Neuzulassungen: Das Vorkrisenniveau bleibt vorerst unerreicht

Neuwagen
19.05.2021

 
Mit dem Neuwagenmarkt verhält es sich wie mit dem berühmten Glas, das je nach Betrachtung halb voll oder halb leer ist. Die gute Nachricht: Der Markt wächst heuer rasant. Die schlechte: Die Verkäufe liegen noch deutlich unter Vorkrisenniveau.
Nicht alle Autos können derzeit prompt geliefert werden: der Halbeitermangel ist eine weitere Belastung für die Branche.
Nicht alle Autos können derzeit prompt geliefert werden: der Halbeitermangel ist eine weitere Belastung für die Branche.

Der EU-Neuwagenmarkt verzeichnete im April mit einem Plus von 219 Prozent erneut ein sehr starkes Wachstum – allerdings nur im Vergleich zum extrem schwachen Vorjahresmonat, der ganz im Zeichen des fast vollständigen europaweiten Lockdowns und geschlossener Autohäuser und Zulassungsstellen stand. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ergibt sich hingegen ein immer noch beträchtlicher Rückgang der Neuzulassungen um 25 Prozent. Dasselbe Bild bot sich in Österreich, wo sich die Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahresmonat zwar verdoppelten, damit aber immer noch um 30 Prozent unter dem Niveau von April 2019 lagen.

„Die enormen Wachstumsraten im April sind einzig auf den historisch schwachen Vorjahresmonat zurückzuführen. Tatsächlich hat der europäische Neuwagenmarkt noch längst nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Die erhoffte echte Erholung auf dem EU-Neuwagenmarkt lässt weiter auf sich warten“, sagt Gerhard Schwartz, Leiter Industrial Products bei EY Österreich. „Zwar mehren sich die Zeichen, dass die Konjunktur zumindest in den Sommermonaten kräftig an Fahrt gewinnt – und auch die europaweit sinkenden Infektionszahlen sprechen für eine wirtschaftliche Erholung. Allerdings kämpft die Autoindustrie inzwischen mit neuen Sorgen: Der Mangel an Halbleitern führt zu erheblichen Produktions- und Absatzeinbußen.“

Vorerst werde die Lage somit schwierig bleiben, sagt Schwartz: „Wir werden in diesem Jahr weder in Österreich noch EU-weit das Vorkrisenniveau erreichen. Aber immerhin: Die Nachfrage ist derzeit groß, die Versuchung, Rabatte zu geben, ist gering. Finanziell wird das Jahr für die Autokonzerne voraussichtlich alles andere als schlecht.“

E-Autos bleiben Wachstumstreiber

Elektrifizierte Fahrzeuge haben sich inzwischen auf dem Neuwagenmarkt etabliert: Der Marktanteil von Elektroautos und Plug-in-Hybriden betrug in den fünf größten Märkten Westeuropas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) im April 14,3 Prozent, nachdem er im März sogar bei 15,3 Prozent lag. In Österreich erreichte der Marktanteil im April 16,7 Prozent.

„Die Wachstumsdynamik bei elektrifizierten Pkw ist nicht mehr ganz so stark wie zum Jahresende 2020, als einige Autokonzerne alles daransetzten, die CO2-Ziele zu erreichen und mit Macht elektrifizierte Fahrzeuge in den Markt drückten“, beobachtet Schwartz. „Nach wie vor spielen allerdings auch Lieferengpässe eine große Rolle und begrenzen das Wachstum. In der zweiten Jahreshälfte dürfte das Absatzplus bei elektrifizierten Neuwagen wieder deutlich höher ausfallen – dann ist zum einen hoffentlich die aktuelle Chipkrise überwunden; zum anderen kommen weitere attraktive neue Modelle auf den Markt. Fest steht: Das Interesse an Plug-in-Hybriden aber vor allem an Elektroautos ist derzeit sehr groß – nicht zuletzt dank der großzügigen Förderungen für elektrifizierte Fahrzeuge.“

Österreich auf der Überholspur

Besonders beliebt sind elektrifizierte Neuwagen in Deutschland und Österreich: In Deutschland konnte mehr als jeder fünfte Neuwagen (22,1 Prozent) an der Steckdose aufgeladen werden, in Österreich 16,7 Prozent. Zum Vergleich: In Spanien lag der Marktanteil nur bei knapp sechs Prozent.

Bei reinen Elektroautos liegt Österreich vorne: Hier beträgt der Marktanteil derzeit 10,8 Prozent, in Deutschland liegt er bei 10,4 Prozent, in den Top-5-Märkten liegt er insgesamt bei 6,7 Prozent. „Deutschland und Österreich weisen deutlich überdurchschnittliche Marktanteile auf und entwickeln sich derzeit innerhalb der EU zu Leitmärkten für Elektromobilität“, analysiert Schwartz. Das habe unter anderem auch mit der großzügigen Förderung (gerade auch für Dienstwagen) zu tun.

Gerade die in Deutschland besonders beliebten Plug-in-Hybride zeigen derzeit ein starkes Wachstum: Die Zahl der Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden stieg im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem Vorjahreszeitraum in den Top-5-Märkten um 249 Prozent, während reine Elektroautos „nur“ um 121 Prozent zulegten. Nachdem im Vorjahr noch mehr Elektroautos als Plug-in-Hybride neu zugelassen worden waren, liegen inzwischen Plug-in-Hybride vorn: Seit Jänner wurden in den Top-5-Märkten knapp 217.000 Plug-in-Hybride und gut 192.000 Elektroautos neu zugelassen. In Österreich haben Elektroautos die Nase vorn: Im bisherigen Jahresverlauf stehen gut 5.000 Plug-in-Hybride insgesamt gut 9.000 Elektroautos gegenüber.

Der Zuwachs bei elektrifizierten Neuwagen geht auf Kosten des Marktanteils reiner Verbrenner (Benzin und Diesel). Dieser schrumpfte in den Top-5-Märkten von 82 auf 62 Prozent. In Österreich ging er von 85 auf 67 Prozent zurück.