2-neutral, könnten das aktuelle Tankstellennetz nutzen und aktuelle Fahrzeuge befeuern. Doch bei den Emissionen gibt es nicht nur CO2, sondern auch noch die Stickoxide (NOx), welche Menschen und Umwelt belasten. Das französische Forschungsinstitut IFP Énergies nouvelles (IFPEN) hat genau das untersucht und einen handelsüblichen Mercedes A180 mit Benzinmotor und Otto-Partikel­filter einmal mit E-Fules und einmal mit Superbenzin (E10) betrieben und die Schadstoffausstöße ­verglichen. Der Fokus lag auf den Stickoxiden – und deren Menge fiel praktisch exakt gleich aus, sowohl im Labor als auch im Echtbetrieb auf der Straße. Auto, Motor und Sport hat einen ähnlichen Vergleich mit zwei Porsche 911 gemacht: idente Autos, einmal mit Super Plus 98 und einmal mit E-Fuels angetrieben – jenem synthetischen Treibstoff, der im Werk in Chile produziert werden soll. Das Ergebnis: Der Verbrauch war mit E-Fuel höher, ebenso der Ausstoß von Kohlenmonoxid, und bei den NOx-Emissionen gab es kaum Unterschiede (nur bei 130 km/h auf der Autobahn war der Stickoxid-Ausstoß beim E-Fuel-Carrera minimal besser). Was das konkret heißt? E-Fuels haben gewiss Potenzial. Aber bis man sie in solchen Mengen herstellen kann, dass sie die Masse CO2-neutral bewegen können, wird es noch viele Jahre dauern. Und fraglich ist, ob man den (grünen) Strom für die E-Fuel-Erzeugung nicht besser gleich in Akkus laden sollte. Aber das muss letztlich die Wissenschaft klären. (red)

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